LZ 104

Luftschiff im Ersten Weltkrieg
(Weitergeleitet von China-Sache)

LZ 104 war ein Zeppelin-Militärluftschiff des Typs W im Ersten Weltkrieg. Seine taktische Nummer war L 59. Die erste Fahrt fand am 30. Oktober 1917 statt. Zusammen mit L 57 gehörte L 59 sowie den letzten gebauten Militärluftschiffen LZ 112 und LZ 113 zu den vier größten Luftschiffen des Ersten Weltkriegs. LZ 104 gilt als das effizienteste jemals gebaute Transportluftschiff auf weiten Strecken.

LZ 104 beim Aushallen auf dem Flugplatz Staaken, Oktober 1917

Laufbahn

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Luftschiffhafen Jambol, Startplatz für die Afrikafahrt von LZ 104

LZ 104 wurde speziell für die Versorgung der Schutztruppe in Deutsch-Ostafrika im Ersten Weltkrieg gebaut. Um das wahre Ziel der Mission zu verschleiern, erhielt sie den Decknamen China-Sache.[1] Da das Luftschiff nach dem Versorgungsflug nach Afrika nicht zurückkehren sollte, wären viele Teile des Luftschiffes für den Feldeinsatz der Truppen wiederverwendet worden. Seine Außenhülle wäre beispielsweise zu Zelten und teilweise zu Mullbinden verarbeitet worden. Das Aluminiumgerüst wäre etwa für Tragen, Barackengerüste oder Sendemasten verwendet worden.

Afrikafahrt

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Modell von LZ 104/L 59 im Zeppelin-Museum Zeppelinheim

Die Versorgung der deutschen Schutztruppe in Ostafrika mittels Hilfsschiffen wurde aufgrund der britischen Nordseeblockade immer schwieriger. Zudem suchten die Befürworter der militärischen Luftschifffahrt dringend Prestigeerfolg. Der Militärarzt Maximilian Zupitza machte daher dem Reichskolonialamt die Anregung, einen Zeppelin als Blockadebrecher einzusetzen.[2][3] Ursprünglich sollte LZ 102 (taktische Nr. L 57) eine Transportfahrt nach Deutsch-Ostafrika unternehmen. LZ 102 wurde jedoch am 7. Oktober 1917 durch Sturmböen beim Luftschiffhafen in Jüterbog schwer beschädigt, ehe es seine Fahrt antreten konnte. Daraufhin wurde das noch im Bau befindliche LZ 104 für das Unternehmen vorbereitet. LZ 104 musste hierzu 30 Meter länger gebaut werden als ursprünglich geplant. (Mit dieser Verlängerung auf 226,5 m wurde der Gasraum von 55.000 auf 68.500 m³ vergrößert und damit die Nutzlast von 40.000 auf 52.100 kg erhöht.) Am 25. Oktober 1917 wurde LZ 104 in Dienst gestellt. Am 3. November startete das Schiff von Berlin-Staaken zur Afrika-Mission. Das Kommando führte Kapitänleutnant Ludwig Bockholt, der schon die Fahrt von LZ 102 durchführen sollte.

Um die Entfernung der Nonstopfahrt zu reduzieren, wurde als Startplatz der Luftschiffhafen bei Jambol (Jamboli) im Südosten Bulgariens gewählt, das auf Seiten der Mittelmächte stand. LZ 104 traf am 4. November in Jamboli ein. Am 13. November verhinderten ungünstige Wetterbedingungen den Start Richtung Afrika. Am 16. November scheiterte auch der zweite Versuch, als LZ 104 bei Akhisar über Kleinasien unter Eigenbeschuss durch osmanische Einheiten geriet, die ebenfalls auf Seiten der Mittelmächte standen. Kapitän Bockholt musste wegen Gasverlust und abermals schlechtem Wetter umkehren.

Fracht für Deutsch-Ostafrika

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Am 21. November 1917 um 5 Uhr morgens startete das Luftschiff wiederum von Jamboli mit einer Gesamtladung von rund 50 Tonnen an Bord.

Die Ladung bestand aus folgenden Posten:[4]

Posten Anzahl Masse
Patronen (einzeln) 311.900 Stück 7.866 kg
Maschinengewehrgurte mit 57.500 gegurteten Patronen 230 Stück 1.748 kg
Maschinengewehrpatronenkästen mit 13.500 Patronen 54 Stück 441 kg
Maschinengewehre 30 Stück 510 kg
Infanteriegewehre mit 5.000 Patronen 4 Stück 240 kg
Reserveläufe für Maschinengewehre 9 Stück 171 kg
Verbandsstoffe und Medikamente 61 Sack 2.622 kg
Nähzeug 3 Sack 120 kg
Post 25 kg
Fernrohre 28 kg
Ersatzschlösser 50 kg
Buschmesser und Gurtfüller 76 kg
Ersatzgerät für Funktelegrafie 33 kg
Benzin 21.790 kg
Öl 1.525 kg
Wasser 9.160 kg
Trinkwasser 426 kg
Kleidersäcke 380 kg
Sonstige Ersatzteile 350 kg
Nahrung (Konserven etc.) 700 kg
Besatzung (22 Personen) 1.760 kg
Gesamt 50.021 kg

