Rimonabant

chemische Verbindung
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Rimonabant ist ein Arzneistoff, der als Appetitzügler zur Behandlung des Übergewichts eingesetzt wurde, eigentlich allerdings zur Raucherentwöhnung von dem Pharmaunternehmen Sanofi-Aventis entwickelt wurde. Rimonabant greift in das körpereigene Cannabinoid-System (Endocannabinoidsystem) ein und vermittelt seine Wirkung über eine Hemmung von Cannabinoid-Rezeptoren des Subtyps CB1. Rimonabant wurde zwischen 2006 und Oktober 2008 unter dem Markennamen Acomplia vermarktet. In den USA wurde die Substanz wegen ihrer psychiatrischen Nebenwirkungen nicht zugelassen, in der EU führte eine intensive Diskussion der Risiken von Rimonabant im Oktober 2008 zu der Empfehlung der Europäischen Arzneimittelagentur, die Zulassung ruhen zu lassen (siehe Zulassung).

Strukturformel
Allgemeines
Freiname Rimonabant
Andere Namen
  • 5-(4-Chlorphenyl)-1-(2,4-dichlorphenyl)-4-methyl-N-(piperidin-1-yl)-1H-pyrazol-3-carboxamid
  • SR141716A[1]
Summenformel C22H21Cl3N4O
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer (Listennummer) 685-399-5
ECHA-InfoCard 100.210.978
PubChem 104850
ChemSpider 94641
DrugBank DB06155
Wikidata Q412529
Arzneistoffangaben
ATC-Code

A08AX01

Wirkstoffklasse

Anorektika

Wirkmechanismus

Selektiver Cannabinoid-Rezeptor CB1 Antagonist

Eigenschaften
Molare Masse 463,79 g·mol−1
Löslichkeit

2 mg·l−1 in Wasser[2]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[3]

Gefahr

H- und P-Sätze H: 372​‐​410
P: ?
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Indikationen

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Rimonabant war als Arzneistoff zusätzlich zu Diät und Bewegung zur Behandlung einer Adipositas (BMI ≥ 30 kg/m²) oder übergewichtiger Patienten (BMI > 27 kg/m²), die darüber hinaus einen oder mehrere Risikofaktoren wie Typ-2-Diabetes oder Dyslipidämie aufweisen, zugelassen.

Kontraindikationen

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Rimonabant darf nicht bei Patienten mit Depression angewendet und nicht verordnet werden, wenn der Patient gleichzeitig ein Antidepressivum einnimmt. Bei Auftreten depressiver Symptome muss Acomplia sofort abgesetzt werden.[4]

Wirksamkeit, Klinische Studien

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In den zulassungsrelevanten klinischen Studien verloren die mit Rimonabant behandelten Patienten etwas mehr Gewicht (4–5 %) als diejenigen Teilnehmer, die ein Scheinmedikament (Placebo) erhielten. Nach Absetzen des Medikaments steigt das Körpergewicht wieder an (Jo-Jo-Effekt).[5]

In den mit über 6.600 Patienten durchgeführten RIO-Studien wurde zusätzlich zur Gewichtsreduktion ein positiver Effekt auf die metabolischen Risikofaktoren gezeigt. Die Werte des umgangssprachlich „guten Cholesterins“ HDL stiegen, die Triglycerid-Werte und die Insulinresistenz bei Typ-2-Diabetikern sanken. In der nicht zulassungsrelevanten SERENADE-Studie senkte Rimonabant bei nicht-vorbehandelten Typ-2-Diabetikern den HbA1c-Wert und das Gewicht. Die Aussagekraft dieser Studien ist durch hohe Abbruchraten von 40 bis 50 % stark eingeschränkt.

Nebenwirkungen

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Die während der klinischen Studien am häufigsten beobachteten Nebenwirkungen waren Übelkeit, Durchfall, Schwindel und Atemwegsinfektionen. Herz-Kreislauf-Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet.

