Cassius-Stift

Ehemaliges Kloster in Bonn, Deutschland
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Das Cassius-Stift wurde spätestens am Ende des 7. Jahrhunderts in Bonn gegründet; 1802 wurde es aufgelöst. Wichtigstes Gebäude des Stiftes war die Stiftskirche „St. Cassius und Florentius“, das heutige Bonner Münster.

Wappen des Cassius-Stiftes
Münster
Kreuzgang
Kapitelsaal

Das Stift trug den Namen des in Bonn als Märtyrer verehrten Cassius, dessen Grab sich zusammen mit dem Grab des ebenfalls als Märtyrer verehrten Florentius und weiteren Märtyrergräbern einer Legende nach unter der Stiftskirche befand.

Geschichte

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Die Sarkophage, in denen sich die sterblichen Überreste der Märtyrer befunden haben sollen, liegen in unmittelbarer Nähe des Ortes, an dem in römischer Zeit eine Totengedenkstätte, eine cella memoriae errichtet worden war. Der Bereich der Märtyrergräber und der ehemaligen cella wurde Mitte des 6. Jahrhunderts von einem Saalbau überbaut. Bei diesem Bau handelte sich um einen Steinbau, der auf mächtigen Fundamenten aus zweitverwendeten Matronenaltären und anderen antiken Spolien stand. In dem Gebäude und im Außenbereich wurden eine Reihe von Gräbern angelegt und Tote bis Ende des 8. Jahrhunderts bestattet.

Offensichtlich galt das Gebäude seit spätestens Ende des 7. Jahrhunderts als Grabkirche der beiden christlichen Märtyrer und war Ziel christlicher Pilger. Die älteste überlieferte Schriftquelle, in der es um die Schenkung eines Weingutes an die Kirche der Heiligen Cassius und Florentius geht („Basilica sancta Cassii et Florentii“), nennt für 691 (oder 692) Giso als den Abt („Abbas“) der „Basilica“.[1] Bei Giso handelt es sich möglicherweise um einen Kleriker, der wenig später Bischof von Köln wurde. Die Zahl der Kleriker, die im Bereich der Kirche lebten, wuchs wohl in den nächsten Jahrzehnten, so dass bauliche Erweiterungen nötig wurden. Das Aussehen des Saalbaus wurde bis ins 8. Jahrhundert durch An- und Umbauten immer wieder verändert, zwei Grabkapellen und mehrere Wohn- und Wirtschaftsräume an den ursprünglichen Bau angefügt.[2]

Seit dem 8. Jahrhundert sind auch zunehmend Stiftungen für die Einrichtung belegt, so dass von einer Gründung des Cassius-Stiftes spätestens am Ende des 8. Jahrhunderts auszugehen ist. Die „Basilica“ wurde zur Stiftskirche „St. Cassius und Florentius“ und erfüllte diese Funktion in den folgenden zwei Jahrhunderten, in denen keine weiteren baulichen Veränderungen mehr nachweisbar sind. Im 11. Jahrhundert wurde die Kirche abgerissen; an ihrer Stelle entstand das Bonner Münster.

Die Stiftskirche war keine Pfarrkirche. Die älteste Bonner Pfarrkirche, die Dietkirche, befand sich im Bereich des ehemaligen Römerlagers. Und auch im Mittelalter war es die dem Münster direkt benachbarte Kirche St. Martin, die für die umliegenden Gemeinden die Funktion einer Pfarrkirche innehatte.

Organisation des Stiftes

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In der Entstehungszeit des Stiftes war es der Kölner Erzbischof, der als Abt dem Stift vorstand. Möglicherweise war es der erste Kölner Erzbischof und Vertraute Karls des Großen, Hildebold, der das Stift gründete und die Stelle des Abtes ausübte.[3] Da die Erzbischöfe die Geschäfte als Stiftsvorsteher nicht persönlich wahrnehmen konnten, bestellten sie hierfür Vertreter. So wird für das Jahr 801 ein „Custos“ genannt, vom Jahr 848 sind es dann in Bonn die Pröpste, die diese Rolle spielen.

Im Mittelalter war es nicht notwendig, dass der Propst selbst Geistlicher sein musste; im Gegenteil wurde dieses Amt häufig von Adeligen übernommen, da es mit großen Pfründen verbunden war. Ein weiterer Vorteil war, dass der Propst in der Regel von der Residenzpflicht befreit war.

Wurde der Propst noch bis ins 11. Jahrhundert vom Erzbischof eingesetzt, so emanzipierte sich das Kapitel zunehmend und wählte später seinen Leiter selbst durch freie Wahl. Dies führte jedoch mehr und mehr zu Spannungen, da auch die Kurie versuchte, starken Einfluss zu nehmen und durch den direkten Eingriff der Päpste wurden die Posten häufig durch Kuriale, vielfach Kardinäle, besetzt. Der Kampf um den Einfluss verschiedener Interessengruppen führte zu schnellem Wechsel der Propststellen oder sogar zu Doppelbesetzungen.