Fahrtroute

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Ungefähre Route der Afrikafahrt von LZ 104 im November 1917 (Rückfahrt gestrichelt)[5]

Über die exakte Fahrtroute liegen verschiedene Aufzeichnungen vor, da mehrere Karten mit leicht abweichenden Fahrtrouten existieren. Allgemein stimmen die Angaben dahingehend überein, dass LZ 104 am 21. November 1917 zunächst entlang der Linie europäische Türkei, Kleinasien und Smyrna (heute Izmir) fuhr. Deutsche Flugzeuge, die von osmanischen Stützpunkten aus operierten, boten dabei Geleitschutz. (LZ 104 selbst war, um die Nutzlast zu erhöhen, genau wie vormals LZ 102 komplett entwaffnet worden.) Weiter folgte eine Route von Kos über die Ägäis zum östlichen Ende Kretas. Daran schloss sich die Fahrt über das östliche Mittelmeer zur afrikanischen Küste an, die etwa bei Sallum und Sidi Barrani überquert wurde. Des Weiteren passierte LZ 104 die Oasen Siwa, Farafra und Dachla in Ägypten. Erst im Sudan wurde der Nil, etwa ab Wadi Halfa, gestreift.

Als Landeplatz in Ostafrika war das Makonde-Plateau im Südosten des heutigen Tansanias ins Auge gefasst worden.

Abbruch der Afrikafahrt

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Als fern am Horizont bereits Khartum auftauchte empfing LZ 104 folgenden Funkspruch aus Nauen bei Berlin:

„Letzter Stützpunkt Lettow-Vorbecks, Revala, verlorengegangen. Ganzes Makondehochland im Besitz der Engländer. Teile Lettows gefangen. Rest nördlich hart bedrängt. Sofort umkehren!“

Funkspruch des deutschen Admiralstabes[6]

Dieser Funkspruch ließ sich nicht durch Gegenfrage verifizieren, da der Sender der Funkanlage ausgefallen war. Daraufhin kehrte LZ 104 um, nachdem es bereits einen großen Teil der Wegstrecke zurückgelegt hatte. Die südlichste Position lag etwa bei 16° 30′ N, 30° 0′ O. Kurz nach der Umkehr wurde das Luftschiff durch Abwinde fast auf den Wüstenboden gedrückt. Die Route der Rückfahrt verlief über dem Sudan, Ägypten und dem Mittelmeer ähnlich wie bei der Hinfahrt. Kleinasien wurde etwas weiter östlich überquert und Istanbul passiert. In den Morgenstunden des 25. Novembers 1917 wurde schließlich der Ausgangsplatz Jambol wieder erreicht.

Während der Fahrt stellte das Luftschiff einen Langstreckenrekord auf. In 95 Stunden und fünf Minuten Fahrzeit legte LZ 104 eine Strecke von 6757 Kilometern zurück. Die Afrikafahrt des „L 59“ ist bis Ende 1923 von keinem anderen Luftfahrzeug überboten worden.

Lettow-Vorbeck bezweifelte im Nachhinein, dass LZ 104 ihn und seine Truppe überhaupt gefunden hätte. Seiner Ansicht nach war die Fahrt um einen Monat zu spät erfolgt. Zudem gab es Anzeichen, dass die Briten über die Zeppelin-Mission informiert waren, was spätere Gerüchte über Spionageakte und angebliche Falschmeldungen hervorrief. Der Historiker Horst Gründer gelangte zu dem Schluss, dass der Admiralstab die Fahrt auf Veranlassung des Reichskolonialamts abbrechen ließ, da die Wahrscheinlichkeit eines Misserfolges aufgrund der aus deutscher Sicht verschlechterten Gefechtslage zu groß erschien.

Weitere Verwendung und Verbleib

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Nach dem gescheiterten Afrikaunternehmen wurde LZ 104 zum Fronteinsatz umgerüstet. Eine von Bockholt erwogene Wiederholung des Unternehmens wurde verworfen. Auch der Idee der vormaligen Mittelmeerdivision, statt Ostafrika den Jemen im Auftrag von Enver Pascha zu versorgen, schloss sich der Admiralstab nicht an: LZ 104 werde für Erprobungen und spätere Frontverwendung sehr dringend gebraucht.[7] Zur Durchführung der Umrüstung befand sich das Luftschiff zum Jahreswechsel 1917/18 wieder in Deutschland. Anfang 1918 wurde LZ 104 für Angriffsfahrten in den Nahen Osten und Italien eingesetzt. Im weiteren Verlauf des Kriegs warf LZ 104 6400 Kilogramm Bomben ab. Am 10. März 1918 bombardierte das Schiff die Flottenbasis und Industrieanlagen von Neapel. Am 20. März 1918 musste ein Angriff auf Port Said aufgrund zu starken Gegenwindes vorzeitig abgebrochen werden. Am 7. April 1918 stürzte der Zeppelin aus ungeklärter Ursache bei einer Angriffsfahrt gegen Malta über der Straße von Otranto in das Mittelmeer. Die Besatzung des deutschen U-Boots UB 53 wurde Zeuge des Absturzes, bei dem es keine Überlebenden gab.[8]