Bei Einnahme der vorgeschriebenen Einnahmemenge (20 mg) können unerwünschte psychische Wirkungen auftreten: Depressionen (bei 2,9 % der Patienten, unter Placebo: 1,5 %), Angstgefühl (1,1 %, unter Placebo: 0,4 %) und Übelkeit (1,3 %, unter Placebo: <0,1 %). Patienten, die zuvor wegen Depressionen behandelt worden sind, sollten diesen Wirkstoff nicht einnehmen. Eine gefährliche Nebenwirkung sind durch Rimonabant ausgelöste Suizidgedanken.[6] In Großbritannien sind fünf Patienten nach der Einnahme des Appetitzüglers Acomplia® gestorben.[7] Weitere mögliche unerwünschte Wirkungen sind Gedächtnisstörungen und vermutlich auch Krampfanfälle.

Zulassung

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Ursprünglich wurde Rimonabant zur Raucherentwöhnung entwickelt. Eine entsprechende Zulassung wurde sowohl von der Europäischen Arzneimittelagentur als auch von der amerikanischen Food and Drug Administration abgelehnt, da klinische Studien keinen ausreichenden Nachweis für die Wirksamkeit von Rimonabant zur Raucherentwöhnung erbrachten.[8]

Wegen des erhöhten Suizidrisikos ist Rimonabant in den USA derzeit nicht zugelassen. Ein FDA-Gutachtergremium[9] hat im Juni 2007 einstimmig die Zulassung abgelehnt, die endgültige Entscheidung war für den 27. Juli 2007 angekündigt.[10] Die Herstellerfirma Sanofi-Aventis zog am 29. Juni 2007 den Zulassungsantrag zurück.[11]

Das Gutachtergremium der Europäischen Arzneimittelagentur hat aufgrund der FDA-Entscheidung die Risiken von Rimonabant neu bewertet.[12] Im Ergebnis darf Acomplia an depressive Patienten nicht mehr verschrieben werden, auch die gleichzeitige Einnahme von Antidepressiva gilt jetzt als Kontraindikation.[13] Die EU-Zulassung von Acomplia erfolgte 2006 ohne eingehende Prüfung möglicher Risiken; diese sollten mittels eines Pharmakovigilanz-Programms ermittelt werden.[14]

Am 27. Juli 2007 hat das BfArM einen Rote-Hand-Brief über die vorgesehene Einschränkung der Anwendung von Rimonabant angekündigt.[15][16]

Eine erneute Diskussion des Nutzen-Risiko-Verhältnisses im Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur führte im Oktober 2008 zu der Empfehlung, die Zulassung ruhen zu lassen. Die Grundlage für die Neubewertung waren Daten aus neuen klinischen Studien und aus der Pharmakovigilanz, die im Vergleich zu den Zulassungsstudien einerseits ein deutlich höheres Risiko für ernste psychiatrische Störungen ergaben, andererseits in der Routineanwendung eine geringere Wirksamkeit als erwartet zeigten. Dadurch wurde das Nutzen-Risiko-Verhältnis ungünstig. Über die Empfehlung des CHMP müsse die Europäische Kommission noch eine bindende Entscheidung treffen; in der Zwischenzeit werde von weiteren Verschreibungen abgeraten.[17] Daraufhin nahm Sanofi-Aventis das Medikament vom Markt.[18]

Literatur

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RIO-Studien:

  • Lipids: New England Journal of Medicine. 353, 2005, S. 2121–2134. PMID 16291982.
  • Europe: The Lancet. 365, 2005, S. 1389–1397. PMID 15836887.
  • North-America: JAMA. 295, 2006, S. 761–775. PMID 16478899.
  • Diabetes: The Lancet. 368, 2006, S. 1660–1672. PMID 17098084.