Die wahrscheinlich wichtigste Propstei des Kölner Erzbistums bildete das Cassiusstift. Der Propst war viele Jahrhunderte der zweitmächtigste Mann nach dem Erzbischof und seine Einkünfte überstiegen die des Kölner Dompropstes um das Doppelte und die seines Mainzer Kollegen um das Vierfache. Nicht zuletzt deshalb gab es unter den Stiften einen fortdauernden Kampf um die Vorherrschaft.

Vorsteher und Pröpste des Cassius-Stiftes (Auswahl)

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Wappen des Cassius-Stifts (groß) und die Wappen der Pröpste des Cassius-Stifts
691 (692) Giso („Abt“)
787 Hildebold
um 842–849/853 Thegan
1124–1169 Gerhard von Are
1169–1192 Lothar von Hochstaden
1192 Bruno von Sayn
1211–1225 Heinrich von Müllenark
1313–1328 Heinrich von Virneburg
1371–1378 Robert von Genf
1397–1414 Dietrich von Moers
1534–1537 Friedrich von Wied
1546–1559 Johannes Gropper
1559–1594 Kaspar Gropper
1594–1596 Peter Gropper
1629–1661 Franz Wilhelm von Wartenberg

Gebäude des Stiftes

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Kapelle St. Helena in einem Kanonikerhaus aus dem 12. Jahrhundert – Am Hof 36

Wichtigstes Gebäude des Bonner Stiftes war die Stiftskirche, das heutige Münster. Geistliches Zentrum stellte der Chorraum vor dem Hochaltar dar. Im Chorgestühl versammelten sich die Stiftsherren und Vikare zu den Gebetszeiten und zum täglichen Gottesdienst.

Weitere Stiftsgebäude waren der Kapitelsaal, der Kreuzgang und die innerhalb des Stadtbezirkes gelegenen Stiftsherrenwohnungen. Zu einer dieser Wohnungen gehörte die bis heute erhaltene, im 12. Jahrhundert erbaute Helenenkapelle. Ihr Standort befindet sich in Bonn, Am Hof 36.

Quellenlage

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Das Bonner Stift besaß bis ins 16. Jahrhundert ein Kopialbuch, eine Abschriftensammlung von Urkunden des 7. bis 10. Jahrhunderts. „Mit dem Anfangsjahr 643 gehörte es zu den am weitesten zurückreichenden bekannten Abschriftensammlungen des Deutschen Reiches, dem an Alter wohl nur die des Klosters Stavelot-Malmedy gleichkommen“[4], schrieb der Bonner Historiker Wilhelm Levison 1932. Wie andere Schätze und Einrichtungen des Cassius-Stiftes, so wurde das Archiv und mit ihm die Abschriftensammlung Opfer des Truchsessischen Krieges am Ende des 16. Jahrhunderts. Als 1610 der Bonner Stiftsherr Quirinius Palanth die erhalten gebliebenen Reste des Archivs neu ordnete und inventarisierte, konnte er keine Urkunde anführen, die vor dem Jahr 1110 lag. Aus diesem Jahr lag eine Schenkungsurkunde des Kölner Erzbischofs Friedrich I. vor.

Wenn wir uns heute trotzdem ein Bild des Kopialbuches machen können und über eine begrenzte Zahl von Abschriften von Urkunden des Stiftes verfügen, so ist das dem kaiserlichen Münzmeister und Notar Johann Helman zu verdanken, der 1579 im Alter von beinahe 50 Jahren in Köln starb. Helman hinterließ in seinem Nachlass u. a. Abschriften und Auszüge des Bonner Bandes. Wilhelm Levison war es, der 1932 den Nachlass bearbeitete und der Öffentlichkeit zugänglich machte.

Literatur

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  • Wilhelm Levison: Die Bonner Urkunden des frühen Mittelalters. In: Bonner Jahrbücher des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande und des Rheinischen Provinzialmuseums in Bonn, Heft 136/137, Bonn und Darmstadt 1932.
  • Dietrich Höroldt: Das Stift St. Cassius zu Bonn. Von den Anfängen der Kirche bis zum Jahre 1580 (= Bonner Geschichtsblätter. Bd. 11). Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn, bonn 1957.
  • Manfred Koch: Das Münster, ehemals Stiftskirche St. Cassius und Florentius. Schnell und Steiner Verlag, Regensburg 1990.
  • Jürgen Kaiser: Das Bonner Münster – Geschichte – Architektur – Kunst – Kult, Regensburg 2002.
  • Zu den Pröpsten siehe: Josef Niesen: Bonner Personenlexikon. 3., verbesserte und erweiterte Auflage. Bouvier, Bonn 2011, ISBN 978-3-416-03352-7.
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Einzelnachweise

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  1. Wilhelm Levison: Die Bonner Urkunden des frühen Mittelalters, S. 236.
  2. Christoph Keller: Legende auf dem Prüfstand. In: Archäologie in Deutschland, 5/2006, S. 35.
  3. Dietrich Höroldt: Das Stift St. Cassius zu Bonn: Von den Anfängen der Kirche bis zum Jahre 1580, S. 45.
  4. Wilhelm Levison: Die Bonner Urkunden des frühen Mittelalters, S. 218.