Berliner Straßenbahn (Unternehmen)
Die Berliner Straßenbahn (BSt) und die 1923 aus ihr gebildete Berliner Straßenbahn-Betriebs-GmbH (BSBG) waren Straßenbahnunternehmen in Berlin in den 1920er Jahren.
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Geschichte
Bearbeiten→ Hauptartikel: Geschichte der Straßenbahn in Berlin
Bis 1920 gab es eine Vielzahl an Straßenbahnunternehmen in Berlin. Deren größte, die Große Berliner Straßenbahn AG (GBS) wurde am 20. September 1919 aufgrund finanzieller Schwierigkeiten in einen Kommunalbetrieb überführt,[1] in den auch die Berliner Elektrischen Straßenbahnen (BESTAG) und die Städtischen Straßenbahnen in Berlin (SSB) integriert wurden. Dieser Gesamtbetrieb firmierte ab dem 13. Dezember 1920 als Berliner Straßenbahn (BSt). Betrieblich waren anfangs große Probleme durch nicht vorhandene Verbindungen der einzelnen Teilnetze und inkompatibles Wagenmaterial mit unterschiedlichen Stromabnehmertypen zu lösen.
Am 16. April 1921 erfolgte noch die Übernahme der Strecken der Teltower Kreisbahnen sowie der Straßenbahn der Gemeinde Steglitz (Grunewaldbahn).
Bedingt durch finanzielle Schwierigkeiten des städtischen Betriebs während der Inflation des Jahres 1923 ging die BSt in Konkurs. Nach einem straßenbahnlosen Tag in Berlin startete am 10. September 1923 die Berliner Straßenbahn-Betriebs-GmbH (BSBG). Das neu gegründete privatrechtliche Unternehmen, das ebenfalls mit dem Kurznamen Berliner Straßenbahn bezeichnet wurde, nahm den Betrieb mit einem deutlich reduzierten Liniennetz und Fahrplanangebot wieder auf und konnte in den Folgejahren den Betrieb wieder ausweiten.[2] Da nur Berlin und keine Privataktionäre Anteile an der neuen Gesellschaft hielten, war die Befreiung von der Körperschafts- und Vermögensteuer möglich.[3]
Unter Federführung des Architekten Jean Krämer, des „Hausarchitekten der Berliner Straßenbahn“ und mit Unterstützung des Tragwerksplaners Gerhard Mensch wurde damit begonnen, die kleinen und veralteten Wagenhallen durch zeitgemäße Betriebshöfe zu ersetzen. Hierzu zählen u. a. der 1926 eröffnete Neubau des Betriebshofes Britz in der Gradestraße[4] und der 1927 eröffnete Neubau des Betriebshofes Müllerstraße.[5]
Am 9. März 1927 schloss die Berliner Straßenbahn-Betriebs-Gesellschaft mit der Hochbahngesellschaft und der Allgemeinen Berliner Omnibus AG den sogenannten Interessengemeinschafts-Vertrag, mit dem am 15. März 1927 der 20-Pfennig-Einheitstarif zwischen den drei Verkehrsmitteln in Kraft trat. Der Tarif erlaubte das einmalige Umsteigen innerhalb eines Verkehrsmittels beziehungsweise zur Straßenbahn oder U-Bahn, ab dem 1. Januar 1928 auch zum Autobus.[6]
Im Rahmen der durch Ernst Reuter, damals Berliner Stadtrat für Verkehr, initiierten Kommunalisierung der öffentlichen Verkehrsmittel entstand zum 1. Januar 1929 die neu gegründete städtische Berliner Verkehrs-AG (BVG), die neben der BSBG auch die Hoch- und Untergrundbahn sowie die überwiegend von der Allgemeinen Berliner Omnibus-Actien-Gesellschaft (ABOAG) betriebenen Buslinien übernahm.[7] Am 1. Januar 1929 nahm die Gesellschaft den Betrieb auf. Wenige Wochen nach der Gründung der BVG wurden umfangreiche Pläne zum Ausbau des Schnellbahnnetzes vorgestellt, von denen aber nur ein Teil umgesetzt werden konnte.[8]
Linien
BearbeitenZum Zeitpunkt des Zusammenschlusses zur BVG 1929 wurden folgende Linien betrieben:[9]
- 1 Stadtring
- 2 Bahnhofsring
- 3 Großer Ring
- 4 Ost-West-Ring
- 5 Außenring
- 6 Südring
- 7 Westring
- 8 Nordring
- 9 Ostring
- 12 Siemensstadt <> Köllnische Allee
- 13 Gotzkowskystr./Turmstr. <> Großkraftwerk Klingenberg
- 14 Gotzkowskystr./Turmstr. <> Schwiebusser Str.
