Die Brocarda (auch Brocardica) waren Sammlungen kurzgefasster juristischer Argumente, welche die mittelalterlichen Juristen in Bologna als Hilfestellung für Prozesse zusammenstellten. Dabei stellten sie besonders Argumente und Gegenargumente gegenüber und untermauerten sie mit Belegstellen. Seit 1180 sind sie auch in individuellen Autoren zuweisbaren Schriften überliefert. Unter den wichtigen Brocardasammlungen sind die ältesten: die anonymen kanonistischen Brocarda de praesumptionibus „Hic locus in iudiciis“, der Libellus disputatorius des Pilius und die Brocardica Dolum per subsequentia purgari (vermutlich von Otto Papiensis). Wichtige jüngere Brocardicasammlungen sind: die zweite Fassung des Libellus disputatorius von Pilius (etwa 1195), die Brocardica des Richardus Anglicus (vor 1198), die Brocardica aurea des Azo (vor 1204/09) und die Brocardica des Damasus von Ungarn (1210/15).
Die Bezeichnung „Brocarda“ hat nichts mit dem Liber decretorum des Burchard von Worms († 1025) zu tun, auch wenn Burchards Name oft als „Brocardo“ oder ähnlich wiedergegeben wurde.
Die Bezeichnung der Brocarda leitet sich vielmehr von broccus für „hervorstehend (von den Zähnen der Tiere)“, vulgärlateinisch *brocca, und romanisch für „Spieß“ ab.[1] Die Brocardica waren also im Bologneser Juristenjargon „Prozesswaffen“.
Literatur
Bearbeiten- Albert Lang: Zur Entstehungsgeschichte der Brocarda-Sammlungen, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte: Kanonistische Abteilung, Bd. 31, 1942, S. 106–141.
- Peter Weimar: Brocarda / Brocardica. In: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. 2. Auflage. Band 1. Berlin 2008, S. 685–686 (hrgdigital.de [abgerufen am 12. Mai 2022]).
- Peter Weimar: Brocarda. In: Lexikon des Mittelalters (LexMA). Band 2. Artemis & Winkler, München/Zürich 1983, ISBN 3-7608-8902-6, Sp. 707 f.
- Peter Weimar: Brocarda / Brocardica in: Handbuch der Quellen und Literatur der neuen europäischen Privatrechtsgeschichte, hrsg. von Helmut Coing, Bd. 1: Mittelalter 1100-1500 Die gelehrten Rechte und die Gesetzgebung, München 1973, S. 143f., 237–241.
- Stephan Kuttner: Réflexions sur les Brocards des Glossateurs. In: Mélanges Joseph de Ghellinck, Gembloux 1951, S. 767–792
Weblinks
Bearbeiten- Veröffentlichungen zu brocarda im Opac der Regesta Imperii
- Veröffentlichungen zu brocardica im Opac der Regesta Imperii
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ BROCHE. Centre national de ressources textuelles et lexicales (Frankreich), abgerufen am 2. März 2019. Gerhard Köbler: Zielwörterbuch europäischer Rechtsgeschichte. 5. Auflage. Arbeiten-zur-Rechts-und-Sprachwissenschaft-Verlag, Gießen/Lahn 2009, ISBN 978-3-88430-078-7, Eintrag „Brocarda oder Brocardica“ (koeblergerhard.de [abgerufen am 2. März 2019]).