Ernst Freiherr von Weizsäcker

deutscher Marineoffizier, Diplomat und Politiker (1882-1951)

Ernst Heinrich Weizsäcker, ab 1916 Freiherr von Weizsäcker, (* 25. Mai 1882 in Stuttgart; † 4. August 1951 in Lindau) war ein deutscher Marineoffizier, Diplomat, Staatssekretär des Auswärtigen Amtes und Brigadeführer der Allgemeinen SS. Wegen Mitwirkung an den Deportationen französischer Juden nach Auschwitz wurde er in Nürnberg als Kriegsverbrecher verurteilt. Ernst von Weizsäcker war der Vater des Physikers und Philosophen Carl Friedrich von Weizsäcker und des von 1984 bis 1994 amtierenden Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker.

Ernst Freiherr von Weizsäcker (1938)

Leben und berufliche Entwicklung

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Herkunft

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Ernst Weizsäcker entstammte dem bürgerlichen pfälzisch-württembergischen Geschlecht Weizsäcker. Er war der Sohn des späteren württembergischen Ministerpräsidenten Karl Hugo Weizsäcker (1853–1926) und dessen Ehefrau Paula, geborene von Meibom (1857–1947). Sein Vater war 1916 durch König Wilhelm II. von Württemberg in den erblichen Freiherrnstand erhoben worden.[1] Der Mediziner Viktor von Weizsäcker war sein Bruder.

Kaiserliche Marine

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Nach dem Abitur trat Ernst Weizsäcker am 7. April 1900 als Seekadett in die Kaiserliche Marine ein.[2] Im Zuge seiner zweiundvierzigmonatigen Ausbildung hielt er sich in dieser Zeit insbesondere in Japan, Ostrussland, Burma, Indonesien, China, Thailand und Indien auf. In China besuchte er 1903, gemeinsam mit Werner von Rheinbaben (1878–1975), dem er in diesem Jahr als Leutnant zur See zugeteilt war, und dem Kaisersohn Prinz Adalbert im Auftrag von Kaiser Wilhelm II. die Verbotene Stadt in Peking. Hier hatte er die Gelegenheit, auch kurz der chinesischen Kaiserinwitwe Cixi zu begegnen. Es folgten seine Beförderung zum Oberleutnant zur See im Jahre 1905 sowie die Versetzung in das Torpedoversuchskommando. Im Jahre 1908 wurde er als Wachoffizier auf das Linienschiff Hannover – das Flaggschiff des I. Geschwaders der deutschen Marine – versetzt. Im Folgejahr kam er als Erster Flaggleutnant der Hochseeflotte auf die Deutschland. Nachdem er am 6. September 1909 sein Patent zum Kapitänleutnant erhalten hatte, gehörte er ab 1912 dem Marinekabinett in Berlin an, in dem er in der Abteilung „Orden und Ehrengerichte“ eingesetzt war.

Bei Kriegsbeginn 1914 kam Ernst von Weizsäcker als Admiralstabsoffizier zum II. Admiral des III. Linienschiffsgeschwaders.[3] Im März 1915 wurde er dem Kapitän des Großlinienschiffes Markgraf „zur besonderen Verwendung“ zugewiesen. Es folgten bis 1918 weitere Tätigkeiten, so 1916 seine Teilnahme als Zweiter Flaggoffizier an Bord des Flottenflaggschiffes Friedrich der Große an der Skagerrakschlacht. Am 17. September 1917 wurde er zum Korvettenkapitän befördert[2] und im gleichen Jahr mit beiden Klassen des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet.[4] Ab August 1918 gehörte er wieder dem Admiralstab der Seekriegsleitung unter Admiral Reinhard Scheer an. Im Januar 1919 verhalf er dem am Mord an Karl Liebknecht beteiligten Horst von Pflugk-Harttung (1889–1967) zur Flucht.[5]

Ohne Vorerfahrungen im Bereich der Attachéarbeit löste Ernst von Weizsäcker am 5. Juni 1919 den Marineattaché in der deutschen Gesandtschaft in Den Haag, Erich von Müller (1877–1943), ab. Die sonst übliche Einarbeitungszeit fand auf Grund der äußeren Rahmenbedingungen kurz nach dem Kriegsende und der Gründung der Weimarer Republik nicht statt. Geschäftsträger der Gesandtschaft war damals Friedrich Rosen. Als Ende März 1920 alle deutschen Attachéstellen aufgelöst[6] wurden und er nach Deutschland zurückkehrte, wurde er zum 1. April 1920 probeweise ins Auswärtige Amt in Berlin übernommen.