- 15 Wilhelmsruh <> Gottlieb-Dunkel-Str./Neuer Gemeindefriedhof Neukölln
- 115 Bremer Str./Birkenstr. <> Buckow-Ost, Städtisches Krankenhaus Neukölln
- 19 Schwedenstr./Badstr. <> Schöneberg, Eisenacher Str./Hauptstr.
- 119 Niederschönhausen, Friedensplatz <> Friedenau, Rubensstr.
- 120 Bf. Spandau West <> Hennigsdorf
- 21 Augustenburger Platz <> Britz, Rathaus
- 23 Rosenthal <> Anhalter Bahnhof
- 24 Buchholz <> Schöneberg, Gotenstr./Torgauer Str.
- 25 Tegel <> Mariendorf, Lichtenrader Ch./Rennbahn
- 27 Tegel <> Britz, Rathaus
- 28 Tegelort <> Britz, Germaniapromenade
- 128 Heiligensee <> Britz, Germaniapromenade
- 29 West-Reinickendorf, Scharnweberstr./Sportplatz <> Buckow
- 32 Reinickendorf, Teichstr. <> Britz, Germaniapromenade
- 132 Reinickendorf, Teichstr. <> Neukölln, Köllnische Allee
- 35 Seestr./Togostr. <> Tempelhof, Kaiserin-Augusta-Str.
- 36 Schönholz <> Neukölln, Hermannstr./Kranoldstr.
- 40 Grüntaler Str./Bornholmer Str. <> Lichterfelde-West, Dahlemer Weg
- 41 Tegel <> General-Pape-Str.
- 41E Reinickendorf-West, Sportplatz <> Kreuzbergstr.
- 42 Bf. Steglitz <> Bf. Lichterfelde Ost <> Bf. Lichterfelde West
- 43 Kniprodestr./Elbinger Str. <> Dahlem
- 44 Görlitzer Bahnhof <> Birkbuschstr./Siemensstr.
- 45 Pankow, Mendelstr. <> Birkbuschstr./Siemensstr.
- 47 Niederschönhausen, Podbielskistr. <> Rudow
- 48 Niederschönhausen-Nordend <> Bf. Neukölln
- 148 Grüntaler Str./Bornholmer Str. <> Neukölln, Schulenburgpark
- 49 Niederschönhausen, Blankenburger Str. <> Görlitzer Bahnhof
- 51 Nordend/Schillerstr. <> Grunewald, Roseneck
- 53 Charlottenburg, Reichskanzlerplatz <> Lichtenberg, Gudrunstr.
- 54 Weißenburger Str./Danziger Str. <> Spandau, Hakenfelde
- 154 Bf. Frankfurter Allee <> Spandau, Johannesstift
- 55 Treptow, Bouchéstr. <> Spandau-West, Nauener Str.
- 56 Pankow, Lindenpromenade <> Bf. Lichterfelde Ost
- 57 Niederschönhausen, Podbielskistr. <> Grunewald, Roseneck
- 58 Bf. Neukölln <> Spandau, Stadtpark
- 60 Weißensee, Rennbahnstr. <> Lindenhof
- 61 Weißensee, Schloß <> Steglitz, Stadtpark
- 62 Weißensee, Rennbahnstr. <> Bf. Charlottenburg
- 63 Gotzkowskystr./Turmstr. <> Britz, Rathaus
- 64 Gartenfeld-Siemensstadt <> Dönhoffplatz
- 65 Eldenaer Str./Samariterstr. <> Friedenau, Rubensstr.
