Die August Thyssen-Hütte AG war von 1919 bis zur Einbringung in die Vereinigten Stahlwerke 1926 ein Montankonzern im thyssen'schen Firmenimperium, der aus dem Hüttenwerk Bruckhausen sowie dem Walzwerk Deutscher Kaiser in Dinslaken bestand. Sie ging aus der Gewerkschaft Deutscher Kaiser hervor. Die Bruckhauser Hütte wurde zuvor durch August Thyssen ab 1889 errichtet.
August Thyssen-Hütte
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Rechtsform | Aktiengesellschaft |
Gründung | 1891 als Hüttenwerk Bruckhausen, 1953 erneut nach Entflechtung der Vereinigten Stahlwerke AG |
Auflösung | 1977 |
Auflösungsgrund | Umfirmierung zur Thyssen AG |
Sitz | Duisburg-Hamborn |
Branche | Stahlindustrie |
Nach Demontage-Stopp und der Wiedergründung der Bruckhauser Hütte 1951 wurde im Zuge der Entflechtung der Vestag 1953 die August Thyssen-Hütte AG (ATH) wieder gegründet. Nach der Übernahme von verschiedenen Stahlunternehmen wie der Phoenix-Rheinrohr (1965), der Hüttenwerk Oberhausen (1968) und u. a. der Rheinstahl (1973) stieg die ATH zum größten Stahlunternehmen Deutschlands auf und änderte ihren Namen 1977 in Thyssen AG.
Die Hütte in Bruckhausen war dann ab 1983 das Hauptwerk der Thyssen Stahl AG und ist noch heute das Stammwerk der Stahlsparte des Thyssenkrupp-Konzerns. Es ist das größte integrierte Hüttenwerk in Europa.[1] Sie hat sich heute auf die Produktion von Qualitätsflachstahl-Produkten spezialisiert.
Ende 2020 nahm der Regionalverband Ruhr das Hüttenwerk Bruckhausen in die Route der Industriekultur, Themenroute 27: Eisen & Stahl auf.
Geschichte
BearbeitenGründung bis zum Ersten Weltkrieg
BearbeitenIm Frühjahr 1889 begann August Thyssen, Gelände nahe dem Rhein in der Bauerschaft Bruckhausen zu erwerben – insgesamt 122 Hektar. Bereits im Sommer desselben Jahres wurde nach der Gründung der Gewerkschaft Deutscher Kaiser begonnen, ein Stahl- und Walzwerk zu errichten, das über den Hafen Alsum an den Rhein angebunden war. Der erste Abstich der zunächst sechs basisch zugestellten Siemens-Martin-Öfen am 17. Dezember 1891 gilt als eigentlicher Beginn der Hütte Bruckhausen. Im nördlich des Stahlwerkes gelegenen Walzwerk wurden von Januar 1892 bis Juni 1894 sukzessive fünf Walzstraßen in Betrieb genommen. Der Beschluss zum Bau der Hütte war inmitten einer Hochkonjunkturphase gefallen, die Fertigstellung jedoch in eine Konjunkturschwäche. Dennoch wurde 1895 mit dem Bau eines Thomas-Stahlwerkes mit vier 16-t-Konvertern begonnen, da das Thomas-Patent 1884 ausgelaufen war. Die erste Thomas-Charge wurde am 20. Juli 1897 erblasen, 1898 erreichte man bereits eine Jahresproduktion von 179.000 Tonnen. Fast gleichzeitig mit dem Bau des Thomaswerkes wurde der 1886 begonnene erste Hochofen am 17. Juli 1897 in Betrieb genommen. Die neue Unabhängigkeit von externen Lieferanten und die gute Konjunktur führten dazu, dass 1897, 1899, 1900 und 1901 weitere Hochöfen in Betrieb genommen werden konnten. Der Koks wurde seit 1895 in einer eigenen Hüttenkokerei erzeugt, an die auch direkt eine Kohlenwertstoffanlage angegliedert wurde.
Das Walzwerk in Dinslaken in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs wurde ab April 1897 erbaut. In der noch offenen Walzhalle ging das Werk am 1. Januar 1898 in Betrieb. Es diente im Wesentlichen zur Verfeinerung – also der Erzeugung von Bandeisen und Walzdraht sowie ab 1899 auch als Kaltwalzwerk. Bis etwa 1920 wurde das Werk um eine Stahlflaschenfabrik, ein Röhrenwerk und – darauf aufbauend – eine Produktionsstätte zur Herstellung von Masten aus Stahlrohren erweitert. Inzwischen in die Vereinigten Stahlwerke integriert ergänzte man das Werk 1937 um ein Warmbreitbandwalzwerk. Die Walzengerüste und deren Zubehör lieferte die Fa. DEMAG. Aufgestellt wurde die neue Walzstraße in der Halle des in der Weltwirtschaftskrise stillgelegten Pilgerschrittröhrenwalzwerks. Mit der neuen Warmbandstraße sowie einem bis 1944 neu gebauten und noch im Bau modernisierten Kaltbandwalzwerk samt der dazu gehörigen Verfeinerungsanlagen (Verzinnerei, Beize) war das Dinslakener Walzwerk das modernste Europas.[2] Wohl auch deshalb wurde es im II. Weltkrieg weitgehend verschont, um 1946 fast komplett demontiert und nach Magnetogorski im Ural abtransportiert zu werden. Dort befand sich eins der größten Schwermaschinenkombinate der ehemaligen UdSSR.