Bewertung

  • Cochrane-Review: Rimonabant for overweight or obesity. In: Cochrane Database Syst Rev. (4), 18. Okt 2006, S. CD006162. PMID 17054276.
  • Drug treatments for obesity: orlistat, sibutramine, and rimonabant. In: The Lancet. 369, 2007, S. 71–77. PMID 17208644.
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Einzelnachweise

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  1. C. L. Schaich, H. A. Shaltout, K. B. Brosnihan, A. C. Howlett, D. I. Diz: Acute and chronic systemic CB1 cannabinoid receptor blockade improves blood pressure regulation and metabolic profile in hypertensive (mRen2)27 rats. In: Physiological reports. Band 2, Nummer 8, August 2014, Nr. e12108, doi:10.14814/phy2.12108. PMID 25168868.
  2. Takács-Novák, K.; Urac, M.; Horváth, P.; Völgyi, G.; Anderson, B.D.; Avdeef, A.: Equilibrium solubility measurement of compounds with low dissolution rate by Higuchi’s Facilitated Dissolution Method. A validation study in Eur. J. Pharm. Sci. 106 (2017) 133–144, doi:10.1016/j.ejps.2017.05.064.
  3. Vorlage:CL Inventory/nicht harmonisiertFür diesen Stoff liegt noch keine harmonisierte Einstufung vor. Wiedergegeben ist eine von einer Selbsteinstufung durch Inverkehrbringer abgeleitete Kennzeichnung von [No public or meaningful name is available] im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 1. Dezember 2018.
  4. QUESTIONS AND ANSWERS ON THE SAFETY OF ACOMPLIA (RIMONABANT). ((PDF; 43 kB)) 19. August 2007, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 8. August 2024.
  5. F. X. Pi-Sunyer, L. J. Aronne, H. M. Heshmati, J. Devin, J. Rosenstock; RIO-North America Study Group: Effect of rimonabant, a cannabinoid-1 receptor blocker, on weight and cardiometabolic risk factors in overweight or obese patients: RIO-North America: a randomized controlled trial. In: JAMA, 295, 2006, S. 761–775. PMID 16478899.
  6. Abmagerungsmittel Rimonabant kann Suizidgedanken auslösen. (Memento vom 26. Februar 2009 im Internet Archive) In: Deutsches Ärzteblatt. online, 12. Juni 2007.
  7. Todesfälle nach Einnahme von Rimonabant. (Memento vom 18. Dezember 2015 im Internet Archive) In: Deutsches Ärzteblatt. online, 4. Juni 2008.
  8. Europäischer öffentlicher Beurteilungsbericht (EPAR) – ACOMPLIA (Memento vom 15. März 2010 im Internet Archive)
  9. Unterlagen des FDA-Begutachtungsverfahrens.
  10. FDA: Keine Zulassung für Rimonabant in den USA. (Memento vom 30. September 2007 im Internet Archive) In: Deutsches Ärzteblatt. online, 14. Juni 2007.
  11. Ben Hirschler: Sanofi pulls obesity drug application in U.S. Reuters-Nachrichtendienst, 29. Juni 2007.
  12. Acomplia®: EMEA will auf Nichtzulassung in den USA reagieren. (Memento vom 30. September 2007 im Internet Archive) In: Deutsches Ärzteblatt. online, 15. Juni 2007.
  13. Abmagerungsmittel: Kontraindikationen, aber kein Verbot von Acomplia®. (Memento vom 30. September 2007 im Internet Archive) In: Deutsches Ärzteblatt. online, 20. Juli 2007.
  14. @1@2Vorlage:Toter Link/www.ema.europa.eu (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im März 2017. Suche in Webarchiven) EPAR, Scientific Discussion, S. 36–37.
  15. BfArM: Acomplia (Rimonabant): Europäische Arzneimittelagentur empfiehlt Anwendungsbeschränkungen (Memento vom 30. Dezember 2013 im Webarchiv archive.today).
  16. Erhöhte Häufigkeit von Berichten über Depressionen bei Patienten, die mit ACOMPLIA® behandelt werden. (Memento vom 31. Dezember 2013 im Internet Archive; PDF) Rote Hand Brief, 27. Juli 2007.
  17. @1@2Vorlage:Toter Link/www.ema.europa.eu (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im März 2017. Suche in Webarchiven) (PDF; 51 kB) The European Medicines Agency recommends suspension of the marketing authorisation of Acomplia – Pressemitteilung der Europäischen Arzneimittelagentur zur Empfehlung, die Zulassung ruhen zu lassen.
  18. Aus für Schlankheits-Mittel von Sanofi-Aventis. handelsblatt.com, 23. Oktober 2008.