SBB-Limmatbrücke Turgi

Eingleisige Eisenbahnbrücke über die Limmat zwischen Untersiggenthal und Turgi im Kanton Aargau, Schweiz

Die SBB-Limmatbrücke Turgi ist eine Brücke der Bahnstrecke Turgi–Koblenz–Waldshut und führt über die Limmat im Kanton Aargau. Sie ist eine der ältesten[A 1] noch befahrenen Eisenbahnbrücken der Schweiz.

SBB-Limmatbrücke Turgi
SBB-Limmatbrücke Turgi
SBB-Limmatbrücke Turgi
Ansicht nach 1971 von der Unterwasserseite,
mit Servicekanal auf Pfeilerhöhe
Nutzung Eisenbahnbrücke
Überführt Streckengleise
SBB-Linie 701
(Zürich HB–)Turgi–Koblenz–Waldshut
Unterführt Fluss Limmat
Ort Turgi AG
km 27,874
Unterhalten durch Schweizerische Bundesbahnen SBB
Bauwerknummer Objekt Nr. 128
Konstruktion (Kreis-)Bogenbrücke
Segment: R= 19,242 m
Gesamtlänge 90,5 m
Breite 10 m
Anzahl der Öffnungen 3
Längste Stützweite 77,7 m
Pfeilerachsabstand 25,4 m
Lichte Weite 22,35 m
Pfeilhöhe 4,2 m
Pfeilerstärke 2,85 m Ende
4,68 m Fundament
Pfeilverhältnis 1:5,7
Konstruktionshöhe 2,03 m
Höhe 11 m über dem mittleren Wasserspiegel
Baubeginn 1857
Fertigstellung 1859
Eröffnung 18. August 1859
Bauzeit 1857–1859
Planer Ferdinand Adolf Naeff für die Schweizerische Nordostbahn
Lage
Koordinaten 661062 / 260680Koordinaten: 47° 29′ 39″ N, 8° 14′ 56″ O; CH1903: 661062 / 260680
SBB-Limmatbrücke Turgi (Kanton Aargau)
SBB-Limmatbrücke Turgi (Kanton Aargau)
Höhe über dem Meeresspiegel 338,34 m

Die SBB-Limmatbrücke Turgi ist eine der ältesten noch im Betrieb stehenden Bahnbrücken der Schweiz.

Sie liegt beim Streckenkilometer 27,874 der Linie 702 (Zürich HB–)TurgiKoblenzLandesgrenze Schweiz/DeutschlandWaldshut der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), rund 500 m westlich des Bahnhofs Turgi und auf der Gemeindegrenze zwischen Turgi und Untersiggenthal. Gut 1 km flussabwärts fliesst die Limmat am Auenschutzpark des Kantons Aargau[1] im Wasserschloss der Schweiz in die Aare.

Der erste Versuch im Jahr 1837, die Städte Zürich und Basel (rechts der Limmat und linksufrig dem Rhein entlang) mit einer Konzession des Kantons Aargau für den Streckenteil durch das untere Aaretal (mit Brücken in Spreitenbach über die Limmat und über die Aare in Döttingen) zu verbinden, endete drei Jahre später mit einer Zwangsliquidation. Die Zürich-Basel-Eisenbahngesellschaft[2] scheiterte an Finanzierungsproblemen, am Widerstand der durch das unzimperliche Vorgehen ihrer Geometer aufgebrachten Landbewohner und deren Angst vor dem neuen Verkehrsmittel.

Beim zweiten Anlauf von 1845 hingegen, für die Verbindung via Waldshut und Anschluss an die Badische Hauptbahn (linksufrig zur Limmat und rechts des Rheins entlang), schaffte die Schweizerische Nordbahn vorerst den Bau des zwei Jahre später eröffneten Streckenteils von Zürich nach Baden (Spanisch-Brötli-Bahn). Dessen Weiterausbau geriet dann jedoch durch den Sonderbundskrieg, Finanzierungsschwierigkeiten und die Revolution von 1848 im benachbarten Ausland mehrere Jahre ins Stocken.

Doch 1856 nahm die Schweizerische Nordostbahn unter ihrem tatkräftigen Präsidenten Alfred Escher[3] die Streckenverlängerung von Baden nach Brugg in Betrieb. Im selben Jahr genehmigte ihm der Regierungsrat des Kantons Aargau die Streckenführung[4] von Turgi[A 2] (mit der Limmatbrücke) nach Koblenz an die Schweizer Landesgrenze und das Grossherzogtum Baden 1857 die Anbindung in Waldshut an die Badische Hauptbahn.

Mit der Eröffnung der Linie Turgi–Waldshut und der rechtsrheinischen Strecke Basel–Waldshut (Hochrheinbahn) im August 1859 waren Zürich und Basel – und damit auch die Schweiz und Deutschland – erstmals mit der Bahn verbunden[A 3].

