Christopher Street Day

Fest-, Gedenk- und Demonstrationstag von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern
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Der Christopher Street Day (CSD) ist ein Fest-, Gedenk- und Demonstrationstag von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern und allgemein von queeren Personen. An diesem Tag wird für die Rechte dieser Gruppen sowie gegen Diskriminierung und Ausgrenzung demonstriert. Die größten Umzüge anlässlich des CSD im deutschsprachigen Raum finden in Berlin und Köln statt.

Christopher Street in Greenwich Village, NYC

Die Bezeichnung Christopher Street Day ist nur in Deutschland, Teilen Österreichs und der Schweiz üblich. In englischsprachigen und romanischen Ländern wird meist von Gay Pride und Pride Parades gesprochen, während in slawischsprachigen Ländern diese Gedenktage meist Gleichheitsparaden genannt werden, wie beispielsweise die Parada Równości in Polen.

Geschichte des CSD

 
Erinnerung an die Ursprünge: New York, 2009

Der CSD erinnert an den ersten bekanntgewordenen Aufstand von Homosexuellen und anderen queeren Minderheiten gegen die Polizeiwillkür in der New Yorker Christopher Street im Stadtviertel Greenwich Village: In den frühen Morgenstunden des 28. Juni 1969 fand in der Bar Stonewall Inn der sogenannte Stonewall-Aufstand statt. Zu dieser Zeit gab es immer wieder gewalttätige Razzien der Polizei in Kneipen mit trans- und homosexuellem Zielpublikum. Besonders betroffen von Misshandlungen und Willkür waren Afroamerikaner und solche mit lateinamerikanischer Herkunft.

Als sich an diesem Abend insbesondere Dragqueens und transsexuelle Latinas und Schwarze gegen die wiederkehrenden Kontrollen wehrten, war dies der Ausschlag für tagelange Straßenschlachten mit der New Yorker Polizei. Um des ersten Jahrestages des Aufstands zu gedenken, wurde das Christopher Street Liberation Day Committee gegründet. Seitdem wird in New York am letzten Samstag des Juni, dem Christopher Street Liberation Day, mit einem Straßenumzug an dieses Ereignis erinnert. Daraus ist eine internationale Tradition geworden, im Sommer eine Demonstration für die Rechte von Schwulen und Lesben abzuhalten.

Über den ersten CSD in New York berichtet die FAZ in ihrer Ausgabe vom 7. November 1970 u. a.: „Die Parade von Tausenden Homosexuellen, die an diesem Sommernachmittag die Sixth Avenue von Greenwich Village in den Central Park hinauf marschierte, war als Geburtstagsfest geplant. […] Mit seidenen Bannern und trotzigen Plakaten zog kürzlich eine eigentümliche Parade durch New York. […] Die Stimmung war ausgelassen und trotzig zugleich.“[1] Auf die polizeilichen Übergriffe gegenüber Lesben und Schwulen im Jahr zuvor, die sich über mehrere Tage hinzogen, wird in dem Artikel kein Bezug genommen.

 
CSD-Flugblatt Zürich, 1978

Europa

 
CSD-Flyer aus Bremen, 1979
 
CSD-Aushang Köln, 1979

1977 soll in Stockholm der erste „Befreiungstag der Schwulen und Lesben“ mit etwa 400 Demonstrationsteilnehmern in Europa stattgefunden haben. Am 2. September 1978 sind die Stockholmer Schwulen und Lesben mit Unterstützung des Reichsbund für sexuelle Gleichberechtigung (RFSL) erneut auf die Straße gegangen, um den „gay and lesbian liberation day“ zu begehen.[2]

Die erste CSD Veranstaltung in der Schweiz fand am 24. Juni 1978 in Zürich unter dem Namen Christopher Street Day statt. Veranstalter war die Schweizerische Organisation der Homophilen (S.O.H.). Die rund einhundert Demonstrationsteilnehmer forderten „die Angleichung des Schutzalters für Mädchen und Burschen“ und die „Abschaffung der Homoregister“. Die Forderungen nach Abschaffung der Rosa Listen wurde mit einer Unterschriftensammlung in Zürich begleitet. Auch in Bern sollen Schwule und Lesben gegen „Schnüffelei und Demokratieabbau“ zur Unterstützung auf die Straße gegangen sein.[3] Bei der angekündigten Diskussion im Flugblatt mit Alexander Ziegler am 6. Juni handelt es sich um eine begleitende Kulturveranstaltung.

