Die Burschenschaft Normannia zu Jena ist eine farbentragende, pflichtschlagende Studentenverbindung in Jena. Die Burschenschaft wurde am 14. Dezember 1999 an der Universität Jena gegründet. Gründungsmitglieder waren elf Studenten, die zuvor aus der Burschenschaft Jenensia zu Jena ausgeschlossen worden waren.[1] Der Thüringer Verfassungsschutz sah die Burschenschaft in 2000 als „Sammelbecken für rechtsextreme Studenten und Neonazis“.[1]

Burschenschaft Normannia Jena
Basisdaten
Hochschulort: Jena
Hochschule/n: Friedrich-Schiller-Universität Jena
Stiftungsdatum: 14. Dezember 1990
Farbenstatus: farbentragend
Farben:
schwarz-weiß-rot (von unten)
Art des Bundes: Männerbund
Stellung zur Mensur: pflichtschlagend
Wahlspruch: In Treue fest!

Couleur und Wahlspruch

Bearbeiten

Das Burschenband trägt die Farben Schwarz-Weiß-Rot (von unten gelesen) mit goldener Perkussion. Schwarz und Rot werden dabei auf die Farben der Fahne der Urburschenschaft zurückgeführt. Weiß gilt laut Normannia als „Farbe der Unschuld, Reinheit, edlen Gesinnung und des germanistischen Prinzips (streng christlich-vaterländische Richtung innerhalb der frühen burschenschaftlichen Bewegung)“.

Der Wahlspruch lautet: In Treue fest!

Geschichte

Bearbeiten

Vorgeschichte

Bearbeiten

Die Burschenschaft Normannia zu Jena entstand als Abspaltung der am 2. Feb. 1990 gegründeten[2] Burschenschaft Jenensia zu Jena (DB). Diese hatte am Ende der 1990er Jahre mehrere Veranstaltungen mit rechtskonservativen bis rechtsextremen Referenten, darunter Alfred Mechtersheimer, Rolf Sauerzapf und Pater Lothar Groppe, organisiert. Am 1. Dezember 1999 referierte der Rechtsextremist Peter Dehoust über „Wiedergutmachung und kein Ende?“. Neben Vertretern anderer Burschenschaften nahmen auch bekannte Thüringer Neonazis wie Tino Brandt aus Rudolstadt – zu dem Zeitpunkt Mitarbeiter des rechtsextremen „Nation und Europa“-Verlags von Dehoust in Coburg sowie des Amtes für Verfassungsschutz Thüringen –, Jörg Krautheim aus Gera und André Kapke aus Jena sowie weitere Aktivisten des KameradschaftsnetzwerkesThüringer Heimatschutz“ (THS) teil, die den „Schutz der Veranstaltung“ übernommen hatten. Auch waren einige THSler, also das Umfeld des Nationalsozialistischen Untergrunds,[3] selbst Mitglied der Burschenschaft „Jenensia“. Der von heftigen Protesten von Antifaschisten, Gewerkschaften und Kirchengemeinden begleitete Auftritt von Dehoust führte zu einem Eklat in der Universitätsstadt. Seit 2011 besteht die Burschenschaft Jenensia zu Jena nur noch aus der Altherrenschaft und ist damit vertagt.[4]

1999-heute

Bearbeiten

Auf Druck der Alten Herren der Jenensia, unter denen mehrere Politiker der CDU und FDP waren, schieden elf aktive Burschen aus und gründeten am 14. Dezember 1999 die Burschenschaft Normannia zu Jena.[5] Zu den Alten Herren gehört seit der Gründung Peter Dehoust.[6] Als Festredner auf der Gründungsveranstaltung trat der rechtskonservative Politiker und ehemalige Berliner Innensenator Heinrich Lummer (CDU) auf. Die Normannia Jena war Mitglied in der Burschenschaftlichen Gemeinschaft.