Auswärtiges Amt

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Obwohl Ernst von Weizsäcker zu diesem Zeitpunkt nicht über die für den Dienst im Auswärtigen Amt vorgeschriebenen Nachweise eines entsprechenden Studiums, noch das diplomatisch-konsularische Examen verfügte, erfolgte sein Einsatz in den ersten Jahren der Weimarer Republik bereits für eine Reihe von diplomatischen Aufgaben. Die Gründe dafür sind vor allem aus der schwierigen Personalsituation nach Zusammenbruch des Kaiserreiches und der dominierenden Besetzung solcher Ämter in der Zeit davor mit Personen aus dem Adelsstand erklärbar. So wurde Weizsäcker Anfang 1921 als Konsul in Basel eingesetzt. Ende 1924 wechselte er als Gesandtschaftsrat nach Kopenhagen, und ab Februar 1927 arbeitete er in Genf im Abrüstungsreferat. Danach folgten sechs Monate in Berlin beim Reichstagsausschuss für Auswärtiges, dann wieder vier Monate in Genf. Anfang 1928 übernahm er die Leitung des Referates für Abrüstung und ab Juli 1931 war er Gesandter in Oslo. Diese Verantwortung hatte er auch über die Zeit der Errichtung des nationalsozialistischen Regierungssystems 1933 in Deutschland inne. Aber er war zu dieser Zeit eher ein Betrachter von außen. So notierte er angesichts des Agierens radikaler Kräfte des neuen Regimes seine Sorge, „dass die ganze Entwicklung aus dem Ruder laufen könnte“. Seine Aufgabe sah er deshalb darin, Hilfe und Unterstützung zu geben, dass die zweite Etappe „konstruktiv wird“.[7] Ab Mai 1933 war er mehrfach nach Berlin befohlen worden und leitete fast zwei Monate die Personalabteilung des Auswärtigen Amtes in Vertretung. Auch dabei wurde seine Haltung deutlich, die darin bestand, „mitmachen, um mitgestalten zu können.“[8]

 
Brief Weizsäckers zur Ausbürgerung von Thomas Mann

Nach dieser kurzen Vertretungsphase in Berlin wurde Ernst von Weizsäcker im September 1933 als Gesandter in Bern eingesetzt, von wo aus der Diplomat in offizieller Funktion am 6. Mai 1936 dem Auswärtigen Amt schrieb, er unterstütze die Ausbürgerung Thomas Manns wegen "feindseliger Propaganda gegen das Reich im Ausland", da dieser „eindeutig gegen das Dritte Reich Stellung genommen und den bisherigen Langmut der deutschen Behörden gegenüber seiner Person mit höhnischen Bemerkungen bedacht“ habe.[9] Kurz nach seiner Rückkehr nach Deutschland Mitte 1936 vertraute ihm Konstantin Freiherr von Neurath die vorläufige Leitung der Politischen Abteilung an. Doch Anfang März 1937 musste er nochmals nach Bern zurückkehren.[10] Offenbar auf Hitlers Wunsch wurde Weizsäcker am 24. März 1937 zum Ministerialdirektor ernannt und seit April 1937 die Leitung der Politischen Abteilung übertragen. Er galt bereits zu dieser Zeit als eine Integrationsfigur, die weit über das Auswärtige Amt hinaus Vertrauen genoss.