- 66 Hohenschönhausen, Wartenberger Str. <> Neu-Tempelhof, Hohenzollernkorso
- 68 Bf. Wittenau (Nordbahn) <> Lichtenberg, Irrenanstalt Herzberge
- 69 Friedrichsfelde, Kirche <> Friedenau, Südwestkorso
- 70 Behrenstr./Kanonierstr. <> Johannisthal
- 71 Weißensee, Rennbahnstr. <> Steglitz, Hindenburgdamm
- 72 Weißensee, Rennbahnstr. <> Stadion Grunewald
- 73 Heinersdorf <> Tempelhof, Flughafen
- 74 Kniprodestr./Elbinger Str. <> Lichterfelde, Zehlendorfer Str. (stattl. Bildungsanstalt)
- 174 Danziger Str./Greifswalder Str. <> Lichterfelde, Händelplatz
- 75 Kupfergraben <> Hakenfelde
- 76 Hundekehle <> Lichtenberg, Gudrunstr.
- 176 Hundekehle <> Lichtenberg, Gudrunstr.
- 77 Westend, Kirschenallee <> Lichterfelde-West, Dahlemer Weg
- 177 Bf. Zoologischer Garten <> Teltow, Schützenplatz
- 78 Weißenburger Str./Danziger Str. <> Grunewald, Roseneck
- 79 Nordkapstr./Bornholmer Str. <> Bf. Halensee
- 82 Dönhoffplatz <> Stralau, Kirche <> Treptow, Platz am Spreetunnel
- 83 Bf. Mahlsdorf <> Wendenschloß
- 84 Altglienicke, Str. am Falkenberg <> Müggelsee, Wasserwerk
- 86 Bf. Cöpenick <> Schmöckwitz
- 87 Behrenstr. <> Cöpenick, Krankenhaus
- 187 Behrenstr. <> Bf. Friedrichshagen
- 88 Bf. Treptow <> Steglitz, Stadtpark
- 89 Spandauer Str./Straßenbahnhof <> Lichtenberg, Gudrunstr.
- 90 Warschauer Brücke <> Lichtenberg, Wagnerplatz
- 91 Bf. Halensee <> Bf. Oberspree
- 191 Grunewald, Roseneck <> Görlitzer Bahnhof
- 92 Grunewald, Roseneck <> Treptow, Graetzstr./Bouchéstr.
- 93 Reichskanzlerplatz <> Treptow, Rathaus
- 95 Schöneberg, Eisenacher Str./Hauptstr. <> Cöpenick, Hirtestr.
- 96 Behrenstr./Markgrafenstr. <> Lichterfelde, Kranoldplatz
- 97 Bf. Steglitz <> Mariendorf, Kaiserstr./Chausseestr.
- 98 Alt-Moabit/Ottostr. <> Neukölln, Schulenburgpark ( <> Bf. Baumschulenweg)
- 99 Seestr./Togostr. <> Bf. Lichtenrade
- 199 Niederschönhausen, Nordend <> Marienfelde
- 100 Bf. Lichterfelde Ost <> Stahnsdorf ( <> Machnower Schleuse)
Wagenmaterial
BearbeitenDie neu entstandene Berliner Straßenbahn (BSt) wies einen stark durchmischten Fuhrpark der verschiedenen Vorgängerbetriebe auf. Neben der Neubestellung von Wagen ab dem Jahr 1924[10][11] verfolgte die BSt auch die Vereinheitlichung der elektrischen Ausrüstung des vorhandenen Materials. Ältere Triebwagen als auch solche von kleineren Betrieben wurden daher überwiegend zu Beiwagen oder Arbeitswagen umgebaut oder ausgemustert; falls sie in Betrieb blieben, erhielten sie häufig geschlossene Berliner Einheitsplattformen. Neuere Beiwagen hingegen wurden größtenteils in Triebwagen umgebaut.
