Die Chaconne (französisch chaconne [ʃaˈkɔn], seltener auch chacone, von spanisch chacona; italienisch ciaccona [tʃakˈkona], seltener ciacona; englisch veraltet: chacony [ˈtʃækəni]) ist ein möglicherweise aus Mexiko stammender Tanz und eine musikalische Variationsform im Dreivierteltakt. Die frühesten Quellen stammen aus dem Spanien des späten 16. Jahrhunderts, ihre Blütezeit als Theatertanz erlebte die Chaconne im Frankreich des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts, bevor sie gegen Ende des Jahrhunderts aus der Mode kam. Typisch für die Chaconne ist eine ostinate Bassmelodie mit einem sich ständig wiederholenden Harmonieschema von vier bis acht (manchmal bis zu sechzehn) Takten. Sie ist verwandt mit der Folia, sowie insbesondere mit der Passacaglia, von der sie sich weder musikalisch noch choreographisch eindeutig unterscheiden lässt. Gelegentlich wurde sie auch in barocke Suiten eingefügt. Sehr selten sind Chaconnen (auch Chaconnes) im geraden Zweier- oder Vierertakt (Pachelbel: Ciacona C-Dur;[2] François Couperin: „La Favorite“ (3e Ordre, 1713))[3].

Geschichte der Tanzform

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Die frühesten Erwähnungen der Chacona stammen aus dem Spanien des späten 16. Jahrhunderts und beschreiben sie als einen sehr beliebten, wilden und lasziven Tanz. Er stammt wahrscheinlich aus Mittelamerika und wurde von Gesang, Gitarre und Tamburin oder Castagnetten begleitet. Nach Miguel de Cervantes konnte die Chacona von beliebig vielen Paaren getanzt werden[EoD] Sie galt als „baile“, ein Bauerntanz [Ewing, S. 45] Die fröhlichen Texte beziehen sich oft auf "la vida bona", das gute Leben. Der erotische Charakter der Chacona, den sie mit der Zarabanda gemeinsam hatte, führte 1615 zu ihrem Verbot in Spanien, was ihrer Popularität jedoch keinen Abbruch tat. Sie war nicht nur als Gesellschaftstanz beliebt, sondern fand auch Eingang in das Bühnenrepertoire. [Im Laufe des 17. Jahrhunderts kam sie wieder aus der Mode [Ewing, S. 24].

Anfang des 17. Jahrhunderts gelangte die Chacona nach Italien, wo sie ebenfalls wegen ihres lasziven Charakters verurteilt wurde. Die früheste Quelle ist vermutlich Girolamo Montesardos "Nuove inventioni d'intavolatura, per sonare li balletti sopra la chitarra spagniuola" (1606). Dort wird die Ciacona als Balletto klassifiziert, während der darin ebenfalls enthaltene Passacaglio keinen Tanz, sondern ein kleines musikalisches Zwischenspiel darstellt. Es ist möglich, dass die spanische Passacalle und die italienische Passacaglia zu dieser Zeit gar nicht getanzt wurden. Welche konkrete Form die Ciacona als Tanz in Italien hatte, ist nicht bekannt. Richard Hudson vermutet, dass sie bereits im frühen 17. Jahrhundert in die Commedia dell'arte integriert wurde. [EoD]

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts fand auch die Chaconne ihren Weg nach Frankreich. Die erste Erwähnung als Tanz findet sich im Ballet des Fées de la Foret de Saint-Germain, in dem Frauen und Männer in spanischen Kostümen zur Gitarrenbegleitung tanzen. In Luigi Rossis Orfeo (1647) spielt die Chaconne „A l’imperio d’Amore“ im zweiten Akt eine dramatisch wichtige Rolle [OMO]. Die erste Erwähnung einer Passacaglia als Tanz findet sich in Jean Baptiste Lullys Oper Persée (1682). Lully ist es auch zu verdanken, dass beide Tanzformen zu Standardelementen der französischen Oper wurden. In jeder seiner letzten neun Opern erhielt eine Chaconne oder Passacaille eine prominente Rolle im Finale eines Aktes, oft eingebettet in eine Chorszene. Aus den Libretti geht hervor, dass die Chaconnes und Passacailles in der Regel Choreographien größerer Gruppen waren, obwohl gelegentlich auch Solisten im Wechsel mit der Gruppe auftraten. Die Rollen der Tänzer reichten dabei von edlen Heroen bis hin zu Charakteren der Commedia dell'arte. [EoD].

Ab 1700 wurden etwa vierzehn Chaconnen und sechs Passacailles in Beauchamps-Feuillet-Notation publiziert bzw. notiert (Harris-Warrick, Encycl. Dance), darunter neben französischen Choreographien auch einige englischer Herkunft.

FUSSNOTE: Zu wichtigen Unterschieden in der Schrittauswahl französischer und englischer notierter Chaconnen siehe Jennifer Thorp und Ken Pierce 1994 https://historicaldance.org.uk/wp-content/uploads/journal/volume3/hd3n3p03.pdf; englische Choreographien zeigen einen deutlich spielerischeren Umgang mit modifizierten Grundschritten als die auf kodifizierte Grundschritte zurückgreifenden französischen Choreographien ENDE FUSSNOTE

Auch in diesen choreographischen Quellen gibt es keine klare Unterscheidung zwischen Chaconne und Passacaille.