Veränderungen traten dann ein, als Joachim von Ribbentrop Anfang 1938 das Amt des Reichsaußenministers übernahm. Dieser hatte Anfang März bei Weizsäcker angefragt, ob er bereit sei, sein Staatssekretär zu werden. Seine Zustimmung gab er vor allem aus der Überlegung heraus, dass er Ribbentrop für beeinflussbar hielt. Weizsäcker beantragte am 19. März 1938 die Aufnahme in die NSDAP und wurde zum 1. April aufgenommen (Mitgliedsnummer 4.814.617).[11] Ebenfalls auf Betreiben Ribbentrops wurde Weizsäcker noch mit Wirkung vom 20. April 1938 von Himmler als SS-Oberführer ehrenhalber in die Allgemeine SS aufgenommen, unterschrieb den Aufnahme- und Verpflichtungsschein der SS bereits am 23. April 1938, worauf er die reguläre SS-Nr. 293.291 erhielt. Den Abschluss dieser nationalsozialistischen Bestallung bildete dann am 9. November 1938 seine offizielle Vereidigung als SS-Führer auf Adolf Hitler.[12] Weizsäcker war mit seiner SS-Aufnahme dem persönlichen Stab Himmlers zugeteilt. Diesem SS-Hauptamt unterstanden vor allem die privaten Organisationen „Lebensborn“, „Freundeskreis Reichsführer SS“, „Ahnenerbe“ und die Wewelsburg.

 
Münchener Abkommen: im Hintergrund Joachim von Ribbentrop und Ernst von Weizsäcker (rechts)

Nach späteren eigenen Aussagen hatte Ernst von Weizsäcker das Amt als Staatssekretär übernommen, weil er in den Jahren bis 1939 hoffte, durch außenpolitische Obstruktion einen Krieg verhindern zu können. Denn nach seinen damaligen Auffassungen war mit einer solchen Entwicklung der Bestand des Deutschen Reiches gefährdet. Als er aus Anlass der Proklamation des „Anschlusses“ Österreichs am 15. März 1938 in Wien weilte, bewertete er diesen schon deutlichen Schritt in Richtung Krieg als den „bemerkungswertesten Tag seit der Proklamation des Kaiserreiches“[13] im Jahr 1871. Als sich daraufhin die Schritte zur Annexion der Tschechoslowakei anschlossen, versuchte er mit diplomatischen Mitteln die offensichtlichen Ereignisse zu verhindern, was ihm aber nicht einmal ansatzweise gelang. Seine Hilflosigkeit wurde ihm auch beim weiteren Drang Hitlers zur Aufrichtung des Protektorats Böhmen und Mähren am 16. März 1939 immer bewusster. Hier hatte er mehrfach mit seinen Demissionsangeboten versucht, seine Haltung deutlich zu machen, besänftigte sich dann selbst mit der Feststellung, dass es doch nicht zum Krieg gekommen sei. Am Ende mündete dieses „noch Haltung zeigen wollen“ in stiller Resignation.[14] Ein nochmaliges Aufbäumen seinerseits erfolgte in der Phase der Kriegsvorbereitungen gegen Polen. Auch in dieser Zeit unternahm er Versuche auf diplomatischen Wegen, dass sich England oder Italien deutlicher gegen Deutschland positionieren mögen, und bot kurz vor dem Überfall auf Polen seinen Rücktritt an. Adolf Hitler lehnte aber seine Rücktrittsforderung ab. Dazu kam, dass sein zweitältester Sohn bereits am zweiten Tag der Kriegsführung gegen Polen fiel. Übrig blieb, obwohl ihm klar war, wohin von nun an Deutschland treiben wird, dass Weizsäcker sich in den kommenden Jahren an der Idee eines „machtpolitischen Aufstiegs Deutschlands“[15] orientierte.

Bereits Anfang der 1930er Jahre und ganz besonders ab 1939 hatte sich Ernst von Weizsäcker stets gegen einen Krieg mit Russland bzw. Stalin ausgesprochen. Aber es lassen sich auch Äußerungen nachweisen, in denen bei ihm die Idee des „Lebensraums im Osten“ mitschwang.[16] Weizsäckers Haltung zu den zunehmenden Bestrebungen, Juden zur Ausreise zu nötigen, paraphrasiert der Schweizer Botschafter in Paris, Walter Stucki, nach einem Gespräch zur Zeit der Reichskristallnacht 1938 so:

"Die noch in Deutschland verbliebenen circa 500 000 Juden sollten unbedingt irgendwie abgeschoben werden, denn sie könnten in Deutschland nicht bleiben. Wenn, wie bisher, jedoch kein Land bereit sei, sie aufzunehmen, so gingen sie eben über kurz oder lang ihrer vollständigen Vernichtung entgegen".[17]

Spätestens zum Zeitpunkt der Wannseekonferenz, an der sein Unterstaatssekretär Martin Luther teilnahm, war Weizsäcker über die Ziele der Judenpolitik im Dritten Reich informiert. Im März und Juni 1942 wurde er schriftlich durch Franz Rademacher, den Leiter des „Judenreferats“ im Auswärtigen Amt, über „Künftige Maßnahmen gegen Mischlinge I. und II. Grades“[18] und die „Frage der Sterilisierung der 70.000 Mischlinge“[19] informiert.

