Als Beuroner Kunstschule (auch Beuroner Schule) wird eine Gruppe von Künstlern bezeichnet, die 1868 in der Abtei Beuron im Tal der oberen Donau zur Erneuerung der katholisch-kirchlichen Kunst begründet wurde. Die Schule orientierte sich stark an der ägyptischen, altchristlichen und byzantinischen Kunst und wirkte im ganzen eher anregend als wirklich erneuernd. In ihrem Erneuerungsbestreben, eine religiöse Kunst wiederzubeleben, knüpften sie an die Grundideen der Nazarener an.
Gründung
BearbeitenAnreger und Wortführer waren der Architekt, Maler und Bildhauer Pater Desiderius Lenz (geb. Peter Lenz; * 1832 in Haigerloch; † 1928 in Beuron), der Kaulbach-Schüler und Konvertit Pater Gabriel Wüger (geb. Jacob Wüger; * 1829 in Steckborn; † 1892 in Monte Cassino, schweizerisch-reformiert aufgewachsen) und Pater Lukas Steiner (geb. Fridolin Steiner; * 1849 in Ingenbohl/Schwyz; † 1906 in Beuron). Lenz hatte von der Fürstin Katharina von Hohenzollern-Sigmaringen den Auftrag zum Bau der Mauruskapelle bei Beuron erhalten und zog für die Ausstattungsarbeiten seine befreundeten Kollegen hinzu (1868–1870). Alle drei traten in der Folge in das Kloster Beuron ein. Gemeinsam malten sie 1874 bis 1879 auch das Erzkloster des Benediktinerordens auf dem Montecassino aus. Ein weiteres Hauptwerk ist die Beuroner Gnadenkapelle unter maßgeblicher Beteiligung von Pater Paulus Krebs. Zeugnisse finden sich in Form von Wandbildern auch noch im Beuroner Straßenbild: Unter dem Giebel des baufälligen Klosterhofs befinden sich noch mehrere Engelsdarstellungen. Dem Klosterhof gegenüberliegend befinden sich Gemälde am Haus Schäfer. Diese stammen aus dem Sommer 1910 von Karl Caspar (1870–1956), einem der bedeutendsten Vertreter der sakralen Kunst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Laut Hubert Krins (Tübingen) waren um 1910 die Arbeiten der Beuroner Kunstschule bereits in Misskredit geraten. Viele der Werke wurden zerstört. Selbst in Beuron wurden Zeugnisse dieser Kunstrichtung im Zuge einer Wiederherstellung des barocken Erscheinungsbilds der Klosterkirche entfernt.
Weiterer Vertreter der Beuroner Kunstschule war Willibrord Jan Verkade (1868–1946), der der Künstlergruppe der Nabis angehörte. Er lernte bei der Ausschmückung der Gabrielskirche in Prag Desiderius Lenz kennen. Ein Ableger der Beuroner Kunstschule wurde 1890 in der belgischen Abtei Maredsous gegründet.
Bruder Notker Becker, OSB (1883–1978) schuf Spätwerke dieser Kunstrichtung.
Bauten
BearbeitenFolgende Bauten wurden unter direkter Mitwirkung der Begründer der Beuroner Schule errichtet oder umgestaltet:
- Abteikirche (nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch weitgehend rebarockisiert) und Gnadenkapelle der Erzabtei Beuron
- Mauruskapelle bei Beuron
- Erzabtei Montecassino
- Abtei Emaus in Prag
- Abtei St. Gabriel in Prag
- Herzjesukirche in Meßkirch (1875, heute Herz-Jesu-Heim)
- Abtei St. Hildegard (Rüdesheim am Rhein)
- Schlosskapelle Räckelwitz b. Kamenz (1883–1885)
- Beuronkapelle in Teplitz (1888–1889)
- Schlosskapelle Gaußig, Kr. Bautzen (1894–1895)
- Abteikirche Maredsous
- Klosterkirche zur Heiligen Familie in St. Ludwig
Zahlreiche Entwürfe kamen nicht zur Ausführung. Die Zahl der Nachfolgebauten, die von Ideen der Beuroner Kunstschule beeinflusst wurden, ist groß und nach momentanem Forschungsstand kaum zu überblicken. Sie befinden sich in Deutschland, Österreich, Tschechien, USA und sogar Brasilien.
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Die 1875 von Beuroner Mönchen gestaltete Herzjesukirche, heute Herz-Jesu-Heim in Meßkirch, 2005 renoviert
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Krypta in Monte Cassino
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Gnadenkapelle (an die Nordseite der Beuroner Abteikirche angebaut)
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Die St.-Maurus-Kapelle bei Beuron
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Abtei St. Hildegard
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Pfarrkirche St. Michael im Burgenland
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Apsisgemälde "Jesus Christus als Pantokrator" St. Remigius (Bliesen)
Literatur
Bearbeiten- Klara Antons OSB: Gotteswohnung. Die Wandmalereien der Abteikirche St. Hildegard als ein Hauptwerk der Beuroner Kunstschule Beuroner Kunstverlag, Beuron 2018, ISBN 978-3-87071-364-5.
- Martha Dreesbach: Pater Desiderius Lenz OSB von Beuron – Theorie und Werk. Zur Wesensbestimmung der Beuroner Kunst. (Diss. phil.), München 1957.
