Als Zwergstaat oder Mikrostaat wird in der Wirtschaftsgeographie ein Kleinstaat mit besonders geringer Landfläche und kleiner Bevölkerung bezeichnet.
Allgemeines
BearbeitenIn der wissenschaftlichen Literatur wird überwiegend der Begriff Mikrostaat verwendet, da Zwergstaat und zahlreiche Synonyme (wie Kleinststaat, Lilliputstaat, Pygmäenstaat, Miniaturstaat, Ministaat oder Diminutivstaat) als eher abwertend verstanden werden.[1] Besonders herabsetzend ist Duodezstaat (abgeleitet von einem historischen Buchformat), eine Spottbezeichnung aus dem 18. Jahrhundert für die damals extrem kleinen deutschen Fürstentümer.[2]
Völkerrechtlich spielt die Größe keine Rolle. Gelegentlich fehlen jedoch bei Zwerg- oder Mikrostaaten einzelne Souveränitätsattribute. Einige lassen sich militärisch, teilweise auch außenpolitisch durch einen Nachbarstaat vertreten. Nach anfänglichen Bedenken, die als „Mikrostaaten-Problem“ vor allem in den 1970er Jahren diskutiert wurden, haben die Vereinten Nationen weltweit alle Zwerg- oder Mikrostaaten, die einen entsprechenden Antrag gestellt haben, als Mitglieder aufgenommen.
Begriff
BearbeitenDer Begriff Zwergstaat ist unscharf und war im Laufe der Zeit Veränderungen unterworfen. Bis zu welcher Größe ein Kleinstaat als Zwerg- oder Mikrostaat anzusehen ist, kann daher nicht eindeutig bestimmt werden.
Für die teilweise sehr kleinen Fürstentümer der deutschen Geschichte werden die Bezeichnungen Kleinstaaten und Zwergstaaten auch heute noch als Synonyme verwendet (vgl. Kleinstaaterei). Ab dem 18. Jahrhundert wurden sie ironisch als Duodezstaaten bezeichnet. Duodez war ein kleines Buchformat, analog zum heutigen Taschenbuch oder gebundenen Miniaturformat, und bedeutete im übertragenen Sinn etwas Unbedeutendes[3]. Ein Duodezfürstentum war also ein Fürstentum im Taschenformat.
Neben dem Begriff des Mikrostaats taucht gelegentlich der der Mikronation auf. Mikronationen werden von den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen nicht anerkannt. Mikronation ist nicht analog zu Mikrostaat zu verstehen; damit ist keine sehr kleine Nation gemeint.
Der Geograph Erich Obst kategorisierte 1972 die nicht trans- oder subkontinentalen Staaten als Makrotop (Flächenstaaten mit mehr als 800.000 km²), Mesotop (Staaten zwischen 40.000 und 800.000 km²), Mikrotop (Staaten zwischen 1000 und 40.000 km²) oder Minitop (Staaten mit weniger als 1000 km²).[4]
Auch die Auflistung unten wendet die geografische Größe in Quadratkilometern, nicht die Einwohnerzahl als Kriterium für die Definition des Begriffs Zwergstaat an. So erscheinen z. B. Island und Luxemburg, die eine ähnliche Einwohnerzahl wie einige der in der Liste erwähnten Staaten aufweisen, doch über ein größeres Territorium verfügen, in diesem Zusammenhang nicht.
Europäische und außereuropäische Zwergstaaten
BearbeitenEuropa
BearbeitenIn Europa gibt es sechs meist als Zwergstaaten bezeichnete Länder: Andorra, Liechtenstein, Malta, Monaco, San Marino und die Vatikanstadt. Dabei handelt es sich um einzelne Fürstentümer bzw. Republiken, die ihre Unabhängigkeit bis heute erhalten haben, bzw. um den auf den ehemaligen Kirchenstaat zurückreichenden päpstlichen Anspruch auf eine völkerrechtlich anerkannte souveräne Enklave im Herzen der Stadt Rom.
Außerhalb Europas
BearbeitenBei den Zwergstaaten außerhalb Europas handelt es sich vor allem um Inselstaaten in der Karibik und dem Südpazifik.
Liste sehr kleiner Staaten
BearbeitenSouveräne Staaten mit einer festen Landmasse von bis zu ca. 1000 Quadratkilometern Fläche (ohne maritime Hoheitsgebiete).