Die Burschenschaft vertagte sich im Februar 2019.[7][8] Allerdings fanden bereits im Ende 2019 bis Ende 2020 wieder vermehrt Veranstaltungen statt. Und spätestens seit Anfang 2022 ist die Normannia wieder aktiv.[9]

Verbindungshaus

Bearbeiten

Von 2002 bis 2006 verfügte die Burschenschaft über ein eigenes Verbindungshaus, die sogenannte Wilhelmsburg. Das Haus wurde im Juni 2002 von dem Jenaer Parteimitglied der Republikaner Wilhelm Tell erworben und dem Verein „Jenaische Burse e. V.“ zur Verfügung gestellt. Zu den Mitgliedern des Vereins gehörten Peter Dehoust, der ehemalige REP-Bundesvorstand Klaus Weinschenk, der Hauseigentümer Wilhelm Tell und der Landesvorsitzende der Thüringer REP, Heinz-Joachim Schneider, sowie Dirk Metzig als mittlerweile führendes Mitglied der Normannia. Die Studentenwohnungen werden unter anderem in dem bundesweit erscheinenden rechtsextremistischen Blatt „Nation und Europa“ per Anzeige angeboten.[10] Im Frühjahr 2006 kündigte der Vermieter Tell der Burschenschaft aufgrund zahlreicher Attacken von mutmaßlichen Linksextremen. Die Burschenschaft nutzte seitdem regelmäßig das sogenannte Braune Haus in Alt-Lobeda für ihre Veranstaltungen.[11]

Kontroversen

Bearbeiten

Einschätzung des Verfassungsschutzes und der Polizei

Bearbeiten

Das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz bezeichnet die Burschenschaft Normannia zu Jena als „rechtsextremistisch ausgerichtet“ bzw. „Sammelbecken für rechtsextreme Studenten und Neonazis“. Allein die Zusammensetzung des Vereins „Jenaische Burse“ lässt nach Aussage des Amtes vermuten, dass hier ein Scharnier zwischen rechtskonservativen Studenten und der Thüringer Neonaziszene entstanden ist. Der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz wertete die Gründung der Burschenschaft als „ein Zeichen für eine Intellektualisierung der rechtsextremen Szene.“[12] Der ehemalige Chef des Thüringer Verfassungsschutzes Helmut Roewer führte 2000 die Normannia als Beispiel für akademische Ansätze im thüringischen Neofaschismus an.[13] Der Sprecher Dirk Metzig war der Thüringer Polizei 2001 wegen „enger Kontakte zu Führungspersonen der rechten Szene“ aufgefallen.[14] In dem Verbindungshaus lebten auch bekannte rechtsextreme Kader wie der ehemalige Geraer Liedermacher Martin Rocktäschel, der bereits in einem Bericht des Verfassungsschutzes namentlich Erwähnung fand.

Nach Auffassung der Landesregierung Thüringen vom 15. Juli 2009 liegen bei der Normannia „Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen vor“.[15] Aufgrund ihrer Verbindungen zur rechtsextremistischen Szene stand die Burschenschaft Normannia Jena auch 2016 noch unter Beobachtung durch den Verfassungsschutz.[16]

Am 8. Oktober 2020 soll ein Aktiver der Normannia einen Buspassagier zweimal derart geschlagen haben, sodass dieser kurzzeitig das Bewusstsein verlor.[17]

Laut den Kleinen Anfragen von 2023[18] und 2024[19] gilt die Normannia auch behördlich als rechtsextremistisch.