Die erste CSD-Veranstaltung in Österreich wurde am 26. Juni 1982 mit einer Fackelparade am Maria-Theresien-Platz durchgeführt. Der erste Demonstrationszug erfolgte mit Durchführung einer „Warmen Woche“ (17. Juni bis 29. Juni) als „Gay Pride Day“ durch die Wiener Innenstadt am 29. Juni 1984.[4] Seit 1996 wird der CSD als Regenbogenparade in Wien abgehalten.

Deutschland

Als erste CSD-artige Aktion in Deutschland gilt die Homosexuellen-Demonstration, die am 29. April 1972 in Münster – noch nicht unter dem Namen Christopher Street Day – stattfand.[5][6] Am 30. Juni 1979 fanden in Bremen (Schwule Aktion Bremen), Köln (Schwule Aktion Köln, Mitveranstalter Gay Liberation Front) und Berlin (Homosexuelle Aktion Westberlin) CSD-Veranstaltungen unter der Bezeichnung „Gay Pride International – Schwuler Karneval“ (Bremen) und „Gay Freedom Day“ (Köln) statt. Bei der Namensfindung bestand innerhalb der verschiedenen Schwulengruppen 1979 noch eine erhebliche Unsicherheit. Ein gleichnamiger Ableger der Roten Fahne kündigte auf Seite 1 in der Ausgabe vom 28. Juni 1979 den „Gay Freedom Day“ an. Im ganzseitigen Artikel schrieb die Zeitung auf Seite 13 in ihrer Überschrift vom „Gay Liberation Day“. Auch die Art der Veranstaltungen waren 1979 noch unterschiedlich. Während in Bremen ein fröhlicher Straßenumzug mit Demonstrationscharakter vom Hauptbahnhof zum Marktplatz durchgeführt wurde, fand in Köln auf dem besetzten Stollwerck-Gelände eine Abendveranstaltung mit Info-Café, Filmvorführungen und Tanzveranstaltungen statt. Ebenfalls am 30. Juni 1979 hat auch in Stuttgart eine Demonstration mit rund 400 Teilnehmern am Königsbau und am weiteren Schlossplatz stattgefunden.[7]

In Berlin wurde vom Mitveranstalter Bernd Gaiser[8] (HAW) in einem Interview[9] das CSD-Motto „Mach Dein Schwulsein öffentlich“ (1979) überliefert.[10] Die Berliner Lesbengruppe hatte die Losung „Lesben erhebt Euch – Und die Welt erlebt Euch“. Von den ca. 450 Demonstrationsteilnehmern[11] wurden in der damals geteilten Hauptstadt verschiedene Transparente vom Savignyplatz über den Kurfürstendamm zum Halensee durch die Straßen getragen. Wie auch schon bei früheren Demonstrationen stand die Forderung nach Abschaffung des § 175 und der Abbau von Diskriminierung im Vordergrund.

Im Juni 2010 distanzierte sich die US-amerikanische Philosophin Judith Butler von den Organisatoren der CSD-Parade in Berlin, indem sie öffentlich die Annahme des Zivilcouragepreises verweigerte. In ihrer Rede beklagte Butler die Kommerzialisierung[12] der CSD-Parade, aber auch die Ignoranz gegenüber Rassismus und doppelter Diskriminierung von homosexuellen und transsexuellen Migranten.

Im August 2022 soll ein 20-jähriger Mann Teilnehmerinnen des CSD in Münster als „lesbische Huren“ beschimpft und sich drohend genähert haben. Ein 25-jähriger transgeschlechtlicher Mann versuchte, den Streit zu schlichten, indem er den Mann bat, die Beleidigungen zu unterlassen. Dieser soll den 25-Jährigen gegen den Kopf geschlagen haben, der damit auf dem Asphalt aufschlug und später im Krankenhaus starb.[13]

 
CSD Berlin (2023)

CSD heute

In beinahe jeder größeren Stadt in Deutschland gibt es heute einen CSD, die größten in Köln (Cologne Pride) und Berlin, wo zwischen 1998 und 2013 auch der „Transgeniale CSD“ stattfand. In Köln hatte der CSD 2002 als Europride mit 1,2 Millionen Beteiligten (Teilnehmende und Zuschauer) zum ersten Mal mehr Besucher in die Stadt gelockt als der Rosenmontagszug und war damit der bisher größte CSD in Europa. Diese Veranstaltung trägt aus wirtschaftlicher Perspektive zu den Aktivitäten des LGBT-Tourismus bei und schafft Einnahmequellen für die Gastgeberstadt.[14]

