Gewände

schräg in das Mauerwerk geschnittene, seitliche Begrenzung eines Portals, eines Fensters oder einer Schießscharte
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Das Gewände oder die Ausschrägung ist im Bauwesen die schräg in eine Wand oder Mauer geschnittene, seitliche Begrenzung eines Fensters, eines Portals oder einer Schießscharte, begrifflich im Unterschied zur senkrecht in die Wand geschnittenen Laibung.[1][2][3]

Romanisches Fenster mit Gewände (St. Peter und Paul, Altweitra)

Begriff und Funktionen

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Der Begriff Gewände leitet sich vom Wort Wand ab und meinte allgemein den Teil der Wand, der eine Öffnung umschließt, und zwar offenbar ursprünglich noch ohne Unterscheidung, ob die Öffnung schräg oder gerade in die Wand eingeschnitten ist.[4]

Entsprechend den unterschiedlichen Arten der Fassadenöffnungen erfüllen abgeschrägte Gewände verschiedene Funktionen, ganz abgesehen davon, dass sie allgemein die Maueröffnung in ihrer Tiefe gestalterisch betonen:

  • Fenstergewände mit Abschrägungen nach außen verbessern den Lichteinfall ins Gebäude;
  • Schießscharten als Mauerspalte mit Abschrägungen nach innen verhindern feindliche Einsehbarkeit und dienen dem besseren Schutz gegen Feinde;
  • Portalgewände sind oft eigentlich mehrfach gestuft (Stufengewände) und ermöglichen dadurch die repräsentative Einstellung von Säulen und Skulpturen (Gewändefiguren).

Portalgewände mit Gewändefiguren

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Gewände am Fürstenportal des Bamberger Doms (ca. 1225)

Die ersten fest mit der tragenden Struktur verbundenen, daher Säulenstatuen genannten Gewändefiguren wurden vor 1140 für die frühgotische Westfassade der ehemaligen Abteikirche von Saint-Denis (Seine-Saint-Denis) geschaffen. Sie gingen im 18. Jahrhundert verloren. Ähnliche Gewändefiguren finden sich in den Westportalen (1145/55) der Kathedrale von Chartres. Ab dem 13. Jahrhundert[5] wurde das Gewände, insbesondere von Kirchenportalen, zunehmend betont, während die Säulenstatuen sich zu eigenständigen, frei vor dem Gewände stehenden Rundfiguren entwickelten.[6]

Ästhetische Kritik der Türgewände

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Johann Georg Sulzer kritisierte 1774 in seiner „Theorie der schönen Künste“ die Anwendung von Gewänden an Türen so: „In Berlin ist der schlechte Geschmak aufgekommen, die Gewände und den Bogen der Hausthüren perspektivisch zu machen, welches ganz ungereimt ist. Denn andrer Gründe zu geschweigen, so macht diese seltsame Veranstaltung entweder, daß die Oefnung der Thüre zu klein, und so gar kleiner als die Oefnung der Fenster wird, oder, wenn die Oefnung ihre rechte Größe hat, so wird der äußere Umriß der Bekleidung zu groß.“[7]

Nationale Besonderheit

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Auch wenn der Figurenschmuck immer frontal zum Besucher angebracht ist, werden die häufig tiefenräumlich und figürlich gestalteten Portaleinfassungen indischer Tempel ebenfalls manchmal als ‚Gewände‘ bezeichnet.

Literatur

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  • Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 14. Januar 2024), S. 211.
  • Wilfried Koch: Baustilkunde. Europäische Baukunst von der Antike bis zur Gegenwart. Mosaik Verlag, München 1982, ISBN 3-570-06234-1, S. 415.
  • Oscar Mothes (Hrsg.): Illustrirtes Bau-Lexikon: praktisches Hülfs- und Nachschlagebuch im Gebiete des Hoch- und Flachbaues, Land- und Wasserbaues, Mühlen- und Bergbaues, des Schiffs- und Kriegsbaukunst sowie der mit dem Bauwesen in Verbindung stehenden Gewerbe, Künste und Wissenschaften, Bd. 2: C bis G, Leipzig 1882, S. 442. (Digitalisat auf digi.ub.uni-heidelberg.de, abgerufen am 14. Januar 2024)
  • Anni Wagner: Von Ädikula bis Zwerggalerie. Hundert Begriffe der Architektur in Bildern vorgestellt. Verlag Carl Thiemig, München 1975, ISBN 3-521-04056-9, S. 98.

Einzelnachweise

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  1. Wilfried Koch: Baustilkunde. Europäische Baukunst von der Antike bis zur Gegenwart. Mosaik Verlag, München 1982, ISBN 3-570-06234-1, S. 415.
  2. Anni Wagner: Von Ädikula bis Zwerggalerie. Hundert Begriffe der Architektur in Bildern vorgestellt. Verlag Carl Thiemig, München, 1975, S. 98.
  3. Die Unterscheidung der Begriffe in Gewände (schräg eingeschnitten) und Laibung (gerade eingeschnitten) ist in der Fachliteratur selten, sondern die Begriffe werden oft gleichbedeutend verwendet. Hans Koepf und Günther Binding erklären in ihrem Bildwörterbuch-Standardwerk sogar ausdrücklich: „Leibung, oft schräg verlaufende Begrenzung (Gewände) einer Maueröffnung“; vgl. Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 14. Januar 2024), S. 304: Laibung.
  4. gewände2. In: Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 5 (1904), Bd. IV,I,III (1911), Sp. 5284, Z. 29. Abgerufen am 14. Januar 2024.
  5. Johannes Jahn, Wolfgang Haubenreißer: Wörterbuch der Kunst (= Kröners Taschenausgabe. Band 165). 10., durchgesehene und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 1983, ISBN 3-520-16510-4, S. 270.
  6. Georges Duby, Jean-Luc Duval: La Sculpture. De l'antiquité au moyen âge. Du VIIIe siècle avant J.-C. au XVe siècle. Deuxième partie: Le grand art du moyen-âge, du Ve au XVe siècle. Bénédikt Taschen Verlag, Köln u. a. 1999, ISBN 3-8228-7102-8, S. 350.
  7. Johann Georg Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 1155–1156 (Thür), hier S. 1156. (Digitalisat auf zeno.org, abgerufen am 14. Januar 2024)