Tremolit

Calcium-Amphibol Mineral
(Weitergeleitet von Grammatit)

Tremolit (IMA-Symbol Tr[2]) ist ein häufig vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Silikate und Germanate“ mit der chemischen Zusammensetzung ☐Ca2(Mg5.0-4.5Fe2+0.0-0.5)Si8O22(OH)2[1] und damit chemisch gesehen ein komplexes Calcium-Silikat mit zusätzlichen Hydroxidionen sowie Magnesium und Eisen mit in gewissen Grenzen variierenden Gehalten. Strukturell gehört Tremolit zu den Kettensilikaten und dort zur Gruppe der Calcium-Amphibole.

Tremolit
Tremolit aus Campolungo, Tessin, Schweiz (Größe: 11 × 9 cm)
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

2012 s.p.[1]

IMA-Symbol

Tr[2]

Chemische Formel
  • ☐Ca2(Mg5.0-4.5Fe2+0.0-0.5)Si8O22(OH)2[1]
  • Ca2Mg5[(OH,F)|Si4O11]2[3]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Silikate und Germanate – Kettensilikate und Bandsilikate
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

VIII/D.05b
VIII/F.10-010

9.DE.10
66.01.03a.01
Ähnliche Minerale Wollastonit
Kristallographische Daten
Kristallsystem monoklin
Kristallklasse; Symbol monoklin-prismatisch; 2/m
Raumgruppe C2/m (Nr. 12)Vorlage:Raumgruppe/12[3]
Gitterparameter a = 9,86 Å; b = 18,05 Å; c = 5,29 Å
β = 104,8°[3]
Formeleinheiten Z = 2[3]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 5 bis 6[4]
Dichte (g/cm3) gemessen: 2,99 bis 3,03; berechnet: 2,964[4]
Spaltbarkeit vollkommen nach {110}; Querabsonderungen unter 56° und 124°[4]
Bruch; Tenazität uneben bis muschelig; spröde[4]
Farbe weiß, grau, braun, grün, violett bis rosa
Strichfarbe weiß
Transparenz durchsichtig bis durchscheinend
Glanz Glasglanz, Seidenglanz, matt
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,599 bis 1,612[5]
nβ = 1,613 bis 1,626[5]
nγ = 1,625 bis 1,637[5]
Doppelbrechung δ = 0,026[5]
Optischer Charakter zweiachsig negativ
Achsenwinkel 2V = 88 bis 80° (gemessen); 82 bis 84° (berechnet)[5]
Pleochroismus farblos
Weitere Eigenschaften
Besondere Merkmale Fluoreszenz

Tremolit kristallisiert im monoklinen Kristallsystem und entwickelt meist säulige, nadelige und radialstrahlige Kristalle. er findet sich aber auch in Form faseriger bis körniger Mineral-Aggregate. Das Mineral kann je nach Art und Menge von Fremdbeimengungen verschiedene Farben annehmen. Bei 100 % Magnesium erscheint er meist weiß, bei geringen Beimengungen von Eisen grünlich. Daneben kommen auch graue, braune und rosa bis violette Farbtöne vor. Mit steigendem Eisengehalt wird die Farbe immer dunkler. Die Strichfarbe des Minerals ist dagegen immer weiß.

Unverletzte Kristalle sind meist durchsichtig und zeigen einen glasähnlichen Glanz auf den Oberflächen. Aggregatformen sind dagegen eher durchscheinend mit einem seidenähnlichen Oberflächenschimmer.

Tremolit ist das Endglied der Tremolit-Aktinolith-Ferro-Aktinolith-Mischreihe mit variabel austauschbaren Magnesium-Ionen (Tremolit) und Eisen-Ionen (Ferro-Aktinolith).