Aufgrund der Auslastung der Hochöfen in Bruckhausen – die ausschließlich für das Thomas-Werk produzierten – beschloss Thyssen den Bau eines weiteren Hochofenwerkes zur Versorgung der SM-Werke in Styrum und Bruckhausen in Hamborn. Aufgrund behördlicher Probleme wurde der Hüttenbetrieb Meiderich mit drei modernen Hochöfen allerdings erst 1901 begonnen und 1903 in Betrieb genommen. Bis 1908 konnten noch zwei weitere Hochöfen in Betrieb genommen werden.
1904 beteiligte sich August Thyssen an der Gelsenkirchener Bergwerks AG, über die er mit dem Wechsel ins Jahr 1905 einen Interessenverband mit dem Schalker Verein und dem Aachener Hütten-Aktienverein erreichte – praktisch eine Fusion, die 1907 auch formal realisiert wurde. Aufgrund der Konkurrenzsituation zu Emil Kirdorf zogen sich August und Fritz Thyssen bis 1909 aber wieder aus der Beteiligung an der GBAG zurück.
Ab 1908 wurde in Bruckhausen mit dem Bau einer Kraftzentrale mit Großgasmaschinen begonnen, eine intensive Verbundwirtschaft zu betreiben, die die optimale Nutzung der Hochofen- und Koksgase zur Stromerzeugung sicherstellte. Auch mit benachbarten Städten wie Hamborn, Dinslaken, Oberhausen und Mülheim wurden in der Folgezeit Gaslieferverträge geschlossen.
1914 konnte das im Jahre 1911 begonnene neue Thomaswerk mit anfangs drei 30-Tonnen-Konvertern den Betrieb aufnehmen, bis 1911 wurden außerdem vier weitere Siemens-Martin-Öfen mit zusammen 130 Tonnen Kapazität in Betrieb genommen. Im selben Zeitfenster – 1910 – nahm der erste Elektro-Ofen in Bruckhausen den Betrieb auf, um auch hochlegierte Edelstähle herstellen zu können. Bereits 1912/1913 wurde die Elektrostahl-Kapazität mit einem weiteren 25-Tonnen-Ofen beträchtlich erweitert.
Außer der Erweiterung der flüssigen Phase wurde in Richtung Marxloh der Bau eines neuen Walzwerkes begonnen (Walzwerk II), das durch einen Tunnel mit dem bisherigen Hüttenbetrieb verbunden war. Die Walzstraßen für Feinblech, Stabeisen und Feineisen nahmen nach einer wegen des morastigen Bodens kostspieligen Bauphase im Laufe der Jahre 1911–1914 den Betrieb auf.
Da der Hafen Alsum mittlerweile zu klein geworden war und durch behördliche Auflagen beschränkt wurde rheinabwärts in Schwelgern ein neuer Hafen errichtet, der 1905 den Betrieb aufnahm. Von 1903 bis 1913 stieg der Umschlag über beide Häfen zusammen von 1,3 auf 4,3 Millionen Tonnen. Der mit dem Anstieg des Güterumschlages verbundene Ausbau des Werksbahnnetzes führte dazu, dass die betriebseigene Bahnwerkstatt soweit vergrößert wurde, dass auch externe Kunden mit Waggons beliefert werden konnten.
Literatur
Bearbeiten- Wilhelm Treue: Die Feuer verlöschen nie. August Thyssen-Hütte 1890–1926. Econ-Verlag, Düsseldorf / Wien 1966.
- Wilhelm Treue, Helmut Uebbing: Die Feuer verlöschen nie. August Thyssen-Hütte 1926-1966. Econ-Verlag, Düsseldorf / Wien 1969.
- Helmut Uebbing: Wege und Wegmarken. 100 Jahre Thyssen. Siedler, Berlin 1991, ISBN 3-88680-417-8.
- Tobias Witschke: Gefahr für den Wettbewerb. Die Fusionskontrolle der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und die „Rekonzentration“ der Ruhrstahlindustrie 1950–1963. Akademie-Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-05-004232-9 (= Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, Beiheft 10)
- Zeitzeugenbörse Duisburg e. V.: Duisburger Hüttenwerke, Erfurt 2014, ISBN 978-3-95400-364-8
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ https://www.industriedenkmal.de/huttenwerke/huttenwerke-im-ruhrgebiet/august-thyssen-huette-thyssenkrupp/.
- ↑ Manfred Rasch: Die erste Warmbreitbandstrasse in Europa, errichtet von der Bandeisenwalzwerke AG in Dinslaken: Entstehung - Entwicklung - Ende. In: Ferrum: Nachrichten aus der Eisenbibliothek, Stiftung der Georg Fischer AG. Band 79, 2007, S. 73–87, doi:10.5169/seals-378430.