Democracy ist eine vom gleichnamigen und gemeinnützigen Trägerverein Democracy Deutschland e. V. zur Verfügung gestellte, kostenlose und vollständig von unabhängigen Spenden finanzierte Open-Source-App, mit der ihre Nutzer innerhalb eines Serious Game selbst über die Anträge und Gesetze des Deutschen Bundestages abstimmen, sowie ihre Entscheidungen interaktiv mit der Community und den offiziellen Resultaten des Bundestages vergleichen können.

Democracy
Basisdaten

Hauptentwickler Democracy Deutschland e. V.
Entwickler Democracy Deutschland e. V.
Erscheinungsjahr 2018
Aktuelle Version 1.5.0
Kategorie Applikation
https://www.democracy-deutschland.de/#!home

Geschichte

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Im Spätsommer 2016 kam die Idee einer „Demokratie-App“ bei Marius Krüger auf. Inspiriert durch ein Gespräch mit einem Bekannten, entwickelte er im Laufe des darauffolgenden Jahres ein Konzept, womit er die politischen Meinungen der – seiner Meinung nach im gesellschaftlichen Prozess marginalisierten – jüngeren Zielgruppe messen und als offene Daten der Allgemeinheit zur Verfügung stellen wollte. Krüger vermutete starke Differenzen zwischen den Wünschen der (jungen) Bevölkerung und den Entscheidungen der Politik.

Um sein Konzept in die Realität umzusetzen, plante Krüger eine Crowdfundingkampagne[1] für die Zeit der Bundestagswahl 2017 und gründete den Verein Democracy Deutschland e. V., der Träger der gleichnamigen App ist.

Mit der Zielsetzung jedem Stimmberechtigten (vor der Wahl) schnellstmöglich eine Informationsquelle für die gefragten Informationen zur Verfügung zu stellen, wurde ein Konzept für eine App, mittels der Live-Meinungserhebungen zu den aktuellen Bundestagsentscheidungen durchgeführt werden können entwickelt. Innerhalb von zwei Monaten waren 35.000 € für einen Prototyp der App per Crowdfunding gesammelt[2]. In dieser Zeit lernte der Gründer auch die Programmierer Manuel Ruck und Ulf Gebhardt kennen. Manuel Ruck arbeitet bis heute für Democracy.

Ein Dreier-Team begann erstellte ab Januar 2018 innerhalb von vier Monaten eine Beta-Version der App,[3] die den Crowdfundingunterstützern, später auch der Öffentlichkeit, zur Verfügung gestellt wurde. Während der Beta-Testphase registrierten sich über 3000 Personen über ein Formular. Per Communitybefragungen wurden zentrale Entwicklungsentscheidungen gemeinsam getroffen und der Slogan „Weil Deine Stimme zählt“ von der Community vorgeschlagen und ausgewählt.

Die Hertie Stiftung, die bereits 7500 € zum initialen Crowdfunding beigesteuert hatte, vergab ab April 2018 an Marius Krüger ein Stipendium im Innovationskolleg und übernahm zusätzlich die Anschlussfinanzierung des Projekts mit 50.000 € von Juli 2018 bis inklusive Januar 2019.[4]

Am 30. September 2018 wurde die erste Version der Democracy App (MVP) veröffentlicht. Sie wurde in den ersten 24 Stunden 5.000 Mal heruntergeladen. Durch die steigende öffentliche Resonanz und zahlreiche Interviews entwickelten sich die Downloadzahlen schnell in Richtung 100.000. Nach der ausbleibenden Anschlussfinanzierung durch eine Stiftungsträgerschaft entschied sich das Projekt dazu, eine komplett unabhängige Finanzierung durch monatliche Daueraufträge anzustreben, um ihrer selbst auferlegten Pflicht als unabhängige Initiative nachzukommen.[5]

Die App wurde bis zur fünften öffentlichen Version weiterentwickelt und ist im App Store, bei Google Play und als .apk auf der Website sowie als Browser-Version (hier können keine Abstimmungen vorgenommen werden) kostenlos verfügbar.

