Rio de Janeiro (Bundesstaat)

brasilianischer Bundesstaat
(Weitergeleitet von Bundesstaat Rio de Janeiro)

Rio de Janeiro (amtlich portugiesisch Estado do Rio de Janeiro) ist ein Bundesstaat in der Südostregion von Brasilien. Die Hauptstadt heißt ebenfalls Rio de Janeiro und ist der zentrale Ausgangspunkt der Metropolregion Rio de Janeiro. Die Bewohner des Bundesstaates werden als Fluminenses bezeichnet, während sich die Bewohner der Hauptstadt Cariocas nennen.

Rio de Janeiro
LageUruguayArgentinienParaguayPeruChileKolumbienVenezuelaGuyanaSurinamFrankreichBolivienAmapáRoraimaAcreAmazonasParáRondôniaMaranhãoPiauíCearáRio Grande do NorteParaíbaPernambucoAlagoasSergipeTocantinsMato GrossoEspírito SantoDistrito Federal do BrasilBahiaRio de JaneiroGoiásMato Grosso do SulMinas GeraisSão PauloParanáSanta CatarinaRio Grande do Sul
Lage
Symbole
Flagge
Flagge
Wappen
Wappen
Basisdaten
Staat Brasilien
Hauptstadt Rio de Janeiro
Fläche 43.909,7 km²
Einwohner 15.993.583 (2010[1])
Dichte 364 Einwohner pro km²
ISO 3166-2 BR-RJ
Webauftritt www.rj.gov.br
Politik
Gouverneur Cláudio Castro
vakant: Vizegouverneur
Senatoren: 3
Bundesabgeordnete: 46
Landesabgeordnete: 70
Partei PSC
Wirtschaft
BIP 640.186 Mio. R$
38.482 R$ pro Kopf
(2016[2])
Koordinaten: 22° 22′ S, 42° 53′ W

Gouverneur war seit 1. Januar 2019 Wilson Witzel vom rechtsreligiösen Partido Social Cristão (PSC).[3] Am 28. August 2020 wurde er wegen des Verdachts der Korruption amtsenthoben.[4] Sein Amt übernahm interimistisch Vizegouverneur Cláudio Castro, ebenfalls PSC, seit 1. Mai 2021 ist Castro offiziell Gouverneur.[5]

Geographie

Bearbeiten
 
Satellitenbild des Landes
 
Mata Atlântica mit Gebirgszug

Mit einer Fläche von nur rund 43.750,4 km² (Stand 2018) gehört Rio de Janeiro zu den kleineren Staaten Brasiliens und ist in etwa so groß wie Dänemark und etwas kleiner als das deutsche Bundesland Niedersachsen. Es ist mit 17.264.943 Einwohnern, geschätzt zum 1. Juli 2019,[1] der drittbevölkerungsreichste Bundesstaat nach São Paulo und Minas Gerais. Die Einwohnerdichte beträgt etwa 365 EW/km².[6]

Die höchste Erhebung des überwiegend bergigen Bundesstaates ist der Pico das Agulhas Negras in der Serra da Mantiqueira mit 2.789 m. Die wichtigsten Flüsse sind der Paraíba do Sul, Macaé, Muriaé, Piraí und der Rio Grande. Das größte Binnengewässer ist mit einer Fläche von 220 km² die Laguna de Araruama, im Osten des Bundesstaates. Er hat mit etwa 635 km Ausdehnung am Südatlantik die drittgrößte Küstenlänge nach den Küsten von Bahia (rund 1183 km) und Maranhão (rund 640 km). Die Küstenregion wird Baixada Fluminense genannt und bildet mit der sich anschließenden Baixada Santista im Bundesstaat São Paulo die Region Costa Verde.

Der Bundesstaat grenzt (von Südwesten im Uhrzeigersinn) an die Bundesstaaten São Paulo, Minas Gerais und Espírito Santo, die zusammen die statistische Großregion Região Sudeste bilden.