Land / Territorium[Anm. 1] | Lage | Fläche (km²) | Einwohner | Stand |
---|---|---|---|---|
Vatikanstadt | Südeuropa | 0,44 | 618 | 3. Juli 2018[5] |
Monaco | Südeuropa | 2,03 | 37.550 | Dezember 2016[6] |
Nauru | Ozeanien – Mikronesien | 21 | 11.288 | 2015[7] |
Tuvalu | Ozeanien – Polynesien | 26 | 11.206 | Census 2012[8] |
San Marino | Südeuropa | 61 | 33.031 | Mai 2016[9] |
Liechtenstein | Mitteleuropa | 160 | 37.850 | Dezember 2016[10] |
Marshallinseln | Ozeanien – Mikronesien | 181 | 53.158 | 2011[11] |
Cookinseln[Anm. 2] | Ozeanien | 236 | 11.700 | September 2016[12] |
Niue[Anm. 3] | Ozeanien | 260 | 1.669 | Dezember 2019[13] |
St. Kitts und Nevis | Karibik | 261 | 52.834 | 2019[14] |
Malediven | Südasien – Indischer Ozean | 298 | 530.953 | 2019[15] |
Malta | Südeuropa – Mittelmeer | 316 | 415.196 | Juli 2016[16] |
Grenada | Karibik | 344 | 90.739 | |
St. Vincent und die Grenadinen | Karibik | 388 | 117.200 | |
Barbados | Karibik | 430 | 286.705 | |
Antigua und Barbuda | Karibik | 442 | 85.632 | |
Seychellen | Afrika – Indischer Ozean | 455 | 87.500 | |
Palau | Ozeanien – Mikronesien | 459 | 17.661 | Census 2015[17] |
Andorra | Südeuropa | 468 | 73.105 | Dezember 2016[18] |
St. Lucia | Karibik | 616 | 173.907 | |
Föderierte Staaten von Mikronesien | Ozeanien – Mikronesien | 702 | 116.431 | 2021[19] |
Singapur | Südostasien | 719 | 5.076.700 | |
Tonga | Ozeanien – Polynesien | 747 | 100.651 | 30. November 2016[20] |
Dominica | Karibik | 751 | 72.514 | |
Bahrain | Asien – Persischer Golf | 760 | 1.214.705 | |
Kiribati | Ozeanien – Mikronesien | 811 | 110.136 | 2015[21] |
- ↑ Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, soweit nichts Abweichendes angegeben.
- ↑ Kein Mitgliedstaat der Vereinten Nationen, sondern selbstverwaltetes Territorium in freier Assoziierung mit Neuseeland, wird aber von mehr als 40 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen als eigenständiger Staat anerkannt, u. a. auch von der Bundesrepublik Deutschland (2001), Belgien (2005) und der Schweiz (2005).
- ↑ Kein Mitgliedstaat der Vereinten Nationen, sondern selbstverwaltetes Territorium in freier Assoziierung mit Neuseeland, unterhält jedoch zunehmend eigenständige diplomatische Beziehungen, u. a. zur Volksrepublik China (2007), zu Indien (2012) und der Türkei (2014).
Siehe auch
BearbeitenWeblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Theodor Schweisfurth: Völkerrecht. Mohr Siebeck, Tübingen 2006, ISBN 3-16-148992-6, S. 17.
- ↑ Brockhaus Enzyklopädie, 21. Auflage. F.A. Brockhaus, Leipzig/Mannheim 2014.
- ↑ Duodez. In Wissen.de, abgerufen am 16. Juni 2017
- ↑ Erich Obst/Martin Schmithüsen (Hrsg.), Allgemeine Staatengeographie, 1972, S. 13
- ↑ Website der Vatikanstadt: Popolazione (Bevölkerung) vaticanstate.va, abgerufen am 19. Januar 2021.
- ↑ The official population figures. Auf: monacostatistics.mc, abgerufen am 10. Juni 2017
- ↑ Nauru Stats At A Glance. Nauru Bureau of Statistics auf: prism.spc.int, abgerufen am 10. Juni 2017
- ↑ Tuvalu Statistics at a Glance. Tuvalu Central Statistics Division auf: prism.spc.int, abgerufen am 10. Juni 2017
- ↑ Bilancio Demografico ( vom 8. Juli 2016 im Internet Archive) (PDF; 200 kB). Auf der Website des Ufficio Informatica, Tecnologia, Dati e Statistica der Republik San Marino, abgerufen am 8. Juli 2016
- ↑ Bevölkerungsstatistik 31. Dezember 2016. Auf der Webseite Amt für Statistik, Landesverwaltung des Fürstentums Liechtenstein, abgerufen am 10. Juni 2017
- ↑ Social Statistics. Economic Policy Planning and Statistics Office (EPPSO) auf: prism.spc.int, abgerufen am 10. Juni 2017
- ↑ Vital Statistics and Population Estimates. Cook Islands – Ministry of Finance and Economic Management auf: prism.spc.int, abgerufen am 10. Juni 2017
- ↑ Niue Vital Statistics 2019, abgerufen am 19. Januar 2021
- ↑ Weltbank: Population, total – St. Kitts and Nevis
- ↑ Weltbank: Population, total – Maldives
- ↑ Malta. ( des vom 16. Oktober 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. In: CIA World Factbook, abgerufen am 10. Juni 2017
- ↑ Republic of Palau, Bureau of Budget and Planning Ministry of Finance, Statistical Yearbook 2019, Table 2.2, abgerufen am 19. Januar 2021
- ↑ Últimes dades. ( vom 10. Dezember 2010 im Internet Archive) Auf der Statistikwebseite des Govern d’Andorra, abgerufen am 10. Juni 2017
- ↑ Micronesia Population 2021 (Demographics, Maps, Graphs). 27. August 2021, abgerufen am 29. August 2021 (englisch).
- ↑ Tonga Statistics Department, abgerufen am 19. Januar 2021
- ↑ Kiribati Stats at a Glance ( vom 8. Januar 2017 im Internet Archive). Kiribate National Statistics Office auf: www.mfed.gov.ki, abgerufen am 10. Juni 2017