Der Bau der Brücke

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Ferdinand Adolf Naeff
Ansicht und Aufsicht der Limmatbrücke Turgi auf einem Plan um 1900


Die Direktion der Nordostbahngesellschaft betraute Ende Oktober 1857[5] die schon bei der Reussbrücke bewährten Unternehmer Locher & Näff (Baumeister Johann Jakob Locher[6] und Ingenieur Ferdinand Adolf Naeff[7][A 4]) mit dem Bau der Limmatbrücke. Die Firma, durch den Zuschlag für den Bau der gesamten Strecke von Turgi bis an die Schweizer Landesgrenze in Koblenz stark beschäftigt, nahm mit Jahresbeginn 1859 mit Ingenieur Olivier Zschokke[8] aus Aarau einen dritten Gesellschafter auf[9] und firmierte fürderhin als Locher & Cie[A 5].

Die doppelspurig ausgelegte Limmatbrücke wurde am 18. August 1859 zusammen mit der Bahnstrecke Turgi–Koblenz–Waldshut einspurig in Betrieb genommen.

Die Konstruktionsart der Brücke

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Ansicht vor 1971 von der Unterwasserseite, gezeichnet von Witterungsschäden, die gedeckte Holzbrücke von 1921 im Hintergrund

Die Bogenbrücke ist aus Naturstein gemauert und der benachbarten drei Jahre älteren SBB-Reussbrücke Turgi ähnlich.

Wegen der hohen Gewichte der Züge und deren Brems- und Anfahrlasten wurden im Eisenbahnbau in der Epoche vor dem Eisenbetonbau besonders oft steif und schwingungsarm dimensionierte Steinbrücken, wie sie sich im Strassenbau bewährt hatten, eingesetzt. So auch bei der SBB-Limmatbrücke Turgi[A 6].

Die Aussenschale besteht aus präzisen Blockhausteinen aus Muschelkalksandstein und die Füllung aus Bruchsteinen. Durch die schmalen Fugen wirkt die Brücke bereits aus geringer Entfernung wie aus einem Stück. Die Bogen mit grosser Spannweite und geringer Höhe lassen sie leicht und elegant erscheinen. Die Brücke ist heute 90,5 m lang und 10 m breit bei einer totalen Spannweite von 77,7 m. Die Masse (Radius = 19,2 m, Bogenhöhe = 4,2 m und Lichte Weite= 22,35 m) der drei Kreissegmentbogen sind identisch. Die beiden aus Blocksteinen gemauerten, rund 8 m hohen und 3 m breiten Pfeiler und die Widerlager stehen auf soliden Fundamenten, die tief im festen Grund eingepfählt und im Wasser mit Bruchsteinblöcken gegen Verkolkung verstemmt sind.

Situation heute

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Ansicht nach 1971 von der Oberwasserseite, mit Servicekanal auf Pfeilerhöhe
 
Aufnahme von 1989 mit RBe-4/4-Zugskombination

Die Brücke weist zusätzlich zu den zwei zur Überbrückung der Limmat benötigten Brückenjochen ein Drittes für einen vorgesehenen, aber nie verwirklichten Kanal auf. Die Firma Heinrich Bebié[10] setzte ihre Konzession für ein Wasserwerk und eine Spinnerei, flussabwärts in der Unterau von Untersiggenthal, nicht ein.

Durch diese Öffnung verläuft heute als Flussuferweg der Industriekulturpfad Limmat–Wasserschloss, zu dessen technikgeschichtlichen Monumenten auch die SBB-Limmatbrücke Turgi zählt. Im Wasserschloss der Schweiz liegt der Auenschutzpark des Kantons Aargau.[11] In diesem Auengebiet von nationaler Bedeutung vereinigen sich die Flüsse Aare, Reuss und Limmat, gut 1 km flussabwärts von der SBB-Limmatbrücke Turgi, im Ortsteil Vogelsang von Gebenstorf.

Die Limmatbrücke Turgi ist seit der Verstaatlichung der Schweizerischen Nordostbahn am 1. Januar 1902 im Besitz der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB).

Diese haben die Bahnstrecke Turgi–Koblenz 1944 elektrifiziert[A 7]. Die Limmatbrücke trägt entsprechend auf dem ersten und dritten Bogen einen Portalmasten der Oberleitung.

Im Zweiten Weltkrieg lag die SBB-Limmatbrücke im Einsatzbereich der Limmatlinie der Schweizer Armee und war als militärisches Sprengobjekt klassiert.

Im Verlaufe der Zeit wurde die Brücke immer undichter und die Wasser- und Frostschäden setzten ihr zu. Nachdem die Firma Brown, Boveri & Cie. sich in Ennetturgi (Untersiggenthal) immer mehr ausbreitete, wurde der Ausbau der Brücke mit Doppelspur für ein Verbindungsgleis ins rechtsufrige Industriegebiet ins Auge gefasst und die Brücke 1971 gründlich erneuert.[12]

Dabei wurde der Brückentrog teilweise ausgekoffert und mit einer Eisenbetonplatte mit Abdichtung für den Fahrbahnaufbau überdeckt. Obwohl die Brücke ursprünglich für Doppelspur dimensioniert wurde, kragt diese mit seitlichen Konsolen, notwendig zur Einhaltung der heutigen Sicherheitsabstände, über den Brückentrog hinaus.[12] Auch dieses Zusatzgleis wurde schliesslich nicht verwirklicht.