Trotz angeblich schwerwiegender Differenzen mit seinem Vorgesetzten, Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop, verblieb Ernst von Weizsäcker bis 1943 in der Funktion des 1. Staatssekretärs im Außenministerium des Dritten Reiches. Erst im Juni 1943 schien das Übermaß erreicht zu sein, dass er tatsächlich sein Amt niederlegte. Sein Nachfolger als Staatssekretär wurde am 31. März 1943 der bisherige Ministerialdirigent Gustav Adolf Steengracht von Moyland. Er selbst wurde am 24. Juni 1943 angesichts der bevorstehenden Niederlage auf eigenen Wunsch zum deutschen Botschafter beim Heiligen Stuhl in Rom ernannt. Zu Papst Pius XII. und Pater Robert Leiber hatte er nach eigenen Angaben ein freundschaftliches Verhältnis. Mit der Befreiung Roms im Juni 1944 wurde die deutsche Botschaft in den Vatikan verlegt, wo Weizsäcker auch nach der Kapitulation Deutschlands bis August 1946 blieb.[20]

Verurteilung wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit

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Ernst Heinrich von Weizsäcker als ein Hauptangeklagter im Wilhelmstraßen-Prozess gegen ranghohe NS-Ministerialbeamte

Ernst von Weizsäcker ging zuerst freiwillig unter päpstlichem Schutz und unter Zusagen Frankreichs als freier Zeuge nach Nürnberg. Dort wurde er im Juli 1947 von den Amerikanern verhaftet. In Nürnberg – im so genannten Wilhelmstraßen-Prozess – wurde er als Kriegsverbrecher angeklagt. Seine Verteidiger waren Hellmut Becker und Warren Magee. Am 6. Februar 1948 wurde unter anderem der Diplomat und Verwaltungsjurist Otto Bräutigam als Zeuge vernommen.[21] Am 14. April 1949 wurde Weizsäcker wegen seiner aktiven Mitwirkung bei der Deportation französischer Juden nach Auschwitz und damit wegen eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit zu sieben Jahren Haft verurteilt. Erst im Zug einer nochmaligen Überprüfung des Verfahrens und der ausgesprochenen Strafen im Dezember 1949 wurde seine Haftzeit von sieben auf fünf Jahre reduziert. Im Zuge einer allgemeinen Amnestie wurde er dann am 16. Oktober 1950 aus dem Kriegsverbrechergefängnis Landsberg entlassen.[22] Dem Gericht lagen zum Zeitpunkt des Urteils allerdings nicht alle heute bekannten Dokumente vor. Sein Sohn Richard von Weizsäcker trat in dem Prozess neben Sigismund von Braun als sein Hilfsverteidiger auf und plädierte wie damals üblich auf die vollkommene Unwissenheit und Unschuld seines Vaters. Er bezeichnete das Urteil später immer als „historisch und moralisch ungerecht“.[23] Joschka Fischer, Bundesaußenminister 1998 bis 2005, setzte 2005 eine unabhängige Historikerkommission ein. Eines ihrer Mitglieder, der Historiker Norbert Frei sagte 2010,[24] die Ergebnisse seien das „Ende der Weizsäcker-Legende“.[25] Die besondere Vater-Sohn-Konstellation vor Gericht sowie das insgesamt komplexe Verhältnis von Ernst und Richard von Weizsäcker, insbesondere während des Nürnberger Wilhelmstraßen-Prozesses, sind in dem preisgekrönten dokufiktionalen Buch Die Verteidigung von Fridolin Schley aufgearbeitet.