Etymologie und Geschichte

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Tremolit aus dem Val Tremola, Schweiz

Erstmals entdeckt wurde Tremolit bei Campolungo im Val Piumogna im Schweizer Kanton Tessin. Die Erstbeschreibung erfolgte 1790 durch Johann Georg Albrecht Höpfner, der das Mineral nach dem am Gotthardpass liegenden Val Tremola benannte, welches er irrtümlich als Typlokalität dokumentiert hatte.[6]

Das Typmaterial des Minerals wird im Muséum d’histoire naturelle de la Ville de Genève in Genf unter der Sammlungs-Nr. HBS 1022 (HT) und im Kantonalen Geologiemuseum in Lausanne unter den Sammlungs-Nr. MGL 60746 und MGL 60787 aufbewahrt.[7][8]

Klassifikation

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Bereits in der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Tremolit zur Mineralklasse der „Silikate und Germanate“ und dort zur Abteilung der „Kettensilikate und Bandsilikate (Inosilikate)“, wo er zusammen mit Aktinolith und Ferro-Aktinolith (ehemals Ferroaktinolith) die „Aktinolith-Reihe“ mit der System-Nr. VIII/D.05b innerhalb der Gruppe der „Klinoamphibole“ bildete.

Im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. VIII/F.10-10. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies ebenfalls der Abteilung „Ketten- und Bandsilikate“, wo Tremolit zusammen mit Aktinolith, Chromio-Pargasit, Edenit, Ferri-Kaersutit, Ferro-Aktinolith, Ferro-Edenit, Ferro-Ferri-Hornblende, Ferro-Hornblende, Ferro-Pargasit, Ferro-Tschermakit, Fluoro-Cannilloit, Fluoro-Edenit, Fluoro-Pargasit, Fluoro-Tremolit, Hastingsit, Kaersutit, Kalium-Chloro-Hastingsit, Kalium-Chloro-Pargasit, Kalium-Ferro-Ferri-SadanagaitKalium-Ferro-Pargasit, Kalium-Fluoro-Hastingsit, Kalium-Fluoro-Pargasit, Kalium-Hastingsit, Kalium-Magnesio-Hastingsit, Kalium-Pargasit, Kalium-Sadanagait, Magnesio-Ferri-Fluoro-Hornblende, Magnesio-Fluoro-Hastingsit, Magnesio-Hastingsit, Magnesio-Hornblende, Oxo-Magnesio-Hastingsit, Pargasit, Sadanagait und Tschermakit die Gruppe der „Ca2-Amphibole“ bildet. Zusätzlich werden in dieser Systematik neben Ferro-Ferri-Tschermakit, Ferro-Kaersutit, Ferri-Sadanagait und Ferro-Sadanagait als bisher nur hypothetisch bekannten Endgliedern von Mischreihen noch die inzwischen diskreditierten Kalium-Magnesio-Sadanagait, Magnesio-Sadanagait, Parvo-Mangano-Edenit und Parvo-Manganotremolit als weitere Gruppenmitglieder genannt.[9]

Auch die von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[10] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Tremolit in die Abteilung der „Ketten- und Bandsilikate“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der Struktur der Kettenbildung und der Zugehörigkeit zu einer größeren Gruppe verwandter Minerale, so dass Tremolit entsprechend seinem Aufbau in der Unterabteilung „Ketten- und Bandsilikate mit 2-periodischen Doppelketten, Si4O11; Amphibol-Familie, Klinoamphibole“ zu finden ist, wo er in der Gruppe der „Ca-Klinoamphibole, Tremolitgruppe“ mit der System-Nr. 9.DE.10 zu finden ist.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Tremolit in die Klasse der „Silikate und Germanate“, dort allerdings in die bereits feiner unterteilte Abteilung der „Kettensilikate: Doppelte unverzweigte Ketten, W=2“. Hier ist er in der „Gruppe 2, Calcium-Amphibole“ mit der System-Nr. 66.01.03a innerhalb der Unterabteilung der „Kettensilikate: Doppelte unverzweigte Ketten, W=2 Amphibol-Konfiguration“ zu finden.

