Benzocain

organische Verbindung, Narkosemittel
(Weitergeleitet von 4-Aminobenzoesäureethylester)

Benzocain ist ein Wirkstoff zur Oberflächenbetäubung (Lokalanästhetikum). Die Substanz vom Ester-Typ besitzt einen schnellen Wirkungseintritt bei relativ kurzer Wirkungsdauer. Als Anaesthesin wurde es von Eduard Ritsert hergestellt und auch später noch durch seine 1903 gegründete Firma Dr. E. Ritsert. Fabrik pharmazeutischer Präparate und Frankfurt am Main[5] vermarktet, womit 1890 die Einführung weiterer Lokalanästhetika angeregt[6] wurde.

Strukturformel
Struktur von Benzocain
Allgemeines
Freiname Benzocain
Andere Namen
  • Ethyl-4-aminobenzoat (IUPAC)
  • 4-Aminobenzoesäureethylester
  • para-Aminobenzoesäureethylester
  • p-Aminobenzoesäureethylester
Summenformel C9H11NO2
Kurzbeschreibung

farbloser Feststoff[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 94-09-7
EG-Nummer 202-303-5
ECHA-InfoCard 100.002.094
PubChem 2337
DrugBank DB01086
Wikidata Q422745
Arzneistoffangaben
ATC-Code

R02AD01, D04AB04, C05AD03

Wirkstoffklasse

Lokalanästhetikum

Eigenschaften
Molare Masse 165,19 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

89–92 °C[2]

Siedepunkt

172 °C (17 hPa)[2]

pKS-Wert

2,51 (protonierte Form)[3]

Löslichkeit

sehr schlecht in Wasser (0,4 g·l−1)[4]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[1]

Achtung

H- und P-Sätze H: 315​‐​317​‐​319
P: 280​‐​302+352​‐​305+351+338[1]
Toxikologische Daten

3042 mg·kg−1 (LD50Ratteoral)[4]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Anwendungen

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Zur Anwendung kommt Benzocain hauptsächlich zur lokalen Schmerztherapie der Haut und Schleimhaut, wie beispielsweise im Mund- und Rachenbereich, ebenso in Arzneimitteln gegen Erkältungskrankheiten, hustenstillende Zubereitungen, schmerzstillende Mittel wie Lösungen oder Lutschtabletten bei Hals-, Magen- und Zahnungsbeschwerden, Adstringenzien. Topische Zubereitungen wie Cremes, Lösungen und Puder werden gegen Fußpilz, Hühneraugen, Warzen und Schwielen, Suppositorien zur Behandlung von Hämorrhoidenleiden und Analbeschwerden, wie analer Pruritus und anal lokalisierte Ekzeme verwendet.[7] Kondome mit Benzocain-haltigem Gel in der Reservoirspitze werden zur Verzögerung eines vorzeitigen Samenergusses angeboten (z. B. Performa von Durex oder Long Love von Amor).[8]

Wirkungsweise

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Benzocain verhindert reversibel die Depolarisation der Nervenzellen durch die Bindung an spannungsabhängige Natriumkanäle, wodurch die Weiterleitung eines Aktionspotentials unterbunden wird.

Darstellung

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para-Nitrotoluol wird durch Kaliumdichromat unter schwefelsauren Reaktionsbedingungen zur para-Nitrobenzoesäure oxidiert. Die entstandene Carbonsäure wird im sauren Milieu mit Ethanol zum para-Nitrobenzoesäureethylester umgesetzt. Anschließend wird die para-ständige Nitrogruppe durch elementares Eisen im Sauren zur aromatischen Aminogruppe reduziert.

 
Syntheseweg von Benzocain

Alternativ kann Benzocain durch Veresterung von 4-Aminobenzoesäure mit Ethanol gewonnen werden. Andere Ester der 4-Aminobenzoesäure, wie Procain, werden ebenfalls als Lokalanästhetika genutzt.

Nebenwirkungen

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Benzocain hat als Substanz mit para-ständiger primärer aromatischer Aminogruppe ein deutlich höheres Allergiepotential (Para-Gruppenallergie) als beispielsweise das nicht para-substituierte Lidocain. Die Inzidenz für eine Benzocain-Allergie scheint von Land zu Land unterschiedlich zu sein. Für die Vereinigten Staaten wird für Benzocain eine positive Patch-Test-Rate von 2,6 Prozent angegeben. In Europa variiert diese von 1 Prozent in Dänemark bis 10 Prozent in Deutschland.[9]

Infolge einer Überdosierung bei der Anwendung im Mund-Rachen-Raum (Aufnahme von vielen Lutschtabletten bzw. -pastillen) können Magen-Darm-Beschwerden auftreten sowie Atemnot und eine vermehrte Methämoglobinbildung (insbesondere bei Kindern).[10] Die Food and Drug Administration verbot in den USA wegen der seltenen, aber gefährlichen Nebenwirkung Methämoglobinämie die Anwendung in der Mundhöhle für Kinder unter 2 Jahren.[11]

Handelsnamen

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Monopräparate

Anaestherit (A), Anaesthesin (D)

Kombinationspräparate

Dequalinetten (A), Dolo-Dobendan (D), Dorithricin (D), Herposicc (A), Insecticum Gel (A), „Kremser“ Ohrtropfen (A), Néocônes (CH), Rectosan (A), Rheumasalbe (A), Sulgan 99 (A), Tyrothricin (A)[12][13][14]

Einzelnachweise

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  1. a b c Eintrag zu Benzocain in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 1. Februar 2016. (JavaScript erforderlich)
  2. a b Datenblatt Ethyl-4-aminobenzoat (Benzocain) bei Merck, abgerufen am 26. Februar 2010.
  3. Eintrag zu Benzocain in der DrugBank der University of Alberta, abgerufen am 23. April 2016.
  4. a b Eintrag zu Ethyl 4-aminobenzoate bei Thermo Fisher Scientific, abgerufen am 13. Oktober 2023.
  5. 50 Jahre Dr. E. Ritsert. In: Münchener Medizinische Wochenschrift. Band 95, Nr. 1, 2. Januar 1953, S. XXXIII und XXXIX.
  6. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 50.
  7. E. Weisshaar, D. Becker et al.: Begründung für die Beurteilung der Auswirkung einer Allergie gegenüber Benzocain im Rahmen der MdE-Bewertung (PDF; 73 kB) Dermatologie in Beruf und Umwelt, Jahrgang 56, Nr. 3/2008, S. 117–119.
  8. Ralf Schlenger: Von Spray bis Schockwellen. In: Deutsche Apothekerzeitung. Band 39, 27. September 2018, S. 46 (deutsche-apotheker-zeitung.de).
  9. S. K. Sidhu, S. Shaw, J. D. Wilkinson: A 10-year retrospective study on benzocaine allergy in the United Kingdom. In: American Journal of Contact Dermatitis. Band 10, Nummer 2, Juni 1999, S. 57–61, PMID 10357712.
  10. Fachinformation Dolo-Dobendan Lutschtabletten, Reckitt Benckiser. Stand: September 2018
  11. Avoxa-Mediengruppe Deutscher Apotheker GmbH: Benzocain: Warnung vor gefährlicher Nebenwirkung. Abgerufen am 25. September 2019.
  12. Rote Liste online, Stand: September 2009.
  13. AM-Komp. d. Schweiz, Stand: September 2009.
  14. AGES-PharmMed, Stand: September 2009.