Zudem wünschte die Gemeinde Turgi die fernbedienten Barrieren des Fussweg-Niveauüberganges am linken Flussuferweg durch eine Unterführung am linken Widerlager zu ersetzen, für die Zuleitung zur 1966 entstandenen Abwasser-Reinigungs-Anlage[A 8] in der Unterau Siggenthal darunter ein Vereinigungs- und Entlastungsbauwerk und auf Pfeilerhöhe der Brücke einen Servicekanal für die Abwasserleitung zur rechtsufrigen Kläranlage einzubauen.[12]

Da offenbar für Letzteren keine vertretbare Alternative bestand, opponierten die Denkmalpflege und der Heimatschutz des Kantons Aargau, allerdings mit Bedauern, nicht gegen diese Störung der Aesthetik der Brücke.[13]

Der Renovationsauftrag wurde von der Firma Jäggi AG[A 9] aus Brugg ausgeführt.[13] Damit war die SBB-Limmatbrücke bereit, wieder für viele Jahre den enorm gestiegenen Achslasten, Fahrgeschwindigkeiten und Dichte der Abfolge der heutigen Zugkompositionen standzuhalten.[14]

Anmerkungen

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  1. Die älteste noch im Betrieb stehende Bahnbrücke ist das ursprüngliche Bahnbrücklein der 1847 eröffneten «Spanisch-Brötli-Bahn» über den Schäflibach in Dietikon. Das Kleinbauwerk wird heute durch den mächtigen Fahrbahnaufbau der Doppelspur überdeckt.
  2. Der Bahnknoten Turgi war damals noch ein Dorfteil von Gebenstorf, emanzipierte sich jedoch und wurde 1884 zur selbständigen Gemeinde.
  3. Die erste internationale Eisenbahnverbindung der Schweiz erreichte Basel 1840 vom französischen St. Louis her.
  4. sein Bruder war Wilhelm Matthias Naeff, Bundesrat der ersten Stunde
  5. später Locher & Cie AG.
  6. Ferdinand Adolf Naeff war stark von Alois Negrelli beeinflusst, der mit dem Negrelliho viadukt einen Standard gesetzt hatte und bei dem er ein Berufspraktikum absolviert hatte.
  7. Die Teilstrecke Koblenz–Waldshut wurde erst 1999 mit einer elektrischen Oberleitung ausgerüstet.
  8. 2016 zur Pumpstation für die neu erstellte Zuleitung zur ARA Wasserschloss in Windisch zurückgebaut
  9. Jäggi AG

Literatur

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  • Jürg Conzett u. a.: Schweizer Bahnbrücken. Zürich 2013, S. 100–103, OCLC 997452251
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Commons: SBB-Limmatbrücke Turgi – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Dekret über den Schutz des Mündungsgebietes Aare–Reuss–Limmat
  2. Broschüre: Hundert Jahre Güterbahnhof Zürich, Zürich 1997
  3. Markus Bürgi: Escher, Alfred (vom Glas). In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  4. Protokoll der Direktion der Nordostbahngesellschaft vom 23. Juni 1856, Archiv SBB Historic, Lagerstrasse, CH-5210 Windisch
  5. Protokolle der Direktion der Nordostbahngesellschaft vom 29. und 31. Oktober 1857 sowie 3. Februar 1858, Archiv SBB Historic, Lagerstrasse, CH-5210 Windisch
  6. Peter Müller-Grieshaber: Locher, Johann Jakob. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  7. Markus Kaiser: Naeff, Adolf. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  8. Patrick Zehnder: Zschokke, Peter Olivier. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  9. Protokoll der Direktion der Nordostbahngesellschaft vom 19. März 1859, Archiv SBB Historic, Lagerstrasse, CH-5210 Windisch.
  10. Anton Wohler: Bebié, Heinrich. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  11. Kanton Aargau: Dekret über den Schutz des Mündungsgebietes Aare–Reuss–Limmat (Wasserschlossdekret, WSD), vom 28. Februar 1989, in Kraft seit: 30. April 1989
  12. a b c Brief der Kreisdirektion III der Schweizerischen Bundesbahnen in Zürich an die Generaldirektion in Bern, Zürich, 7. Mai 1971, Archiv SBB Historic, Lagerstrasse, CH-5210 Windisch
  13. a b Brief der Bauabteilung der Generaldirektion der Schweizerischen Bundesbahnen an das III. Departement mit Bezug auf ein Schreiben der Abteilung Denkmalpflege der Erziehungsdirektion des Kantons Aargau vom 13. November 1870, Bern, 16. Mai 1971, Archiv SBB Historic, Lagerstrasse, CH-5210 Windisch
  14. Jürg Conzett u. a.: Schweizer Bahnbrücken. Zürich 2013, S. 101