Chariten

griechische Gottheiten
(Weitergeleitet von Drei Grazien)

Die Chariten (altgriechisch Χάριτες Chárites, Singular Charis) sind in der griechischen Mythologie „Untergöttinnen“ und Dienende der Hauptgötter, die mit Aphrodite, aber auch Hermes und Apollon in Verbindung stehen. In der römischen Mythologie entsprechen sie den drei Grazien (lateinisch gratiae).

Die drei Grazien auf einem antiken Fresko aus Pompeji

Sie sind Töchter des Zeus und der Eurynome und heißen Euphrosyne („die Frohsinnige“), Thalia („die Blühende“) und Aglaia („die Strahlende“). Sie brachten den Menschen und den Göttern Anmut, Schönheit und Festesfreude.

Bedeutung

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Der Name leitet sich laut Cornutus, de natura deorum, aus altgriechisch χαρά chará, deutsch ‚Freude‘ ab, das Verb dazu ist χαίρειν chaírein, deutsch ‚sich freuen‘.

Der römische Philosoph Seneca fasst die Bewegungen der drei Grazien als vollständige Darstellung der Großmut auf[1].

Die Abkunft

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Die meisten der antiken Quellen sind sich über Zeus als Vater einig, nennen als Mutter aber:

Anderen Genealogien zufolge werden die Chariten auch als Töchter von Nyx und Erebos, Hekate und Hermes oder jene der Nymphe Aigle und des Sonnengottes Helios (lt. Antimachos[6]) bezeichnet. Als Mondgottheiten (s. u.) sollen sie wiederum Uranos zum Vater haben.[7]

Bei Nonnos von Panopolis Dionysiaka treten Dionysos und Hera als Eltern auf.[8]

In der römischen Mythologie sind die Grazien Töchter des Bacchus oder des Liber und der Venus (Vergil).[9]

Anzahl und besondere Namen

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„Ursprünglich gab es wahrscheinlich nur eine Charis. Sie erscheint als Gemahlin des Hephaistos [Vulcanus, Verf.], was wohl dahin zu verstehen ist, dass man dem Verfertiger reizvoller Kunstwerke den personifizierten Liebreiz (= Charis) zugesellte.“[10][11]

Einige antike Quellen nennen laut Pausanias (griechischer Schriftsteller des 2. Jahrhunderts n. Chr.) nur zwei Chariten:

a) Wie sie die Athener seit ältesten Zeiten verehrten:

  • Auxo („die Wachsende, Zunehmende“)
  • Hegemone („die Voranschreitende, Führende“)

b) Wie sie die Lakedaimonier in Lakonien verehrten:

  • Phaenna („die Glänzende, Leuchtende“)
  • Kleta („die Gerufene“)

In beiden Fällen beziehen sich die Namen auf Phasen des Mondes (der bei Neumondfesten mit Lärm „gerufen“ wurde).

Die meisten antiken Quellen nennen wie Hesiod drei Chariten bzw. Grazien (von der jüngsten zur ältesten):

  • Aglaia („die Glänzende“), in der Ilias (unter dem generischen Namen Charis) und bei Hesiod Gemahlin des Hephaistos[12]
  • Euphrosyne („Frohsinn“), laut Cornutus auch Euphrone genannt,
  • Thalia („Festfreude“), nicht zu verwechseln mit Thalia, der Muse für das Lustspiel, Tochter des Zeus und der Mnemosyne.

Eine Grazie namens Peitho oder Suadela kommt laut Pausanias in einigen Quellen als vierte hinzu oder wird laut Aristophanes statt Euphrosyne genannt.

