Antikatholizismus bezeichnet eine feindselige Haltung gegenüber der katholischen Kirche und zum Teil gegenüber ihren Mitgliedern.

Antikatholische Karikatur des ehemaligen Priesters Jeremiah J. Crowley (1913)

Antikatholizismus im 19. Jahrhundert

Bearbeiten

Antikatholizismus kann als eine spezielle Ausformung des Antiklerikalismus verstanden werden.[1] Historische Beispiele für das Auftreten von großen antikatholischen Bewegungen sind unter anderem der Kulturkampf in Deutschland und ähnliche Prozesse in anderen europäischen Ländern wie Italien, Belgien und der Schweiz,[2] die Puritaner insbesondere nach der Exkommunikation von Elisabeth I.[3] und die Know-Nothing Party in Amerika, deren Bestrebungen sich gegen katholische Zuwanderer aus Irland und Deutschland wandten.[4] Auch der Ku-Klux-Klan positionierte sich im beginnenden 20. Jahrhundert zusehends antikatholisch und gewann damit in den frühen 1920er Jahren eine breite, weit über die Südstaaten hinausgehende Anhängerschaft.[5][6]

Die Forschung sieht in den antikatholischen Kulturkämpfen Europas im ausgehenden 19. Jahrhundert auch eine Reaktion auf Ultramontanismus und die ablehnende Haltung des Vatikan gegenüber Aufklärung und Moderne.[7]

Antikatholizismus in Lateinamerika

Bearbeiten

Auch unter einigen evangelikalen Strömungen ist Antikatholizismus verbreitet, insbesondere jenen, die der Christian Right nahestehen. In Lateinamerika ist dies auch als Gegenbewegung zu der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufkommenden Befreiungstheologie und den mit ihr sympathisierenden marxistischen Guerillas zu sehen. Die kurze Amtszeit von Efraín Ríos Montt in Guatemala, welcher unter dem Einfluss US-amerikanischer Fernsehprediger wie Jerry Falwell und Pat Robertson stand, war geprägt von religiösen Spannungen zwischen der fundamentalistisch-evangelikalen Führungselite um Efraín Montt und der katholischen Mehrheitsbevölkerung. Dies führte so weit, dass Mario Enrique Ríos Montt, katholischer Erzbischof und Bruder des Diktators, zwischenzeitlich ins Exil gehen musste.[8][9]

Auch das Buch Evangelizing Africa des brasilianischen IURD-Missionars und ehemaligen Bürgermeisters von Rio de Janeiro, Marcelo Crivella, ist von einer Ablehnung des Katholizismus geprägt, welchen er unter anderem als „dämonisch“ bezeichnet.[10] Die Sekte des Fernsehpredigers Edir Macedo war bereits 1995 in einen weltweit beachteten Zwischenfall verwickelt, als ein IURD-Pastor während einer Fernseh-Messe eine katholische Heiligenstatue zerstörte, deren Verehrung die IURD als blasphemisch ablehnt.[11]

Einen weiteren Zwischenfall hab es in Brasilien im Sommer 2020, als Drogenbanden mehrere Stadtviertel in Rio de Janeiro für einige Tage unter ihre Kontrolle brachten und dort eine Art Gottesstaat unter der fundamentalistischen Ideologie der Pfingstbewegung errichteten. Dabei kam es zu Pogromen gegen als ungläubig betrachtete Katholiken und Anhänger der afrobrasilianischen Religionen.[12]

Literatur

Bearbeiten
  • Evan Haefeli (Hrsg.): Against Popery: Britain, Empire, and Anti-Catholicism. University of Virginia Press, Charlottesville 2020, ISBN 978-0-8139-4491-3.
  • Claire Gheeraert-Graffeuille, Geraldine Vaughan (Hrsg.): Anti-Catholicism in Britain and Ireland, 1600–2000: Practices, Representations and Ideas. Springer International, Cham 2020, ISBN 978-3-030-42882-2.
  • Maura Jane Farrelly: Anti-Catholicism in America, 1620-1860. Cambridge University Press, Cambridge 2018, ISBN 978-1-107-16450-5.
  • Elizabeth Fenton: Religious Liberties: Anti-Catholicism and Liberal Democracy in Nineteenth-Century U.S. Literature and Culture. Oxford University Press, New York 2011, ISBN 978-0-19-538409-3.
  • Manuel Borutta: Antikatholizismus: Deutschland und Italien im Zeitalter der europäischen Kulturkämpfe. 2., durchgesehene Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, ISBN 978-3-525-36849-7.[13]
  • Philip Jenkins: The New Anti-Catholicism: The Last Acceptable Prejudice. Oxford University Press, New York 2004, ISBN 978-0-19-517604-9.

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Lisa Dittrich: Antiklerikalismus in Europa: Öffentlichkeit und Säkularisierung in Frankreich, Spanien und Deutschland (1848–1914). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2014, ISBN 978-3-6473-1023-7, S. 14
  2. Manuel Borutta: Antikatholizismus: Deutschland und Italien im Zeitalter der europäischen Kulturkämpfe. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, ISBN 978-3-6473-6849-8, S. 11
  3. Manuel Borutta: Antikatholizismus: Deutschland und Italien im Zeitalter der europäischen Kulturkämpfe. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, ISBN 978-3-6473-6849-8, S. 123, 124
  4. Manfred Berg: Geschichte der USA. Walter de Gruyter, München 2013, ISBN 978-3-4867-3741-7, S. 27, 28
  5. Jeffrey Marlett: Anti-Catholicism. In Peter Knight (Hrsg.): Conspiracy Theories in American History: An Encyclopedia. ABC-CLIO, Santa Barbara (CA) 2003, ISBN 978-1-5760-7812-9, S. 67
  6. Thomas Welskopp: Amerikas große Ernüchterung: Eine Kulturgeschichte der Prohibition. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2010, ISBN 978-3-5067-7026-4, S. 418
  7. Manuel Borutta: Antikatholizismus: Deutschland und Italien im Zeitalter der europäischen Kulturkämpfe. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, ISBN 978-3-6473-6849-8, S. 11, 12
  8. Guatemalan Church Fights Evangelical's Rise - The New York Times
  9. Efrain Rios Montt, former Guatemalan military dictator charged with genocide, dies at 91 - The Washington Post
  10. Rio de Janeiro elects mayor who said homosexuality is 'evil'
  11. Church makes airwaves, BBC News, 3. August 2000 
  12. Traficantes usam pandemia para criar 'Complexo de Israel' unindo cinco favelas na Zona Norte do Rio. In: globo.com. G1, 24. Juli 2020, abgerufen am 29. Dezember 2020 (brasilianisches Portugiesisch).
  13. Besprechung der ersten Auflage (2010) durch Nils Freytag: Manuel Broutta. Antikatholizismus. In: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 98 (2011), Heft 2, S. 202.