Jang Song-thaek

nordkoreanischer Politiker
(Weitergeleitet von Chang Sung-taek)

Jang Song-thaek[1] auch Chang Song-Thaek (* 2. Februar 1946 in Kangwŏn-do; † 12. Dezember 2013)[2] war ein nordkoreanischer Politiker. Er war bis Dezember 2013 Mitglied des Politbüros der Partei der Arbeit Koreas und stellvertretender Vorsitzender der Nationalen Verteidigungskommission. Er wurde zweimal entmachtet, zum ersten Mal im Jahr 2004 und zum zweiten Mal im Dezember 2013.

Koreanische Schreibweise
Chosŏn’gŭl 장성택
Hancha 張成澤
Revidierte
Romanisierung
Jang Seong-taek
McCune-
Reischauer
Chang Sŏngt'aek

Aufstieg und erste Entmachtung

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Nach dem Besuch der Kim-Il-sung-Oberschule studierte Jang Song-thaek von 1969 bis 1972 an der Lomonossow-Universität Moskau. Nach Nordkorea zurückgekehrt, heiratete er 1972 Kim Kyŏng-hŭi, die jüngere Schwester von Kim Jong-il, und wurde einer der führenden Funktionäre der Partei der Arbeit Koreas. Jang Song-thaek soll während der Hungersnot von 1998, als er als Leiter der staatlichen Bemühungen um „Ersatznahrung“ verzweifelte Maßnahmen zur Überwindung der Nahrungsmittelknappheit in die Wege leitete, eine Rolle gespielt haben.[3] Dabei wurden minderwertige Ersatzmaterialien wie Blätter, Äste und Baumrinde zu nachgeahmten Speisen verarbeitet.[4] Von Beobachtern als möglicher Nachfolger Kims betrachtet, wurde er von diesem 2004 aus seiner Position in der Partei entfernt und nach Angaben südkoreanischer Geheimdienstmitarbeiter vorübergehend unter Hausarrest gestellt. Vermutlich wollte Kim damit den Weg für seine eigenen Söhne frei machen.[5]

Rückkehr

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Später kehrte Jang Song-thaek wieder an die Macht zurück. Im März 2006 begleitete er Kim Jong-il während einer offiziellen Reise in die Volksrepublik China, und im Oktober 2007 berichtete die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap unter Berufung auf die staatliche nordkoreanische Nachrichtenagentur, er sei als stellvertretender Vorsitzender erneut in das Führungsgremium der Partei der Arbeit aufgenommen worden. Sein Zuständigkeitsbereich war die Innere Sicherheit des Landes.[6]

Anfang November 2008 berichteten Medien in Südkorea unter Berufung auf Nordkorea-Spezialisten am „Institut für Nationale Vereinigung“, Jang habe de facto anstelle des erkrankten Kim Jong-il die Führung Nordkoreas übernommen.[7][8] Vermutungen über einen Machtwechsel an der Spitze Nordkoreas erwiesen sich angesichts öffentlicher Auftritte des weitgehend genesenen Kim Jong-il als falsch.

Im Zuge einer umfassenden Regierungsumbildung wurde Jang Song-Thaek im Juni 2010 auf der dritten Sitzung der 12. Obersten Volksversammlung zum stellvertretenden Vorsitzenden der Nationalen Verteidigungskommission gewählt.[9]

Zweite Entmachtung und Hinrichtung

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Anfang Dezember 2013 wurde Jang Song-thaek von seinem Neffen Kim Jong-un, der nach Kim Jong-Ils Tod 2011 der neue Machthaber geworden war, abgesetzt. Mehrere seiner engsten Vertrauten, namentlich Ri Yong-ha und Jang Soo-kil, sollen öffentlich hingerichtet worden sein.[10] Am 9. Dezember 2013 bestätigte die staatliche Nachrichtenagentur KCNA die Entmachtung Jang Song-thaeks.[11] Ihm wurden zahlreiche außereheliche Beziehungen,[12] staatsfeindliche Akte, Korruption und Drogenmissbrauch zur Last gelegt, aber auch Vergehen wie das Aufstellen eines Monuments zu Ehren von Kim Jong Un „in einer schattigen Ecke“ oder das nur „halbherzige Applaudieren“ bei einer Beförderung Kims.[13] Jang Song-thaek sei aus allen Ämtern entfernt und aus der koreanischen Arbeiterpartei ausgeschlossen worden. Im staatlichen Fernsehen KCTV wurde gezeigt, wie er während einer Sitzung des Politbüros festgenommen wurde.[14]

Nach Angaben der nordkoreanischen Medien wurde Jang am 12. Dezember 2013 nach einer Sitzung des Militärischen Sondertribunals hingerichtet. Medienberichte, die eine besonders barbarische Art der Hinrichtung beschrieben, erwiesen sich als Spekulationen oder Journalistenfantasien ohne Grundlage.[15] Der Sinologe Klaus Mühlhahn charakterisiert Jang Song-thaek als dem chinesischen Militär nahestehend und bringt das Vorgehen gegen ihn in Verbindung zu fortgesetzten Bemühungen des nordkoreanischen Regimes, sich von der Volksrepublik China abzugrenzen.[16]