Die CSD-Demonstrationen in Deutschland finden nicht genau am historischen Datum, dem 28. Juni statt, sondern örtlich variierend an diversen Wochenenden zwischen April und Oktober.[15] Geplant, als Demonstration angemeldet und durchgeführt werden die CSD von unterschiedlich strukturierten Organisationen oder Einzelpersonen vor Ort, häufig ehrenamtlich und in Vereinen organisiert. Als politische Demonstration, oft mit einem politikbezogenen Motto, zeigen sich die CSD meist in Form von Demonstrationsparaden und einer anschließenden Kundgebung.

Oft wird die Kundgebung von Künstlern mit Auftritten auf der Bühne unterstützt und gefeiert. Dieses Feiern des eigenen Lebensstils begründet sich aus dem Ursprung des CSD: Die Beteiligten zeigen oft demonstrativ, dass sie stolz auf sich, ihr Leben und ihre sexuelle Identität sind, daher die Bezeichnung Gay Pride. Neben der CSD-Parade und den Abschlusskundgebungen gibt es in vielen Städten häufig ein- bis mehrtägige Straßenfeste und Kulturwochen mit Künstlern, politischen Veranstaltungen, Vorträgen, Lesungen und Partys.

Die Dorfpride ist ein Christopher Street Day, der jährlich im Rhein-Neckar-Kreis stattfindet. Dorfpride wurde 2020 zum ersten Mal in Mühlhausen im Kraichgau veranstaltet.[16]

Prominente politische Teilnehmer

 
Klaus Wowereit beim CSD in Berlin, 2012
 
CSD in Köln, 2015
 
Straßenschild in der Christopher Street 2019

An den CSD nehmen zum Teil prominente Personen teil, unter anderem:

In einigen Städten übernehmen Politiker zudem die Schirmherrschaft, wie in Hamburg die damaligen Ersten Bürgermeister Ortwin Runde und Ole von Beust, in Dresden Oberbürgermeisterin Helma Orosz, beim Nürnberger CSD Marcus König, in Würzburg Claudia Roth oder in Braunschweig der frühere Bundesminister Jürgen Trittin. In München steht der im Vergleich zu anderen deutschen Millionenstädten kleinere Demonstrationszug mittlerweile traditionell unter der Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters.

Siehe auch

Literatur

  • Über die 'Stonewall-Kämpfe' in den USA. In: Zur materialistischen Analyse der Schwulenunterdrückung. Mit einer Dokumentation der Standpunkte von Kommunistischer Bund Westdeutschland (KBW), Kommunistische Partei Deutschland/Marxisten-Leninisten (KPD/ML), Kommunistischer Bund (KB), auch: Los Angeles Research Group (1975) (= Schwule Texte. II). Verlag Rosa Winkel (Peter Hedenström), Berlin 1977, ISBN 3-92145-03-2, S. 50–51.
  • AG Schwule im KB [Kommunistischer Bund] (Hrsg.): 10 Jahre Stonewall – 10 Jahre Schwulen- & Lesben-Bewegung. J. Reents, Hamburg 1979.
  • Martin Duberman: Stonewall. Plume, New York 1994, ISBN 978-0-452-27206-4.
  • Martin J. Gössel: Als die erste Münze flog und die Revolution begann. Die Homosexuellenbewegung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den USA. Eine historische Betrachtung und Analyse. Mit einem Vorwort von Karin M. Schmidlechner (Institut Zeitgeschichte Universität Graz) (= Edition Regenbogen Studienreihe Homosexualität. Bd. 3). Rosalia PantherInnen Schwul-lesbische Arbeitsgemeinschaft Steiermark, Graz 2009, ISBN 978-3-902080-02-8.
  • Ibo Minssen: Eher Queer. Portraits vom Kölner Christopher Street Day 1998 bis 2009 photographiert von Ibo Minssen. Mit einem Vorwort von Rüdiger Müller und Mario Kramp. Verlag Ralf Liebe, Weilerswist 2010, ISBN 978-3-941037-54-0.
  • Chris Lambertsen: Schwul-Lesbische Sichtbarkeit. 30 Jahre CSD in Hamburg. Mit freundlicher Unterstützung der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg. Männerschwarm, Hamburg 2011, ISBN 978-3-939542-80-3.
  • Marty Huber: Queering Gay Pride: Zwischen Assimilation und Widerstand. Zaglossus, Wien 2013, ISBN 978-3-902902-06-1.
Commons: CSD/Gay Pride weltweit – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Wikinews: Christopher Street Day – in den Nachrichten