Die Hauptstadt und größte Stadt ist Rio de Janeiro. Ihre Nachbarstadt Niterói war bis 1975 die Hauptstadt des Bundesstaates und ist mit ca. 500.000 Einwohnern dessen fünftgrößte Stadt. Zwischen beiden Städten verläuft die 1974 gebaute, 14 km lange und die Bucht von Guanabara überquerende Rio-Niterói-Brücke.

Entsprechend ihrer wirtschaftlichen Bedeutung sind die nächstwichtigen Städte des Bundesstaates Rio de Janeiro, in alphabetischer Reihenfolge: Angra dos Reis, Araruama, Arraial do Cabo, Barra Mansa, Búzios, Cabo Frio, Campos, Duque de Caxias, Macaé, Mauá, Nova Friburgo, Nova Iguaçu, Paraty, Petrópolis, Rio das Ostras, São Gonçalo, Saquarema, Teresópolis und Volta Redonda.

Geschichte

Bearbeiten

Der Bundesstaat Rio de Janeiro hat seinen Ursprung in der nach der Unabhängigkeit Brasiliens 1822 gegründeten kaiserlichen Provinz Rio de Janeiro. Die Stadt Rio de Janeiro war sowohl die Kapitale der Provinz wie auch die des Kaiserreichs. Um ihrer Hauptstadtfunktion gerecht zu werden, ist die Stadt im Jahr 1834 als „neutrale Stadt“ (Município Neutro) administrativ von ihrem provinziellen Umland abgetrennt worden, worauf Stadt und Provinz von nun an zwei Gebietskörperschaften mit gleichen Namen darstellten. Neue Hauptstadt der Provinz wurde Niterói. Nach dem Ende des Kaiserreichs und der Proklamation der Republik 1889 ist die Provinz in einen Bundesstaat eingerichtet worden. Seine Hauptstadt wurde 1894 von Niterói nach Petrópolis verlegt, nur um 1903 wieder nach Niterói zurückverlegt zu werden.

Mit dem Ergänzungsgesetz Lei complementar número 20 vom 1. Juli 1974[7] hat die brasilianische Militärregierung unter Präsident Ernesto Geisel die Wiedervereinigung des Bundesstaates Rio de Janeiro mit dem Stadtstaat von Rio de Janeiro verfügt, der seit 1960 als Bundesstaat Guanabara bestanden hat. Das Gesetz ist am 15. März 1975 wirksam geworden, worauf der heutige Bundesstaat entstand, dessen Hauptstadt nun wieder Rio de Janeiro ist.

Exekutive

Bearbeiten
 
Palácio Guanabara, Sitz des Gouverneurs
 
Palácio Tiradentes, Sitz der Legislativversammlung

Sitz der Regierung ist der Palácio Guanabara.

Der Teilstaat wird im Bundessenat des Nationalkongresses (56. Legislaturperiode) von drei Senatoren vertreten: Arolde de Oliveira (PSD), Flávio Bolsonaro (Republicanos) und dem ehemaligen Fußballspieler Romário (PODE). In die Abgeordnetenkammer des Nationalkongresses wurden 46 Bundesabgeordnete gewählt.

Gouverneure waren seit 1974 in der Übergangszeit von der Militärdiktatur Brasiliens und seit der Sechsten Republik:

Im November 2016 erklärte der Bundesstaat den finanziellen Notstand, Krankenhäuser und Schulen blieben teils geschlossen und die Polizei arbeitete im Halbstreik, alleine im Januar 2017 wurden 18 Beamte ermordet. Gleichzeitig war der frühere Gouverneur Sérgio Cabral in Untersuchungshaft mit dem Vorwurf, Hunderte von Millionen Dollar veruntreut zu haben.[8]