Weizsäcker hatte Deportationsbefehle für französische Juden in das Konzentrationslager Auschwitz abgezeichnet.[26] Vor Gericht verteidigte er sich mit dem Argument, die in Frage kommenden Juden seien schon interniert und in Gefahr gewesen. Man hätte sehr leicht zu dem Schluss kommen können, dass sie bei der Deportation in den Osten weniger Gefahr laufen würden als an ihrem jetzigen Aufenthaltsort; zu jener Zeit habe der Name Auschwitz für niemanden etwas Besonderes bedeutet. Die Richter bezweifelten diese Darstellung.

Seine Strategie zu behaupten, von den Vernichtungslagern erst nach dem Krieg erfahren sowie die verschleiernde Terminologie der „Endlösung der Judenfrage“ und den „Arbeitseinsatz im Osten“ nicht durchschaut zu haben, wurde von den meisten damaligen Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes genutzt. Allerdings gibt es Indizien für seine Kenntnis vom verbrecherischen Vorgehen des NS-Staates gegenüber Juden, zum Beispiel die Vortragsnotiz vom 10. Dezember 1941 des Unterstaatssekretärs Luther, Teilnehmer der Wannseekonferenz. Diese hatte er zum Vorgehen der Einsatzgruppen für den Reichsaußenminister vorbereitet. Weizsäcker hat sie zur Kenntnis genommen und mit seiner Paraphe versehen. Im Berichtsteil „Judentum“ findet sich Folgendes:

„Im Reichskommissariat Ostland wurde […] eine Festnahmeaktion sämtlicher Juden […] eingeleitet, […] etwa 2.000 […]. Die männlichen über 16 Jahre alten Juden wurden mit Ausnahme der Ärzte und der Judenältesten exekutiert […]. In der Ukraine wurden als Vergeltungsmaßnahmen für die Brandstiftungen in Kiew dortselbst sämtliche Juden verhaftet und Ende September d. J. insgesamt mehr als 33 000 Juden hingerichtet. In Shitomir wurden mehr als 3.000 Juden zur Vermeidung der Anstiftung von Sabotage durch sie erschossen. Im Raum ostwärts des Dnjepr wurden annähernd 5.000 Juden erschossen.“

Dem war der Tätigkeits- und Lagebericht Nr. 6 der Einsatzgruppen beigefügt. Dort findet sich folgende Passage:

„Die Lösung der Judenfrage wurde insbesondere im Raum ostwärts des Dnjepr seitens der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD energisch in Angriff genommen. Die von den Kommandos neu besetzten Räume wurden judenfrei gemacht. Dabei wurden 4 891 Juden liquidiert.“

 
Grab Ernst von Weizsäckers und seiner Frau Marianne in Stuttgart

Weizsäcker veröffentlichte 1950 seine im Gefängnis verfassten Erinnerungen, in denen er versuchte, seine Rolle während der NS-Zeit zu rechtfertigen und sich als Mann des Widerstands darzustellen. Im Oktober 1950 kam er nach dreieinviertel Jahren Haft frei.[27] Die vorzeitige Entlassung war nach einer eingehenden Prüfung seines Falles durch das Rechtsamt des amerikanischen Hohen Kommissars McCloy verfügt worden.

Weizsäcker starb im August 1951 in einem Krankenhaus in Lindau am Bodensee an Folgen eines Schlaganfalls. Er wurde auf dem Solitude-Friedhof in Stuttgart bestattet, wo sein Sohn Heinrich Viktor (* 1917, gefallen am 2. September 1939) bestattet war. Seine Frau Marianne (1889–1983) wurde dort auch bestattet.[28]

Auszeichnungen

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1942 bekam Weizsäcker von Heinrich Himmler den Ehrendegen des Reichsführers SS und den SS-Totenkopfring verliehen.[29] Am 30. Januar 1942 wurde er in den Rang eines SS-Brigadeführers befördert.[30] Dienststellenmäßig war er administrativ dem Persönlichen Stab Himmlers zugeteilt. Trotz seines Generalsranges in der SS hatte Weizsäcker keinerlei Befehlsgewalt über SS-Einheiten.