Bei Homers Ilias treten zwei Chariten auf:

Rezeption

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Die drei Chariten bzw. Grazien waren ein beliebter Gegenstand der bildenden Kunst und wurden meist unbekleidet, sich gegenseitig berührend oder umarmend dargestellt. Bereits auf das 4. Jahrhundert geht das Mosaik der drei Grazien zurück. Eines der bekanntesten Gemälde – Die drei Grazien (Musée Condé) – ist von Raffael. Die Skulptur der Die drei Grazien der Piccolomini-Bibliothek in Siena ist eine Kopie eines hellenistischen Originals (4.-2. Jahrhundert v. Chr.) und stammt aus dem 15. Jahrhundert. Die in Potsdam befindliche mit der Abbildung des Motivs versehene Drei-Grazien-Kommode entstand 1769. Der Tempel der drei Grazien im Schloss Feldsberg in Breclav wurde 1825 erbaut. Drei Grazien krönen die im Jahr 1860 geschaffene Fontaine de la Rotonde im französischen Aix-en-Provence. Der ebenfalls in Anlehnung an das Motiv gestaltete Dreimädelbrunnen im Düsseldorfer Stadtteil Golzheim wurde 1915 geschaffen.

Siehe auch

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Literatur

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  • Benjamin Hederich: Gründliches mythologisches Lexikon. Gleditsch, Leipzig 1770; Reprint Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1996, ISBN 3-534-13053-7.
  • Herbert Hunger: Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Mit Hinweisen auf das Fortwirken antiker Stoffe und Motive in der bildenden Kunst, Literatur und Musik des Abendlandes bis zur Gegenwart. 6. erweiterte und ergänzte Auflage. Rowohlt, Hamburg 1974, ISBN 3-499-16178-8.
  • Nicola Kaminski: Chariten. In: Maria Moog-Grünewald (Hrsg.): Mythenrezeption. Die antike Mythologie in Literatur, Musik und Kunst von den Anfängen bis zur Gegenwart (= Der Neue Pauly. Supplemente. Band 5). Metzler, Stuttgart/Weimar 2008, ISBN 978-3-476-02032-1, S. 184–190.
  • Karl Kerényi: Die Mythologie der Griechen. Band I. dtv, München 1984, ISBN 3-423-01345-1.
  • Veronika Mertens: Die drei Grazien. Studien zu einem Bildmotiv in der Kunst der Neuzeit. Harrassowitz, Wiesbaden 1994, ISBN 3-447-03435-1.
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Commons: Grazien – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Oskar Bätschmann und Sandra Gianfreda (Hrsg.): Leon Battista Alberti - Über die Malkunst. Darmstadt 2002, ISBN 3-534-15151-8, S. 24: „Der Dichter Boccaccio (1581) bezeichnet sie als Töchter der ‚Venus magna‘, der tugendhaften Göttin der Liebe – im Unterschied zur wollüstigen ‚Venus secunda‘ (Anm. 88, S. 53)“
  2. Hesiod, Theogonie 907–908; Pausanias 9,35,3–5
  3. Orpheus, Hymni. Die unter Orpheus’ Namen vorhandenen Gedichte – als Argonautica, Hymni und de lapidibus 1764 in Leipzig herausgegeben von Johann Matthias Gesner – stammen nicht von Orpheus.
  4. Cornutus, De natura deorum
  5. Lutatius zu Statius, Thebais 1,286. Lutatius verfasste Auslegungen über Statius.
  6. Pausanias 9,35,596
  7. Karl Kerényi: Die Mythologie der Griechen. Band I, S. 81.
  8. Nonnos von Panopolis, Dionysiaka 15,87; 31,103ff; 33,37
  9. Servius zu Vergil, Äneis 1,720. Servius, lateinischer Sprachlehrer aus dem 4. Jahrhundert, verfasste Auslegungen über Vergil. Laut Hederich, Stichwort Servius, ist Pieter Burmans Ausgabe des Vergil-Kommentars die „richtigste“.
  10. Homer, Ilias 18,382f.
  11. Hunger: Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. S. 89.
  12. Homer, Ilias 18,368ff
  13. Homer, Ilias 14,231ff
  14. Homer, Ilias 18,368ff