Im Februar 2018 nannte die Neue Zürcher Zeitung den zu der Zeit amtierenden Gouverneur ein „wandelndes Desaster“: Er gehöre zur Clique von Sérgio Cabral Filho, der den Bundesstaat „um hunderte Millionen Dollar erleichterte“. Der Staatspräsident Brasiliens, Michel Temer, wollte dem Gouverneur die Kontrolle entziehen, stattdessen wurde ihm durch Dekret Nr. 9.288[9] nur die Kontrolle über den Sicherheitsapparat entzogen, sodass ab Februar 2018 für ein Jahr der Armeegeneral Walter Souza Braga Netto, Militärkommandant des Ostens, die Polizei befehligt.[10] Die Ernennung eines Bundesinterventors ist verfassungsrechtlich umstritten.

Legislative

Bearbeiten

Die aktuell von 2019 bis 2023 laufende 12. Legislativversammlung Assembleia Legislativa do Estado do Rio de Janeiro (ALERJ) besteht aus 70 Abgeordneten.[11][12] Sie hat ihren Sitz im Palácio Tiradentes im Zentrum der Hauptstadt.

Judikative

Bearbeiten

Oberstes Organ der Rechtsprechung einschließlich der staatlichen Militärjustiz ist das Tribunal de Justiça do Estado do Rio de Janeiro (TJERJ), der Gerichtshof des Staates Rio de Janeiro. Präsident für die Zeit von 2017 bis 2018 ist Richter Milton Fernandes de Souza.[13]

Demografie

Bearbeiten

Ethnische Gruppen

Bearbeiten

Anteile der ethnischen Gruppen nach einer Erhebung von 2009 (aus Gesamtzahl 15.801.000):[14]

Gruppe Anteil in % Anmerkung
Brancos (Weiße, Nachfahren von Europäern) 55,8 meist portugiesisch-, italienisch-, deutsch-, schweiz-, spanischstämmig
Pardos (Mischrassige) 32,6 meist Mulatten und Mestizen
Pretos (Schwarze) 11,1 meist Bantu- und Yorubastämmige
Indigene und Amarelos (Asienstämmige) 0,4
ohne Angaben 0,1

Wirtschaft und Landwirtschaft

Bearbeiten

Der Anteil Rio de Janeiros am brasilianischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag im Jahr 2011 bei 11,2 %, er ist neben dem von São Paulo der Zweithöchste des Landes.[2] Insgesamt betrug das BIP 462.376 Mio. R$, pro Kopf 28.696 R$ als Dritthöchstes des Landes im Jahr 2011.

Dabei wird der überwiegende Teil (ca. 58 %) im Dienstleistungssektor erwirtschaftet. Die wichtigsten Industrien sind chemische Industrie, Erdöl- und -gasförderung und Metallindustrie. Der Tourismus spielt eine sehr bedeutende Rolle. Denn insbesondere für ausländische Touristen ist die Stadt Rio de Janeiro Brasiliens populärster Zielort, während der kleine Badeort Armação dos Búzios im Bundesstaat den zweiten, in ganz Brasilien den achten Platz einnimmt.

 
Rio de Janeiro
 
Niterói
 
Campos
 
Petrópolis

Städte über 100.000 Einwohner laut Volkszählung 2010 des IBGE mit Schätzungen der Einwohnerzahlen zum 1. Juli 2020.[15]