Die nordkoreanische Führung ließ Hinweise auf das Leben der Jangs aus ihren Medienarchiven löschen.[17] Aus den Bildern, die ihn mit anderen nordkoreanischen Offiziellen zeigten, wurde er herausretuschiert.[18]

Nach der Hinrichtung Jang Song-thaeks verschwand auch dessen Frau Kim Kyŏng-hŭi jahrelang aus der Öffentlichkeit. Überraschenderweise nahm Kim Kyŏng-hŭi sechs Jahre später im Januar 2020 gemeinsam mit Ri Sol-ju wieder an der Neujahrsfeier teil. Viele hatten sie im Ausland vermutet oder gemutmaßt, dass sie verstorben oder ebenfalls hingerichtet worden sei.[19]

Seine einzige Tochter mit Kim Kyŏng-hŭi, Jang Kum-song (1977–2006), studierte in Paris, wo sie sich das Leben nahm.[20]

Einzelnachweise

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  1. Petra Kolonko: Nordkorea: Der Mann, der nie existierte. In: faz.net. 9. Dezember 2013, abgerufen am 27. Juni 2024.
  2. Martyn Williams: Full text of KCNA announcement on execution of Jang. In: northkoreatech.org. 13. Dezember 2013, abgerufen am 27. Juni 2024 (englisch).
  3. Bradley K. Martin: Under the Loving Care of the Fatherly Leader: North Korea and the Kim Dynasty. Thomas Dunne Books, New York, 2006, ISBN 0-312-32322-0, S. 566 ff.
  4. Felix Lee: Nordkoreas Militärchef entlassen: Jetzt tanzt sogar Micky Maus. In: taz.de. 17. Juli 2012, abgerufen am 27. Juni 2024.
  5. Barbara Demick: Kim Jong Il purges relative from power, paving way for son. In: The Seattle Times. 9. Dezember 2004, archiviert vom Original am 6. Oktober 2012; abgerufen am 27. Juni 2024 (englisch).
  6. North Korea this week, No. 478. In: yonhapnews.co.kr. 13. Dezember 2007, archiviert vom Original am 15. Juli 2012; abgerufen am 27. Juni 2024 (englisch).
  7. Kim Sue-young: Kim Jong-il’s Brother-in-law Plays Bigger Role in N. Korea: Report. In: The Korea Times. 9. November 2008, abgerufen am 27. Juni 2024 (englisch).
  8. Der neue Kim heißt Chang. In: derStandard.at. 11. November 2008, abgerufen am 27. Juni 2024.
  9. Jang Song Thaek Elected NDC Vice-Chairman. In: kcna.co.jp. 7. Juni 2010, archiviert vom Original am 9. Februar 2014; abgerufen am 27. Juni 2024 (englisch).
  10. Fabian Reinbold: Nordkorea: Kim entmachtet seinen Onkel Jang. In: spiegel.de. 3. Dezember 2013, abgerufen am 27. Juni 2024.
  11. Christoph Sydow, Florian Diekmann: Entmachteter Spitzenkader Chang: Nordkorea demütigt Kims Onkel. In: spiegel.de. 9. Dezember 2013, abgerufen am 27. Juni 2024.
  12. Machtkampf in Pjöngjang: Nordkorea bestätigt Hinrichtung von Kims Onkel. In: Handelsblatt. 13. Dezember 2013, archiviert vom Original am 9. April 2016; abgerufen am 27. Juni 2024.
  13. Alastair Gale: What North Korea Said About Jang Song Thaekg. In: wsj.com. 12. Dezember 2013, abgerufen am 11. Oktober 2024 (englisch).
  14. Öffentliche Erniedrigung: Fernsehen in Nordkorea zeigt Festnahme von Kims Onkel. In: sueddeutsche.de. 9. Dezember 2013, abgerufen am 27. Juni 2024: „Er galt als der starke Mann im Hintergrund, doch jetzt entmachtet die Führung in Nordkorea Jang Song Thaek nicht nur, sondern führt ihn regelrecht vor. Das Staatsfernsehen zeigt, wie der Onkel von Machthaber Kim bei einer Sitzung des Politbüros festgenommen wird.“
  15. Jonathan Kaiman: Story about Kim Jong-un's uncle being fed to dogs originated with satirist. In: theguardian.com. 6. Januar 2014, abgerufen am 27. Januar 2020 (englisch).
  16. Klaus Mühlhahn: Regionaler Hegemon? Kleine Geschichte der auswärtigen Beziehungen Chinas in Asien. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, 26–27/2023, S. 09.
  17. Tania Branigan: North Korea erases online archives. In: theguardian.com. 17. Dezember 2013, abgerufen am 27. Juni 2024 (englisch).
  18. Fabian Reinbold: Der retuschierte Onkel. In: spiegel.de. 9. Dezember 2013, abgerufen am 27. Januar 2020.
  19. North Korean leader Kim Jong-un’s aunt reappears after six years. In: BBC News. 26. Januar 2020, abgerufen am 26. Januar 2020 (englisch).
  20. Andreas Lorenz: Kim und seine Verwandten: Die gefährlichste Familie der Welt. In: spiegel.de. 12. April 2013, abgerufen am 7. Juni 2024.