Einzelnachweise

  1. FAZ: 'Aufstand der Homosexuellen' - Vollständiger Abdruck auch in 'Over the Rainbow. Ein Lesebuch zum Christopher Street Day'. MännerschwarmSkript, Hamburg, 2001, Seite 9. Hrsg.: Detlef Grumbach.
  2. AG [Arbeitsgemeinschaft] Schwule im KB (Hrsg.): 10 JahreStonwall - 10 Jahre Schwulen- & Lesben-Bewegung. 1. Auflage. Hamburg 1979, S. 62–63.
  3. Erstmals veröffentlicht von der 'Schweizer kommunistischen Organisation POCH' (Hrsg.): Schwule fordern mehr Rechte. Erneut abgedruckt in 10 [zehn] Jahre Schwulen- & Lesbenwegung. AG [Arbeitsgemschaft] Schwule im KB [Kommunistischer Bund] c/o J.Reents Verlag, Hamburg 50. S. 62.
  4. Dieter Schmutzer: Homosexualität in Österreich aus Anlass des 10-jährigen Bestehens der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien. In: Michael Handl, Gudrun Hauer, Kurt Krickler, Friedrich Nussbaumer, (Hrsg.): Edition M. 1. Auflage. Junius Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH, Wien 1989, ISBN 3-900370-84-2, S. 213, 215.
  5. Vor 50 Jahren: Erste queere Demo Deutschlands in Münster. In: KCM e. V. – Queeres Zentrum Münster. 2. März 2022, abgerufen am 24. August 2024.
  6. Münster 1972! Eine Dokumentation anlässlich des 50. Jahrestages der ersten Homosexuellen-Demonstration in Deutschland. Abgerufen am 24. August 2024.
  7. Uwe Bogen: Stuttgart-Album zum CSD-Jubiläum: Als der Regenbogen zu leuchten begann. In: StN.de. 4. Juli 2019, abgerufen am 12. August 2019. („… hätte sich am 30. Juni 1979 wohl keiner der 400 Demonstranten vorstellen können. Dieses Datum markiert in Stuttgart den Beginn der CSD-Geschichte. […] 40 Jahre ist es her, dass am Königsbau der ‚Homobefreiungstag‘ ausgerufen wurde …“ – Mit Fotostrecke, die ersten drei davon historische Aufnahmen von der Stuttgarter Demonstration.)
  8. Mike Schultz: Bernd Gaiser (72). Der Schwule Veteran vom Christopher Street Day. In: Berliner Zeitung (Online-Ausgabe). 21. Juli 2017, abgerufen am 12. Mai 2018.
  9. Frauke Hinrichsen: So war der erste CSD 1979 in Berlin (Video). In: Berliner Zeitung (Online Ausgabe). 22. Juli 2017, abgerufen am 12. Mai 2018.
  10. Mike Schultz: CSD in Berlin: „Der Kampf gegen Homophobie wird niemals enden“. In: Berliner Zeitung (Online Ausgabe). 21. Juli 2017, abgerufen am 12. Mai 2018.
  11. Berliner CSD e. V.: Die Entwicklung des CSD Berlin. 1. Januar 2015, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 9. September 2018; abgerufen am 10. Mai 2018.
  12. Simone Klein: Christopher Street Day. Von der Demo zur Party. In: Goethe Institut e. V., Internet-Redaktion. Juli 2016, abgerufen am 12. Juli 2018.
  13. Münster: Trans Mann nach Prügelattacke auf CSD gestorben. In: www.t-online.de. 2. September 2022 (t-online.de [abgerufen am 4. September 2022]).
  14. Brenda Strohmaier: Von der Randgruppe zur Zielgruppe, Berliner Zeitung, 27. Juni 2003. Abgerufen am 7. November 2024 
  15. Auf einen Blick. In: CSD Deutschland. Abgerufen am 13. September 2022 (deutsch).
  16. Mühlhausen: Hier gibt es den ersten "Dorf-Pride" im Südwesten. In: Rhein-Neckar-Zeitung. 26. Juli 2020, abgerufen am 3. Juni 2022.