Aktivitäten

Bearbeiten
 
Vertreter der Burschenschaft in Couleur beim „Heldengedenken“ am 13. November 2004 in Halbe

Die Burschenschaft veranstaltet Vorträge und Feierlichkeiten, bei denen auch Vertreter des politisch rechten Spektrums wie Alfred Mechtersheimer als Redner auftreten. Des Weiteren beteiligen sich die Normannen (zumeist in Couleur) an politischen Demonstrationen und Kundgebungen wie beispielsweise dem sogenannten „Heldengedenken“ in räumlicher Nähe zum Soldatenfriedhof in Halbe. Werbung für die Burschenschaft wurde unter anderem in der regionalen, vom NPD-Kreisvorsitzenden Ralf Wohlleben inhaltlich und materiell unterstützten Neonazi-Schülerzeitung „Mitteldeutsches Sprachrohr“ geschaltet.

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. a b Akrützel Nr. 226, S. 3 (PDF; 6,5 MB)
  2. Burschenschaft Jenensia zu Jena. Abgerufen am 19. Juli 2023.
  3. Martin Debes: Wie aus einer Burschenschaft in Jena eine offenkundig rechtsextremistische Organisation wurde. In: Thüringer Allgemeine. 15. Oktober 2012, abgerufen am 20. März 2024.
  4. Burschenschaft Jenensia zu Jena. Abgerufen am 19. Juli 2023.
  5. Akrützel Nr. 226, S. 3 (PDF; 6,5 MB)
  6. Akrützel Nr. 226, S. 3 (PDF; 6,5 MB)
  7. Sebastian Haak: Rechte Burschenschaft in Jena steht vor der vorläufigen Auflösung. 20. Februar 2019, abgerufen am 24. August 2024.
  8. Sebastian Haak: Rechtsextreme Burschenschaft fliegt aus Jena raus. Abgerufen am 24. November 2024.
  9. Drucksache 7/8724: Kleine Anfrage der Abgeordneten König-Preuss (DIE LINKE) und Antwort des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales Anlage 1. Thüringer Landtag 7. Wahlperiode, 4. September 2023, abgerufen im Jahr 2024.
  10. Burschenschaft sucht Asyl. Republikaner Tell wirft „Normannia“ aus der Wilhelmsburg, Akrützel Nr. 226 vom 11. Mai 2006, S. 3. (PDF-Datei; 6,24 MB)
  11. Burschenschaften in Thüringen@1@2Vorlage:Toter Link/www.ljrt-online.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Juni 2023. Suche in Webarchiven) (PDF; 159 kB), Antwort des Thüringer Innenministeriums vom 1. Juli 2011 auf die kleine Anfrage 1402
  12. Monatliche Berichte des Thüringer Verfassungsschutzes 2000
  13. Sven-Uwe VÖLKER, Roewer rief Eisenacher auf: Halten Sie dagegen – Chef des Verfassungsschutzes berichtete über Rechtsextremismus (Thüringer Allgemeine vom 17. Mai 2000)
  14. Jörg Schindler, Stramme Burschen. Rechtsextremisten und Studenten-Verbindungen pflegen – mehr oder weniger offen – vielfältige Beziehungen (Frankfurter Rundschau v. 15. März 2005, S. 3, Ausgabe: S Stadt)
  15. Kleine Anfrage an den Thüringer Landtag, Wahlperiode 4, Nr. 2870
  16. Jenaer Burschenschaft weiter im Visier des Verfassungsschutzes. Thüringer Allgemeine, 2. März 2016 (abgerufen am 5. Februar 2017).
  17. Rechercheportal Jena-SHK: Jenaer Polizei fahndet nach Normannia-Burschenschafter | Rechercheportal Jena-SHK. 5. April 2021, abgerufen am 24. November 2024.
  18. Drucksache 7/8724: Kleine Anfrage der Abgeordneten König-Preuss (DIE LINKE) und Antwort des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales. Thüringer Landtag 7. Wahlperiode, 4. September 2023, abgerufen im Jahr 2024.
  19. Drucksache 7/10362: Kleine Anfrage der Abgeordneten König-Preuss (DIE LINKE) und Antwort des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales. Thüringer Landtag 7. Wahlperiode, 4. Juli 2024, abgerufen im Jahr 2024.