Funktionsweise der App

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Mit Democracy können Nutzer in Echtzeit alle Abstimmungen des Deutschen Bundestages beobachten und sich über die verhandelten Anträge und Gesetzesvorlagen informieren.[6]

Zusätzlich zu dieser Informationsquelle realisiert die App für verifizierte Nutzer ein virtuelles Bundestagsmandat und damit die Möglichkeit, im Rahmen der App selbst über die Papiere abzustimmen. Genau wie ein Abgeordneter können Nutzer sich zwischen der Zustimmung, der Enthaltung oder der Ablehnung eines Vorgangs entscheiden.

Die Software kumuliert alle abgegebenen Einzel-Vota eines Vorgangs zu einem Community- bzw. Wahlkreiscommunityergebnis, welches live in der App publiziert wird.

Daraufhin können Nutzende nicht nur den Grad der Bestätigung bzw. Ablehnung der eigenen Positionen in der Nutzerschaft (Gesamtdeutschland/Wahlkreis) ermitteln, sondern auch das individuelle bzw. mehrheitliche Abstimmungsverhalten mit den offiziellen Resultaten des Bundestags, der Fraktionen bzw. einzelnen Abgeordneten vergleichen.[7]

Wahl-O-Meter

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Der Wahl-O-Meter ist eine vergangenheitsbasierte Wahlhilfe innerhalb der Democracy App.

Im Unterschied zum zukunftsorientierten Wahl-O-Mat von der Bundeszentrale für politische Bildung, der in Vorbereitung auf eine anstehende Wahl die eigenen Stellungnahmen zu vordefinierten Statements mit den autorisierten Antworten der verschiedenen Parteien vergleicht, vergleicht der Wahl-O-Meter retrospektiv das tatsächliche Abstimmungsverhalten der Parteien und Politiker mit den eigenen Präferenzen. Er ist in die Kategorie der Voting Advice Applications (VAA) einzuordnen. Gemäß Definition können solche Anwendungen Teilnehmenden politischer Wahlen helfen, Kandidierende oder eine Partei zu finden, der ihren politischen Einstellungen am nächsten kommt.   

In Anlehnung an die bekannte Bezeichnung des Wahl-O-Mats ("Wahl-Automat"), wird mit dem Wahl-O-Meter (meter = messen) innerhalb der Democracy App eine Auswertungsmöglichkeit zur Verfügung gestellt, die für den parlamentarischen Echtbetrieb der Vergangenheit zeigt, mit welcher Partei man wie stark übereinstimmt. Die im August 2021 erschienene Version 1.4. ermöglicht den Nutzenden außerdem die Suche nach und den Abgleich mit allen Abgeordneten.[8]

Mathematisch bildet der Wahl-O-Meter die Mittelwerte der eigenen Zustimmungen, Ablehnungen und neutralen Antworten mit den Zustimmungen, Ablehnungen und neutralen Antworten jeder Partei für die von den Nutzern abgestimmten Vorgänge und sortiert diese Mittelwerte absteigend. Als Basis für diese Bewertung dienen die offiziellen Abstimmungsergebnisse der Fraktionen (und der Abgeordneten in den namentlichen Abstimmungen) im Bundestag.

Datenschutzkonzept

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Aus Sicht des Democracy Deutschland e. V. sind die beim Nutzen der App entstehenden Nutzerdaten keine handelbaren Wirtschaftsgüter, sondern im Sinne des Grundgesetzes und der informationellen Selbstbestimmung zu schützen. Gemäß Datenschutzerklärung setzt der Verein dafür in seiner App auf das Konzept der Datenvermeidung. Zentraler Bestandteil der Democracy App sei die Aufrechterhaltung des Abstimmungsgeheimnis zur Vermeidung von politischen Profilingdaten.[9] Das Konzept sieht vor, jede Abstimmungsentscheidung der Nutzer von dessen personenbezogenen Identifikationsdaten zu trennen. Zur Erreichung dieses Ziels hat der Verein ein eigenes digitales Wahlverfahren[10] erarbeitet.