Technische Daten

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Kenngröße Daten
Länge 226,5 m
Größter Durchmesser 23,9 m
Prallgasinhalt 68.500 m³ Wasserstoff
Gaszellenzahl 16
Leergewicht 27.600 kp[9][10]
Nutzlast (0 °C, 760 mmQS) 51.900 kp
Motoren 5 Maybach-Motoren HSLu zu je 240 PS (ca. 180 kW)
Propeller 4 Jaray-Holzpropeller
Antennen 3 hängende Drähte, je 120 m lang
Höchstgeschwindigkeit 103 km/h
Statische Gipfelhöhe 8.200 m (?)
Reichweite 16.000 km[11]

Literatur

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  • Wolfgang Meighörner-Schardt: Wegbereiter des Weltluftverkehrs wider Willen. Zeppelin-Museum, Friedrichshafen 1992, ISBN 3-926162-58-9.
  • Johannes Goebel: Afrika zu unsern Füßen. Koehler, Leipzig 1925. (Späterer Titel: 40.000 km Zeppelin-Kriegsfahrten).
  • Peter Meyer: Luftschiffe – Die Geschichte der deutschen Zeppeline. Bonn: Bernard & Graefe Verlag, 1996, S. 97f., ISBN 3-7637-5951-4.
  • Bock, J.K./Knauer, B.: Leichter als Luft: Transport- und Trägersysteme. Verlag Frankenschwelle, Hildburghausen 2003, ISBN 3-86180-139-6.
  • Gisela Graichen, Horst Gründer: Der längste Flug der Welt – Mit dem Zeppelin nach Ostafrika, in (ders.); Deutsche Kolonien – Traum und Trauma, Berlin: Ullstein, 2005, S. 314–312, ISBN 3-550-07637-1.
  • Reinhard Klein-Arendt: Die Afrikafahrt des Luftschiffs L59, in (ders.); „Kamina ruft Nauen!“ Die Funkstellen in den deutschen Kolonien 1904–1918. Köln: Wilhelm Herbst Verlag, 1995, S. 319–325, ISBN 3-923925-58-1
  • Joachim Schröder: In geheimer Mission – Die Afrikafahrt des Luftschiffs "L 59", in: Clausewitz, Das Magazin für Militärgeschichte, 3 (2014), S. 48–52.
  • Karl-Dieter Seifert: Deutsche Flieger über den Kolonien. Zweibrücken: VDM Heinz Nickel, 2007, S. 107ff., ISBN 978-3-86619-019-1.
Literarisierung
  • Charles Frölich: Der Wolkenwal: Die Afrikafahrt des L 59 – ein phantastisches Abenteuer. Epubli, Berlin 2017, ISBN 978-3-7375-2750-7.
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Commons: LZ 104 / L 59 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Wolfgang Meighörner-Schardt: Wegbereiter des Weltluftverkehrs wider Willen. Die Geschichte des Zeppelin-Luftschifftyps „w“. Zeppelin-Museum Friedrichshafen, Friedrichshafen 1992, ISBN 3-926162-58-9, S. 18.
  2. Maximilian Zupitza: Die Hilfsexpedition für die deutsch-ostafrikanische Schutztruppe auf dem Luftwege, in: Deutsche Kolonialzeitung. Nr. 36 (1919), S. 29–32 (online).
  3. Wolfgang Uwe Eckart: Medizin und Kolonialimperialismus: Deutschland 1884–1945. Schöningh, Paderborn/München/Wien/Zürich 1997, ISBN 978-3-506-72181-5, S. 388.
  4. Reinhard Klein-Arendt: „Kamina ruft Nauen!“ Die Funkstellen in den deutschen Kolonien 1904–1918. Köln: Wilhelm Herbst Verlag, 1995, S. 321, ISBN 3-923925-58-1
  5. John Toland: Die große Zeit der Luftschiffe. Lübbe, Bergisch Gladbach 1978, ISBN 3-404-65032-8, S. 55.
  6. Reinhard Klein-Arendt: „Kamina ruft Nauen!“ Die Funkstellen in den deutschen Kolonien 1904–1918. Köln: Wilhelm Herbst Verlag, 1995, S. 324, ISBN 3-923925-58-1
  7. Wolfgang Meighörner-Schardt: Wegbereiter des Weltluftverkehrs wider Willen. Zeppelin-Museum, Friedrichshafen 1992, S. 80.
  8. Johannes Goebel: Afrika zu unsern Füßen. Koehler, Leipzig 1925, S. 113–119
  9. Wolfgang Meighörner-Schardt: Wegbereiter des Weltluftverkehrs wider Willen. Zeppelin-Museum, Friedrichshafen 1992, S. 153.
  10. Douglas H. Robinson: The Zeppelin in Combat. A History of the German Naval Airship Division, 1912–1918. Foulis, London 1971, S. 380.
  11. Ludwig Dürr: Fünfundzwanzig Jahre Zeppelin-Luftschiffbau. V.D.I.-Verlag G.m.b.H., Berlin 1924, S. 31.
  12. youtube.