1911 heirateten Weizsäcker und Marianne von Graevenitz (1889–1983). Sie war die Tochter des Generals Friedrich von Graevenitz, Generaladjutant des Königs Wilhelm II. von Württemberg. Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor, von denen vier das Erwachsenenalter erreichten:

  • Carl Friedrich (1912–2007), Physiker und Philosoph
  • Ernst Viktor (*/† 1915), starb als Säugling
  • Adelheid (1916–2004) ⚭ Botho-Ernst Graf zu Eulenburg-Wicken (1903–1944)
  • Heinrich (1917–1939), gefallen während des Überfalls auf Polen am 2. September 1939 in unmittelbarer Nähe seines Bruders Richard, der ihn beerdigte[31]
  • Richard (1920–2015), Politiker und späterer deutscher Bundespräsident

Veröffentlichungen

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  • Richard von Weizsäcker (Hrsg.): Erinnerungen. List, München / Leipzig / Freiburg 1950.
  • Aus seinen Gefängnisbriefen 1947–1950. Scheufele, Stuttgart (o. J. [1955]).
  • Leonidas E. Hill (Hrsg.): Die Weizsäcker-Papiere 1933–1950. Propyläen-Verlag, Berlin / Frankfurt am Main / Wien 1974, ISBN 3-549-07306-2 (Tagebücher, Briefe und andere Dokumente).