Gemeinde Census
2010
Schätzung
1. Juli 2020
01 Rio de Janeiro   6.320.446  6.747.815
02 São Gonçalo   999.728  1.091.737
03 Duque de Caxias   855.048  924.624
04 Nova Iguaçu   796.257 
(2000: 920.599)
823.302
05 Niterói   487.562  515.317
06 (7) Campos dos Goytacazes   463.731  511.168
07 (6) Belford Roxo   469.332  513.118
08 São João de Meriti   458.673  472.906
09 Petrópolis   295.917  306.678
10 Volta Redonda   257.803  273.988
11 (12) Magé   227.322  246.433
12 (13) Itaboraí   218.008  242.543
13 (11) Macaé   206.728  261.501
14 Cabo Frio   186.227  230.378
15 (16) Nova Friburgo   182.082  191.158
16 (17) Barra Mansa   177.813  184.833
17 (15) Angra dos Reis   169.511  207.044
18 (19) Mesquita   168.376  176.569
19 (18) Teresópolis   163.746  184.240
20 (21) Nilópolis   157.425  162.693
21 (23) Queimados   137.962  151.335
22 (20) Maricá   127.461  164.504
23 (24) Resende   119.769  132.312
24 (25) Araruama   112.008  134.293
25 (24) Itaguaí   109.091  134.819
26 Rio das Ostras   105.676  155.193
Bearbeiten
Commons: Rio de Janeiro (Bundesstaat) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. a b Rio de Janeiro – Panorama. In: cidades.ibge.gov.br. IBGE, abgerufen am 4. September 2019 (brasilianisches Portugiesisch).
  2. a b Notícias: Contas Regionais do Brasil. IBGE; abgerufen am 6. Oktober 2019 (brasilianisches Portugiesisch).
  3. Wilson Witzel 20 (Governador). In: todapolitica.com. Eleições 2018, abgerufen am 4. September 2019 (brasilianisches Portugiesisch).
  4. Chico Otavio, Daniel Biasetto: STJ afasta Witzel do governo do Rio por suspeitas de participar em esquema de corrupção na saúde, Correio do Povo, 28. August 2020.
  5. Gabriel Barreira, Nicolás Satriano: Tribunal aprova por unanimidade impeachment de Witzel, que fica inelegível por 5 anos. In: globo.com. G1, 30. April 2021, abgerufen am 29. Mai 2022 (brasilianisches Portugiesisch).
  6. IBGE: Rio de Janeiro Panorama, Version 4.3.5, abgerufen am 9. März 2018 (portugiesisch).
  7. Presidência da República: Lei complementar n° 20, de 1° de julio de 1974 Dispõe sobre a criação de Estados e Territórios. Abgerufen am 30. Juli 2014 (portugiesisch).
  8. Tod auf dem Klettergerüst. NZZ, 7. Februar 2017
  9. Decreto Nº 9.288 de 16 de fevereiro de 2018, Decreta intervenção federal no Estado do Rio de Janeiro com o objetivo de pôr termo ao grave comprometimento da ordem pública. In: Diário Oficial da União – Imprensa Nacional. pesquisa.in.gov.br, 16. Februar 2018, abgerufen am 9. März 2018 (brasilianisches Portugiesisch).
  10. Temers Soldaten sollen Ruhe nach Rio bringen. NZZ, 19. Februar 2018
  11. Deputados estaduais eleitos no RJ; veja lista. In: globo.com. G1, abgerufen am 11. Juli 2019 (brasilianisches Portugiesisch).
  12. Deputados, quem são. In: alerj.rj.gov.br. Assembleia Legislativa do Estado do Rio de Janeiro, abgerufen am 11. Juli 2019 (brasilianisches Portugiesisch, mit aktuellen Änderungen).
  13. Galeria dos Presidentes do TJERJ (1975–2018) – Tribunal de Justiça do Estado do Rio de Janeiro. In: tjrj.jus.br. Abgerufen am 12. März 2018 (brasilianisches Portugiesisch).
  14. IBGE (Hrsg.): Síntese de indicadores sociais. Uma análise das condições de vida da população brasileira 2010. Rio de Janeiro 2010, ISBN 978-85-240-4034-4, Tabela 8.1 – População total e respectiva distribuição percentual, por cor ou raça, segundo as Grandes Regiões, Unidades da Federação e Regiões Metropolitanas – 2009, S. 232 (brasilianisches Portugiesisch, archive.org [PDF; abgerufen am 18. März 2018]).
  15. Cidades@ Rio de Janeiro. IBGE (portugiesisch, englisch, spanisch); abgerufen am 25. September 2020.