EU-Zivilschutz-Mechanismus
Als EU-Katastrophenschutzverfahren (bzw. Katastrophenschutzverfahren der Union; englisch Union Civil Protection Mechanism) werden die Abkommen der Europäischen Union bezeichnet, die eine verstärkte Zusammenarbeit im Falle von Katastrophen regeln. Dies betrifft nicht nur die Reaktion auf Katastrophen innerhalb und außerhalb der EU, sondern auch die Prävention und Vorsorge.[1] Funktionaler Kern des Mechanismus ist das Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen.[2]
Entstehung
BearbeitenErste Versuche solcher Konzepte führen in die 1980er Jahre zurück, als man nach größeren Umweltkatastrophen begann, die Zusammenarbeit zu intensivieren und zwischenstaatliche Zusammenarbeit zu regeln.[3]
Als Folge dieser Bemühungen entstand das erste Abkommen im Oktober 2001, in dem die Innenminister der EU das „Gemeinschaftsverfahren zur Förderung einer verstärkten Zusammenarbeit bei Katastrophenschutzeinsätzen“, welches auch als „Mechanismus“ bezeichnet wird, festlegten. Eine weitere Verbesserung erfuhr der Mechanismus im Jahr 2007, als er als „Gemeinschaftsverfahren für den Katastrophenschutz (Neufassung)“ neu formuliert wurde.[3]
Teilnehmer an diesem Verfahren sind zurzeit die 27 Mitgliedstaaten der EU sowie die Staaten Albanien, Bosnien und Herzegowina, Moldau, Montenegro, Nordmazedonien, Norwegen, Island, Serbien, Ukraine sowie die Türkei.[4] Angewendet wird es auf Ersuchen eines dieser Staaten für gemeinschaftliche Hilfsmaßnahmen bei Natur- oder vom Menschen verursachten Katastrophen. Auch Hilfeansuchen außerhalb der EU werden so koordiniert.
Katastrophen
BearbeitenInsgesamt wurde von 2019 bis 2023 der EU-Mechanismus mehr als 660 mal in Anspruch genommen,[5] darunter und zusätzlich unter anderem bei folgenden Katastrophen (Auszug):
- Erdbeben in Chile (Februar 2010)[6]
- Hochwasser in Ungarn (Mai 2010)[7]
- Hochwasserkatastrophe in Rumänien (Juli 2010)[8]
- Kolontár-Dammbruch (Oktober 2010)[9]
- Tōhoku-Erdbeben 2011 (März 2011)
- Explosion in Zypern (Juli 2011)
- Waldbrände in Schweden und Lettland (Juli 2018)
- Waldbrände in Griechenland (Juli 2018)
- Coronavirus-Pandemie 2019/2020[10]
- Erdbeben bei Zagreb 2020 (März 2020)
- Explosionskatastrophe in Beirut 2020 (August 2020)[11]
- Hochwasser in West- und Mitteleuropa 2021
- Waldbrände in Griechenland 2021
- Invasion der Ukraine 2022[12]
- Waldbrände in Frankreich (August 2022 + Copernicus-Aktivierung)[13]
- Konflikt in Sudan[14]
Module
BearbeitenDer Mechanismus unterhält europaweit standardisierte Module mit Material und Fachpersonal, die verschiedene Schwerpunkte bei der Bekämpfung von Katastrophen haben.
Die Module sind:[14]
- Aerial forest fire fighting module using helicopters module (FFFH)
- Aerial forest fire fighting module using airplanes module (FFFP)
- Advanced Medical Post (AMP)
- Advanced medical post with surgery module (AMPS)
- Field hospital module (FHOS)
- Medical aerial evacuation of disaster victims module (MEVAC)
- Emergency temporary shelters module (ETS)
- Chemical, biological, radiological and nuclear detection and sampling (CBRN) module (CBRNDET)
- Search and rescue in CBRN conditions module (CBRNUSAR)
- High capacity pumping module (HCP)
- Water purification module (WP)
- Medium Urban Search and Rescue (MUSAR)
- Heavy Urban Search and Rescue (HUSAR)
- Flood Containment (FC)
- Ground forest fire fighting (GFFF)
- Ground forest fire fighting using vehicles (GFFF-V)
- Flood rescue using boats (FRB)
Zusätzlich wird als Unterstützungseinheit für Module und Experten Technical Assistance Support Teams (TAST) bereitgestellt.