Wagenmaterial der BSt:
- GBS 58 … 1195 (von GBS übernommen, schrittweise ausgemustert)
- GBS 2500 bis 2669 (von GBS übernommen, schrittweise ausgemustert)
- GBS Berolina-Wagen (von GBS übernommen, schrittweise auf Bauart U3l umgerüstet)
- GBS Maximum 27 (von GBS übernommen, schrittweise bis 1929 ausgemustert)
- GBS Maximum 30 (von GBS übernommen)
- GBS Bauart 1913 (von GBS übernommen, ab 1925 modernisiert)
- GBS Bauart 1920 (von GBS übernommen)
- BSt Bauart U3l (von SBB und BESTAG übernommen)
- BSt Bauart U3q (von SBB und BESTAG übernommen)
- BSt Maximum 24 (von SBB und BESTAG übernommen)
BSt 6001 der AEG - BSt 6001 bis 6003 (in Besitz der AEG)
- BSt Bauart 1924 / BSt Bauart 1925 (Neubestellung von 501 Triebwagen und 803 Beiwagen der Bauart 1924 und Bauart 1925 )
- BSt Bauart 1926 (50 Mitteleinstiegbeiwagen, auch Einrichtungswagen)
- BSt Bauart 1927 (Neubestellung von 300 Triebwagen)
- BSt Bauart 1928 (Neubestellung von 50 Beiwagen)
Literatur
Bearbeiten- Harf Zimmermann, Hans Georg Hiller von Gaertringen: Die Bahn, die Berlin bewegt. 150 Jahre Straßenbahn. Mit Beiträgen von Laurenz Demps, Reinhard Demps, Reinhard Kraetzer und Klaus-Dietrich Matschke. Nicolai Verlag, Berlin 2015, ISBN 978-3-89479-945-8.
- Sigurd Hilkenbach, Wolfgang Kramer: Berliner Straßenbahn-Chronik. Die Geschichte der Straßenbahn bei der BVG. Verlag GVE, Berlin 2015, ISBN 978-3-89218-150-7.
- Ernst Reuter: Rationalisierung der Berliner Verkehrsbedienung. In: Verkehrstechnik, 9. Jg., Heft 26 (29. Juni 1928), S. 437–439.
- Ernst Reuter: Die Gründung der Berliner Verkehrs-A.-G. In: Verkehrstechnik, 9. Jg., Heft 50 (14. Dezember 1928), S. 917–919.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Heinz Jung: Vor 50 Jahren: Schaffung der “Berliner Straßenbahn”. In: Berliner Verkehrsblätter. Nr. 12, 1970, S. 241–246.
- ↑ Berliner Straßenbahn, abgerufen am 30. Mai 2023.
- ↑ Ernst Reuter: Die Gründung der Berliner Verkehrs-A.-G. In: Verkehrstechnik, 8. Jg., 50. Heft (14. Dezember 1928), S. 917–919.
- ↑ Baudenkmale Betriebshof der Großen Berliner Straßenbahn AG und benachbarte Wohnanlage.
- ↑ Eintrag zu Berliner Straßenbahn (Unternehmen) (Obj.-Dok.-Nr. 09030305) in der Berliner Landesdenkmalliste mit weiteren Informationen
- ↑ 15. März 1927: Erster Tag Einheitstarif. – Glatte Verkehrsabwicklung. – Die Flut fortgeworfener Hochbahnscheine. In: Vorwärts, 15. März 1927, Abendausgabe Nr. 125, S. 6, abgerufen am 18. Dezember 2019.
- ↑ Heiko Schützler: 10. Dezember 1928: Die BVG wird gegründet. In: Berlinische Monatsschrift (Luisenstädtischer Bildungsverein). Heft 6, 2000, ISSN 0944-5560, S. 118–123 (luise-berlin.de).
- ↑ 29. Januar 1929: Es geht vorwärts im Schnellbahnbau! - Ein Bauprogramm für die nächsten fünf Jahre. In: Vorwärts, 29. Januar 1929, Morgenausgabe Nr. 47, S. 6, abgerufen am 18. Dezember 2019.
- ↑ 1929 - Linienübersicht. In: Berliner Linienchronik. Abgerufen am 30. Mai 2023.
- ↑ Reinhard Arf: Neue Bahnen vor 75 Jahren. Über die Inbetriebnahme und Einsätze der legendären Berliner Straßenbahnwagenserien der Bauart 1924 (Teil 1). In: Verkehrsgeschichtliche Blätter. Nr. 3, 2000, S. 58–67.
- ↑ Wilhelm Pforr: Die Erneuerung des Wagenparks der Berliner Straßenbahn. In: Verkehrstechnik. Sonderheft, September 1924, S. 406–409.