- Hubert Krins: Die Kunst der Beuroner Schule. „Wie ein Lichtblick vom Himmel“. Beuroner Kunstverlag, Beuron 1998, ISBN 3-87071-078-0.
- Hubert Krins: Das Menschenbild der Beuroner Kunst – Ein neu aufgefundener Text zum Kanon des P. Desiderius Lenz. In: Erbe und Auftrag 77 (2001), S. 386–392. [mit Zeichnungen]
- Josef Kreitmaier: Beuroner Kunst. eine Ausdrucksform der christlichen Mystik. 4. u. 5. Auflage. Herder, Freiburg 1923 (archive.org)
- Desiderius Lenz: Zur Ästhetik der Beuroner Schule. Braumüller, Wien und Leipzig [1898] (archive.org)
- Harald Siebenmorgen: Die Beuroner Kunstschule. Peter Lenz (P. Desiderius) und seine Mitarbeiter. In: Das Münster, Jg. 30 (1977), S. 20–36.
- Harald Siebenmorgen: Peter (P. Desiderius) Lenz, der Begründer der Beuroner Kunstschule 1832–1928. Entwürfe, Zeichnungen, Gemälde, Skulpturen. Ausstellung aus Anlaß des 50. Todestages. Ausstellungskatalog, Haigerloch 1978.
- Harald Siebenmorgen: „Kulturkampfkunst“. Das Verhältnis von Peter Lenz und der Beuroner Kunstschule zum Wilhelminischen Staat. In: Ekkehard Mai (Hrsg.): Ideengeschichte und Kunstwissenschaft. Philosophie und bildende Kunst im Kaiserreich. Mann, Berlin 1983, ISBN 3-7861-1338-6, S. 409–430.
- Harald Siebenmorgen: Die Anfänge der "Beuroner Kunstschule". Peter Lenz und Jakob Wüger 1850–1875. Ein Beitrag zur Genese der Formabstraktion in der Moderne. Thorbecke, Sigmaringen 1983, ISBN 3-7995-5028-3.
- Harald Siebenmorgen: „Der Shakespeare der deutschen Plastik“. Die Restaurierung der Kreuzwegstationen Adam Krafts durch Peter Lenz im 19. Jahrhundert. In: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums, Jg. 1983, S. 49–58.
- Harald Siebenmorgen: „Ein echter Beuroner werd ich nie werden.“ Karl Caspar als Wandmaler und die „Beuroner Kunstschule“. In: „München leuchtete.“ Carl Kaspar und die Erneuerung christlicher Kunst in München um 1900. Ausstellungskatalog, hrsg. von Peter-Klaus Schuster. München 1984, S. 254–267.
- Harald Siebenmorgen: Die „Beuroner Kunstschule“ und die Schweiz. In: „Ich male für fromme Gemüter.“ Zur religiösen Schweizer Malerei im 19. Jahrhundert. Ausstellungskatalog, Luzern 1985, S. 217–225.
- Harald Siebenmorgen: Jakob Wüger. In: Biographisches Lexikon der Schweizer Kunst, Bd. 2: L–Z, hrsg. vom Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft. Zürich 1998, S. 1144–1145.
- Harald Siebenmorgen: Avantgarde und Restauration. Die Verbindlichkeit des ideellen Bildthemas um 1900. In: Wolfgang Braungart, Gotthard Fuchs, Manfred Koch (Hrsg.): Ästhetische und religiöse Erfahrungen der Jahrhundertwenden. Bd. 2: Um 1900. Schöningh, Paderborn 1998, S. 233–265.
- Harald Siebenmorgen: Die „Beuroner Kunstschule“ und Wien. In: Avantgardist und Malermönch – Peter Lenz und die Beuroner Kunstschule, Ausstellungskatalog, hrsg. von Velten Wagner, Engen 2007, S. 19–32.
- Harald Siebenmorgen: Achsenverschiebungen der Avantgarden. Lenz und Verkade 1893–1904. In: P. Willibrord Verkade. Künstler und Mönch. Ausstellungskatalog, hrsg. von Adolf Smitmans, Beuron 2007, S. 93–100.
- Harald Siebenmorgen, Anna zu Stolberg (Hrsg.): Ägypten, die Moderne, die Beuroner Kunstschule. G. Braun Buchverlag, Karlsruhe 2009, ISBN 978-3-937345-42-0.
- Harald Siebenmorgen: Anbetende Engel. Ein unbekanntes Werk von P. Willibrord Verkade. In: Erbe und Auftrag, Jg. 86 (2010), S. 89–90.
- Felix Standaert: L’école de Beuron. Un essai de renouveau de l’art chrétien à la fin du XIXe siècle. Éditions de Maredsous, Denée 2011, ISBN 978-2-9601166-0-1.
- Helena Čižinská: Beuronská umělecká škola – Die Beuroner Kunstschule in der Abtei Sankt Gabriel in Prag (zweisprachige Ausgabe). Ars Bohemica, Prag 1999, ISBN 80-902381-4-9.
Weblinks
Bearbeiten- Arbeiten der Beuroner Kunstschule
- Internetseite des Beuroner Kunstverlags , der aus der Beuroner Kunstschule hervorging und bis heute auch Darstellungen des Beuroner Kunst verlegt.
- Pius Engelbert OSB: P. Desiderius Lenz OSB – Der Gründer der Beuroner Schule ( vom 11. November 2010 im Internet Archive)