Kontaktstellen
BearbeitenDeutschland
BearbeitenAls sogenannte Nationale Kontaktstelle (engl. National Contact Point, NCP) der EU für Hilfeansuchen an die Bundesrepublik Deutschland dient das permanent besetzte Gemeinsame Melde- und Lagezentrum (GMLZ) von Bund und Ländern. Das GMLZ ist Teil der Abteilung I des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), welches eine Behörde des Bundesministeriums des Innern und dem Referat 2 der Abteilung KM zugeordnet ist.
Österreich
BearbeitenKontaktstelle der EU für Hilfeansuchen an Österreich ist die permanent besetzte Bundeswarnzentrale.
Weblinks
Bearbeiten- European Commission: European Civil Protection and Humanitarian Aid Operations (englisch)
- 2007/779/EG,Euratom: Entscheidung des Rates vom 8. November 2007 über ein Gemeinschaftsverfahren für den Katastrophenschutz (Neufassung). In: ABl. L, Nr. 314, 1. Dezember 2007, S. 9–19.
- 2014/762/EU: Durchführungsbeschluss der Kommission vom 16. Oktober 2014 zur Festlegung von Vorschriften für die Durchführung des Beschlusses Nr. 1313/2013/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Katastrophenschutzverfahren der Union und zur Aufhebung der Entscheidungen 2004/277/EG, Euratom und 2007/606/EG, Euratom (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen C(2014) 7489). In: ABl. L, Nr. 320, 6. November 2014, S. 1–45.
- Evaluation Study of Definitions, Gaps and Costs of Response Capacities for the Union Civil Protection Mechanism
- EU-Gemeinschaftsverfahren beim THW
- EU-Abgeordnete ziehen erste Lehren aus Haiti-Nothilfe
- Monitoring and Information Centre for Civil Protection. (PDF) Beispiel eines Ansuchens beim Hochwasser in Moldawien im Juli 2010. In: un.md. Ehemals im ; abgerufen am 27. Dezember 2022 (englisch). (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven) (nicht mehr online verfügbar)
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Hans: EU Civil Protection Mechanism. 4. Dezember 2018, abgerufen am 6. Mai 2021 (englisch).
- ↑ Zentrum für die Koordination von Notfallmassnahmen (ERCC). 15. Januar 2021, abgerufen am 23. Mai 2021.
- ↑ a b Europäische Zusammenarbeit im Katastrophenschutz ( vom 23. Juli 2012 im Webarchiv archive.today) auf der Seite des Bundesministerium für Inneres abgerufen am 8. Oktober 2010
- ↑ EU-Katastrophenschutzverfahren - Europäische Kommission. Abgerufen am 12. Juli 2024.
- ↑ European Comission: UCPM Activations 2019-2023. 20. Februar 2024, abgerufen am 12. Juli 2024 (englisch).
- ↑ Chile earthquake. European Union, archiviert vom am 17. April 2014; abgerufen am 4. Februar 2018 (englisch).
- ↑ Deutschland, Dänemark, Tschechien, die Niederlande, Österreich und Kroatien bieten Ungarn 2,12 Mio. Sandsäcke zur Bekämpfung der Überschwemmungen an vom 27. Mai 2010, abgerufen am 8. Oktober 2010.
- ↑ Rumänien aktiviert EU-Katastrophenschutz-verfahren wegen Hochwasser: Vier Mitgliedstaaten bieten Ausrüstung an vom 9. Juli 2010, abgerufen am 8. Oktober 2010.
- ↑ Giftschlammkatastrophe: Ungarn aktiviert EU‑Katastrophenschutzverfahren und fordert Experten an. European Commission, 4. Februar 2018, abgerufen am 7. Oktober 2010 (englisch).
- ↑ Karoline Meta Beisel: Coronavirus: EU-Einheit koordiniert Notfallmaßnahmen. In: Süddeutsche Zeitung. 31. Januar 2020, abgerufen am 2. Februar 2020.
- ↑ Nach Explosionen in Beirut – THW und Bundeswehr im Einsatz, bundesregierung.de, 6. August 2020, abgerufen am 2. Januar 2021.
- ↑ https://ec.europa.eu/echo/news-stories/news/ukraine-eu-boosts-assistance-emergency-logistical-hubs-and-resceu-aid-2022-03-04_en
- ↑ Press corner 11.08.2022. Abgerufen am 11. August 2022 (englisch).
- ↑ a b European Commission: European Civil Protection (PDF) ( vom 12. Januar 2014 im Internet Archive)