Literatur

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  • Hellmut Becker: Wortlaut des Plädoyers für Ernst von Weizsäcker beim Wilhelmstraßen-Prozess (1948). in: ders.: Quantität und Qualität, Grundfragen der Bildungspolitik. Freiburg im Breisgau 1968, S. 13–58.
  • Rainer A. Blasius: Für Großdeutschland – gegen den großen Krieg. Staatssekretär Ernst Frhr. von Weizsäcker in den Krisen um die Tschechoslowakei und Polen 1938/39. Böhlau, Köln/Wien 1981, ISBN 3-412-00781-1.
  • Margret Boveri: Der Diplomat vor Gericht. Minerva Verlag, Berlin/Hannover 1948.
  • Christopher R. Browning: The Final Solution and the German Foreign Office. A Study of Referat D III of Abteilung Deutschland 1940–1943. Holmes & Meier, New York/London 1978, ISBN 0-8419-0403-0.
  • Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes, Moshe Zimmermann: Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik. Karl Blessing Verlag, München 2010, ISBN 978-3-89667-430-2.
  • Anselm Doering-Manteuffel: Flucht oder Dienst? Ernst von Weizsäcker 1943–1945, in: Michael Matheus, Stefan Heid (Hrsg.): Orte der Zuflucht und personeller Netzwerke. Der Campo Santo Teutonico und der Vatikan 1933–1945. (= Römische Quartalschrift für Christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte, Supplementband 63), Herder, Freiburg, Basel und Wien 2015, S. 222–237.
  • Hans-Jürgen Döscher: Das Auswärtige Amt im Dritten Reich. Diplomatie im Schatten der „Endlösung“. Siedler Verlag, Berlin 1987, ISBN 3-88680-256-6; Ullstein, Frankfurt/Berlin 1991, ISBN 3-548-33149-1.
  • Hans-Jürgen DöscherWeizsäcker, Ernst Freiherr von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 27, Duncker & Humblot, Berlin 2020, ISBN 978-3-428-11208-1, S. 713 f. (Digitalisat).
  • Leonidas E. Hill: The Vatican Embassy of Ernst von Weizsäcker. In: The Journal of Modern History Vol. 39, No. 2 (June, 1967), S. 138–159
  • Karl-Joseph Hummel: Widerstand im Wartestand 1943–1946? Ernst von Weizsäcker als Botschafter beim Heiligen Stuhl. In: Michael Matheus, Stefan Heid (Hrsg.): Orte der Zuflucht und personeller Netzwerke. Der Campo Santo Teutonico und der Vatikan 1933–1945. (= Römische Quartalschrift für Christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte, Supplementband 63), Herder, Freiburg, Basel und Wien 2015, S. 238–268.
  • Jobst Knigge: Der Botschafter und der Papst. Weizsäcker und Pius XII. Die deutsche Vatikanbotschaft 1943–1945. Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2008, ISBN 978-3-8300-3467-4.
  • Rolf Lindner: Freiherr Ernst Heinrich von Weizsäcker, Staatssekretär Ribbentrops von 1938 bis 1943. Robe-Verlag, Lippstadt 1997, ISBN 3-9800405-3-4.
  • Léon Poliakov, Joseph Wulf: Das Dritte Reich und seine Diener. Dokumente. arani-Verlag, Berlin 1956; Ullstein, Frankfurt/Berlin/Wien 1983, ISBN 3-548-33037-1.
  • Dirk Pöppmann: „Im Amt geblieben, um Schlimmeres zu verhüten“. Ernst von Weizsäckers Opposition aus Sicht der US-Anklage. In: Jan Erik Schulte, Michael Wala (Hrsg.): Widerstand und Auswärtiges Amt. Diplomaten gegen Hitler. Siedler Verlag, München 2013, S. 251–270.
  • Stephan Schwarz: Ernst Freiherr von Weizsäckers Beziehungen zur Schweiz (1933–1945). Ein Beitrag zur Geschichte der Diplomatie. Lang, Bern [u. a.] 2007, ISBN 978-3-03911-207-4. (Dissertation an der Universität Zürich)
  • Marion Thielenhaus: Zwischen Anpassung und Widerstand: Deutsche Diplomaten 1938–1941. Die politischen Aktivitäten der Beamtengruppe um Ernst von Weizsäcker im Auswärtigen Amt. 2., durchges. Auflage. Schöningh, Paderborn 1985, ISBN 3-506-77467-0.
  • Ulrich Völklein: Die Weizsäckers. Macht und Moral – Porträt einer deutschen Familie. Droemer Verlag, München 2004, ISBN 978-3426273197.
  • Martin Wein: Die Weizsäckers. Geschichte einer deutschen Familie. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1988, ISBN 3-426-02417-9, S. 204–340.
Belletristik
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Commons: Ernst von Weizsäcker – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Paul Sauer: Württembergs letzter König. Das Leben Wilhelms II. Stuttgart 1994, S. 271.
  2. a b Marinekabinett (Hrsg.): Rangliste der Kaiserlich Deutschen Marine. Ernst Siegfried Mittler und Sohn, Berlin 1918, S. 27.
  3. Rolf Lindner: Freiherr Ernst Heinrich von Weizsäcker, Staatssekretär Ribbentrops von 1938 bis 1943. Lippstadt 1997, S. 80 f. (dort Verweis auf Bundesarchiv-Militärarchiv, RM 2, 1149, Fiche 1).
  4. Cordula Gehse: Ernst Freiherr von Weizsäcker. Tabellarischer Lebenslauf im LeMO (DHM und HdG)
  5. Klaus Wiegrefe: Der stille Revolutionär. In: Der Spiegel. Nr. 11, 2010, S. 70 (online).
  6. Manfred Kehring, Die Wiedereinrichtung des deutschen militärischen Attachédienstes nach dem Ersten Weltkrieg (1919–1933), Harald Boeldt Verlag, Boppard am Rhein, 1966, S. 34ff.