Einzelne Choreographien aus dieser Gruppe lassen sich bereits auf das ausgehende 17. Jahrhundert datieren (so etwa the Favourite, https://www.loc.gov/resource/muspre1800.100103/?sp=4, als Schautanz für einen Ball statt für die Bühne eine Ausnahme im Repertoire; laut Titelblatt wurde diese Choreographie durch Queen Anne als Prinzessin selbst getanzt –[ Thorp, Jennifer: The gentleman dancing master: Mr Isaac and the English royal court from Charles II to Queen Anne Clemson : Clemson University Press, 2024, S. 127f].

Fünfzehn der notierten Choreographien sind Solostücke, fünf sind Tänze für ein Paar. Alle Solo-Passacailles sind für eine Tänzerin, neun der elf Solo-Chaconnen für einen Herrn; ob diese Differenzierung in der Notation die tatsächliche Praxis im 18. Die drei Chaconnen, die für einen Harlekin choreographiert sind, erfordern eine besondere technische Gewandtheit, da sie sogenannte “falsche Stellungen” mit nach innen gedrehten Füßen verlangen, die in den anderen Chaconnen und Passacailles des ernsten “serieux”-Repertoires nicht vorkommen. Außerdem enthalten sie Anweisungen zu Bewegungen des Kopfes, der Arme und des Hutes. Sie sind alle auf die beiden relativ kurzen Chaconnes de Harlequin von Lully - LWV 43/36 - und Charpentier aus „Le Malade Imaginaire“, 1. Intermède choreographiert. Zu dieser Gruppe gehört sicher auch die in Stichen mit Textanweisungen beschriebene Szenenfolge bei Lambranzi Nürnberg 1716 (LINK http://data.onb.ac.at/rec/AC10897670, Tafel 29-31; vgl. aber auch Teil II http://data.onb.ac.at/rec/AC10897678, Tafel 49). Obwohl Chaconnen und Passacailles zur Zeit ihrer Entstehung hauptsächlich von professionellen Tänzerinnen und Tänzern aufgeführt wurden, wurden sie gelegentlich auch von besonders tänzerisch begabten Adligen auf Bällen dargeboten. (ABSATZ Harris-Warrick, Encycl Dance)

Im allgemeinen Schrittrepertoire der „Belle Danse“, das in französischen, englischen und deutschen Tanztraktaten nach 1700 beschrieben wird, sind zwei Schrittfolgen nach der Chaconne und der Passacaille benannt, obwohl diese Schrittfolgen auch in praktisch allen anderen Tanzformen der Zeit vorkommen: Der Contretemps de Chaconne (Rameau: LINK) ist eine der häufigsten seitwärts ausgeführten Varianten dieses Schrittes: Hopp - Schritt - Schritt, wobei beim Hopp das Spielbein in die Richtung zeigt, in die sich die tanzende Person bewegt.

Der Pas de Passacaille (engl. Movement of the Chaconne or Passacaille Step) kann dagegen in seiner Reinform nur in Tänzen im Dreiertakt ausgeführt werden. Besonders anschaulich wird er bei Tomlinson 1735 beschrieben (https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Chaconne_Dance_1735.jpg - ZWEITAFELN ZUSAMMEN! https://www.loc.gov/item/20010870/

https://www.loc.gov/resource/muspre1800.100066/?sp=107 https://www.loc.gov/resource/muspre1800.100066/?sp=108

http://bdh-rd.bne.es/viewer.vm?id=0000158416&page=1

SEITEN 121 &123). Es handelte sich um einen virtuosen Drehsprung, der eher für die Bühne bestimmt war: Ein Sprung mit halber Drehung von einem Fuß auf den anderen auf den 1. Schlag, ein Hopp auf demselben Bein mit halber Drehung in derselben Richtung mit dem Spielbein nach vorne in der Luft auf den 2. Schlag und ein Sprung ohne weitere Drehung nach vorne auf den 3. Schlag.

Eine Besonderheit im Repertoire ist die Passacaglia von Venus und Adonis von Anthony L'Abbé (Thorp, Jennifer. “L'Abbé, Anthony (b. 1666/7, d. in oder nach 1753).” Jennifer Thorp in The Oxford Dictionary of National Biography, ed. by H.C.G. Matthew and Brian Harrison. Oxford: OUP, 2004. Online ed., edited by Lawrence Goldman, January 2008. http://www.oxforddnb.com/view/article/74437 (accessed 8 November 2024) (Choreographie publiziert 1725, Lancelot FL/1725.1/08; Musik Henry Desmarest https://fr.wikipedia.org/wiki/Henry_Desmarest, Vénus et Adonis, 1697): Sie enthält einen geradtaktigen Mittelteil in Dur.

Französische Bühnenkomponisten wie André Campra und Jean-Philippe Rameau folgten der Praxis ihrer Vorgänger und verwendeten eine Passacaille oder (häufiger) eine Chaconne, um einen Akt oder ein ganzes Werk abzuschließen, besonders häufig in Werken der ernsten Genres. Diese Tradition setzte sich bis ins letzte Viertel des 18. Jahrhunderts fort, wie das Beispiel dreier Opern zeigt, die Christoph Willibald Gluck in den 1770er Jahren in Paris komponierte und die alle mit einer Chaconne endeten. Auch Wolfgang Amadeus Mozart schrieb 1781 in seiner Ballettmusik für seine Opera seria Idomeneo https://de.wikipedia.org/wiki/Idomeneo sowohl eine Chaconne als auch eine Passacaglia. Zu diesem Zeitpunkt galten jedoch beide Formen schon als altmodisch[EoD].