Nach einer Anmeldung mit der eigenen Mobilfunknummer (Verifizierung), wird die Telefonnummer des Nutzenden zusammen mit seiner Geräte-ID gehasht in einer Identitätsdatenbank des Vereins i.S. eines Urnenbuchs gespeichert. Stimmt der Nutzende nach seiner Verifizierung nun zu einem Vorgang ab, verbleibt eine offene Quittung der Abstimmungsentscheidung (Ja, Nein, Enthaltung) lokal auf dem Gerät des Nutzenden, während die Stimme serverseitig von seiner Identität getrennt wird, indem in der prozedurspezifischen Votes-Tabelle (je nach Stimmverhalten) eine Stimme auf das vorherige Ergebnis addiert und in einer prozedurspezifischen Voters-Tabelle der Nutzer als Abstimmender hinterlegt wird.

Gemäß dem Verein führe dieses Verfahren zu einer Anonymisierung der Stimme, sofern mindestens zwei Stimmen eingegangen sind.

Der Verein räumt ein, dass dieses Verfahren für die Ergebnissicherheit, bzw. die individuelle wie globale Verifizierbarkeit des korrekten Auszählungsergebnis – eine weitere Anforderung an ein Wahlverfahren[11] – allerdings noch keine adäquate Lösung biete.

Struktur

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Die App wird von dem gleichnamigen Trägerverein Democracy Deutschland e. V. zur Verfügung gestellt. Der Verein ist unabhängig und spendenfinanziert. Um eine höchstmögliche Transparenz zu gewährleisten, werden alle Einnahmen und Ausgaben vom Democracy Deutschland e. V. in einer Open-Book-Policy offengelegt.

Würdigungen

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2019 bewarb sich die Initiative bei dem Innovationspreis des Landkreises Göttingen, welcher unter dem Motto “Zukunftsorientiert – Lösungen, die verändern” stand.[12] Sie erhielt den Sonderpreis ‚Wissenschaft und Bildung‘, welcher von der Sparkasse Göttingen gestiftet und mit 3000 Euro dotiert worden war.[13]

Verbindungen zur verschwörungstheoretischen Szene

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Durch den Auftritt von Marius Krüger bei KenFM erntete die Initiative Kritik. Der Gründer erklärte in einem Interview mit dem Hessischen Rundfunk auf Nachfrage der Moderatorin, dass die App ein so ur-demokratisches Ansinnen verfolge, dass man mit jedem darüber reden könne.

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Einzelnachweise

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  1. Marius Krüger: DEMOCRACY | Demokratie_live. Abgerufen am 28. Januar 2021.
  2. Marius Krüger: DEMOCRACY | Demokratie_live. Abgerufen am 28. Januar 2021.
  3. Marius Krüger: EINTRAG 33 – DEMOCRACY-Beta Out Now - DEMOCRACY | Demokratie_live. Abgerufen am 28. Januar 2021.
  4. Marius Krüger: Abschlussbericht Innovationskolleg. Hertie Stiftung, abgerufen am 26. Januar 2021.
  5. Göttinger entwickelt App „DEMOCRACY“. Abgerufen am 28. Januar 2021.
  6. Democracy Deutschland e.V: DEMOCRACY Deutschland. Abgerufen am 4. Februar 2021.
  7. Seite 32. DBB Magazin, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 26. Januar 2021.@1@2Vorlage:Toter Link/www.dbb.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  8. DEMOCRACY – Apps bei Google Play. Abgerufen am 9. August 2021.
  9. visionmakery, Ulf Gebhardt: DEMOCRACY. Abgerufen am 25. Januar 2021 (englisch).
  10. Ausführungen zum Wahlverfahren und der Stimmanonymität. Abgerufen am 26. Januar 2021.
  11. demokratie-live/democracy-docu. Abgerufen am 6. Februar 2021 (englisch).
  12. Innovationspreis 2019: DEMOCRACY Deutschland e. V. - YouTube. Abgerufen am 25. Januar 2021.
  13. Innovationspreis 2019 – faktor. Abgerufen am 25. Januar 2021 (deutsch).