  7. Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes, Moshe Zimmermann: Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik. München 2010, S. 30.
  8. hier zitierte Weizsäcker das Credo des damaligen Botschafters Ulrich von Hassell; Ernst von Weizsäcker: Erinnerungen, List Verlag München 1950, S. 144.
  9. zitiert nach Sven Felix Kellerhoff: „Kann denn blauäugig gehorsame und stramme Biederkeit deutsch sein?“, in Die Welt, Online-Ausgabe 17.10.2020 - Sven Felix Kellerhoff: „Kann denn blauäugig gehorsame und stramme Biederkeit deutsch sein?“ Abgerufen am 20. Oktober 2010.
  10. W. Geldakte 2, 156
  11. Hans-Jürgen Döscher: Das Auswärtige Amt im Dritten Reich. Diplomatie im Schatten der Endlösung. Berlin 1987, S. 181ff, hier S. 184.
  12. Hans-Jürgen Döscher: Das Auswärtige Amt im Dritten Reich. Diplomatie im Schatten der Endlösung. Berlin 1987, S. 185f, S. 187.
  13. Schreiben Weizsäckers vom 15. März 1938; in: Ernst von Weizsäcker, Die Weizsäcker-Papiere, Hrsg. Leonidas Hill, Band 2, Berlin 1974, S. 123.
  14. Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes, Moshe Zimmermann: Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik. Karl Blessing Verlag, München 2010, ISBN 978-3-89667-430-2, S. 135.
  15. Notiz Erich von Weizsäckers vom 5. September 1939; in: Ernst von Weizsäcker, Die Weizsäcker-Papiere, Hrsg. Leonidas Hill, Band 2, Berlin 1974, S, 163f.
  16. „Unsere Kolonien liegen in Rußland“, „Rußland wird unser Indien“, „Über Leningrad muss der Pflug gehen“, „Man mag Stalin am Leben lassen“, „Stalin und Churchill lieben wir fast“, „wir planen eine Spurweite von drei Metern“, „Die Bevölkerung darf nicht wieder eine Intelligenz bilden. Sie muss fronen“. Lindner S. 274ff.
  17. Walter Stucki: Bericht Nummer 51 an den Chef des Eidgenössischen Politischen Departements vom 15.11.1938. In: Susanne Heim (Hrsg.): Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945. Band 2: Deutsches Reich 1938 – August 1939. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2009, ISBN 978-3-486-58523-0, S. 449.
  18. Franz Rademacher: „Künftige Maßnahmen gegen Mischlinge I. und II. Grades“. (PDF) Auswärtiges Amt, 11. Juni 1942, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 13. Juni 2010; abgerufen am 27. April 2010.
  19. Franz Rademacher: „Aufzeichnung“. (PDF) Auswärtiges Amt, 7. März 1942, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 25. Mai 2010; abgerufen am 27. April 2010.
  20. Jobst Knigge: Der Botschafter und der Papst. Weizsäcker und Pius XII. Die deutsche Vatikanbotschaft 1943–1945. Hamburg 2008.
  21. H. D. Heilmann: Aus dem Kriegstagebuch des Diplomaten Otto Bräutigam. In: Götz Aly u. a. (Hrsg.): Biedermann und Schreibtischtäter. Materialien zur deutschen Täter-Biographie. Institut für Sozialforschung in Hamburg: Beiträge zur nationalsozialistischen Gesundheits- und Sozialpolitik 4, Berlin 1987, ISBN 3-88022-953-8, S. 123 f.
  22. Hermann Weiß (Hrsg.): Biographisches Lexikon zum Dritten Reich. Frankfurt am Main 1998, S. 485.
  23. Diplomat des Teufels. einestages; abgerufen am 20. März 2010
  24. Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes, Moshe Zimmermann: Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik. Verlag Karl Blessing, München 2010.
  25. Volker Ullrich: Das Ende der Weizsäcker Legende. Ein Gespräch mit Norbert Frei. In: Die Zeit Nr. 44 / 2010; 28. Oktober 2010.
  26. Heinrich Senfft: „Einer, dem man glaubt“ auf der Website der Stiftung für Sozialgeschichte.
  27. Ernst von Weizsäcker. In: Die Zeit, Nr. 42/1950
  28. [1]
  29. 3. Oktober 1942 an Himmler: „Hiermit melde ich den Empfang des mir vom Reichsführer SS verliehenen Totenkopfrings.“ in: Rolf Lindner: Freiherr Ernst Heinrich von Weizsäcker, Staatssekretär Ribbentrops von 1938 bis 1943. Robe-Verlag, Lippstadt 1997, ISBN 3-9800405-3-4, hier: Anlage 24.
  30. SS-Dienstaltersliste vom 30. Januar 1942, laufende Nr. 261
  31. Martin Doerry, Klaus Wiegrefe: Es war grauenhaft. In: Der Spiegel. Nr. 35, 2009, S. 70–73 (online). Zitat: „Der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker, 89, über seine Zeit als Soldat im Zweiten Weltkrieg, den Widerstand gegen Adolf Hitler und die Frage, ob sein Vater Ernst als Staatssekretär im Auswärtigen Amt Judendeportationen hätte verhindern können“
  32. Norbert Frei: Vaterverteidiger. Rezension in: Süddeutsche Zeitung Nr. 185, 13. August 2021, S. 5.
VorgängerAmtNachfolger
Roland KösterGesandter des Deutschen Reichs in Norwegen
1931–1933
Heinrich Rohland
Adolf Gustav MüllerGesandter des Deutschen Reichs in der Schweiz
1933–1937
Otto Carl Köcher
Hans Georg von MackensenStaatssekretär des Auswärtigen Amts des Deutschen Reichs
1938–1943
Gustav Adolf Steengracht von Moyland
Diego von BergenBotschafter des Deutschen Reichs beim Heiligen Stuhl
1943–1945
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