Kristallstruktur

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Tremolit kristallisiert monoklin in der Raumgruppe C2/m (Raumgruppen-Nr. 12)Vorlage:Raumgruppe/12 mit den Gitterparametern a = 9,86 Å; b = 18,05 Å; c = 5,29 Å und β = 104,8° sowie 2 Formeleinheiten pro Elementarzelle.[3]

Eigenschaften

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Tremolit im Tageslicht und unter kurzwelligem UV-Licht hellblau fluoreszierend aus Franklin, Sussex County, New Jersey, USA

Je nach Fundort zeigen manche Tremolite unter kurzwelligem UV-Licht eine bläuliche, aber auch grüne, orange, rosa bis rote oder weiße und unter langwelligem UV-Licht eine orange oder rosa bis rote Fluoreszenz.[11]

Modifikationen und Varietäten

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Eine Varietät ist das sogenannte Bergleder, das aus miteinander verfilzten Mineralfasern besteht und im Aussehen dem Leder recht ähnlich sieht.

Hexagonit ist eine durch geringe Beimengungen an Mangan violette Varietät von Tremolit.

Mit Aktinolith bildet Tremolit eine lückenlose Mischungsreihe. Die entsprechenden Mischkristalle, die eine große Härte besitzen, werden als Nephrit und wegen ihrer charakteristischen grünlichen Färbung auch als Jade (neben dem vorwiegend aus Jadeit bestehenden Gestein) bezeichnet.

Bildung und Fundorte

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Faseriger Tremolit aus dem Vallée d’Aure, Département Hautes-Pyrénées, Frankreich

Tremolit bildet sich metamorph und kommt in Talkschiefern und oft auch in unreinen kristallinen Varietäten dolomitischen Kalksteines vor. Weniger häufig tritt es in Pyroxenlagern von Eruptivgesteinen auf. Begleitminerale sind unter anderem Calcit, Cummingtonit, Diopsid, Dolomit, Forsterit, calciumhaltige Granate, Talk, Magnesio-Cummingtonit, Riebeckit, Winchit und Wollastonit.[4]

Als häufige Mineralbildung ist Tremolit an vielen Orten anzutreffen, wobei weltweit bisher fast 3000 Fundstätten dokumentiert sind (Stand 2022).[12] Neben seiner Typlokalität Campolungo im Val Piumogna und dem Val Tremola am Gotthardpass wurde das Mineral in der Schweiz noch bei Fusio im tessiner Bezirk Vallemaggia, am Ofenhorn und am Geisspfad im Binntal sowie bei Martigny im Kanton Wallis gefunden.

In Deutschland fand man Tremolit bisher unter anderem am Silberberg bei Todtnau in Baden-Württemberg, an mehreren Orten des Frankenlandes und Niederbayerns, bei Roßbach (Bensheim) im hessischen Odenwald, bei Bad Harzburg in Niedersachsen, bei Breitenbrunn/Erzgeb., Schneeberg und Beierfeld im Erzgebirge und bei Oelsnitz im Vogtland in Sachsen sowie bei Barmstedt und Schönberg in Schleswig-Holstein.

In Österreich konnte das Mineral an mehreren Orten im Burgenland, in Kärnten, Niederösterreich, Salzburg, der Steiermark sowie im Tiroler Inn- und Zillertal nachgewiesen werden.

Bekannt aufgrund außergewöhnlicher Tremolitfunde ist zudem Brumado, in Bahia, Brasilien, wo langprismatische Kristalle von bis zu 40 cm Länge gefunden wurden.[13]

Weitere Fundorte liegen unter anderem in Afghanistan, Ägypten, die Antarktis, Argentinien, Äthiopien, Australien, Bangladesch, Bolivien, Brasilien, Bulgarien, Chile, China, Fidschi, Finnland, Frankreich, Georgien, Griechenland, Grönland, Haiti, Indien, Iran, Irland, Italien, Japan, Kanada, Kasachstan, Kenia, Nord- und Südkorea, Madagaskar, Malaysia, Marokko, Mexiko, Myanmar, Namibia, Neuseeland, Norwegen, Pakistan, Peru, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Sambia, Simbabwe, Slowakei, Spanien, Schweden, Südafrika, Taiwan, Tansania, Tschechien, Türkei, Ukraine, Ungarn, die US-amerikanische Jungferninsel Saint John, das Vereinigte Königreich (Großbritannien) und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA).

Auch in Gesteinsproben des Mittelatlantischen Rückens konnte Tremolit gefunden werden.[14]

Verwendung

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Faserartige Tremolite wurden zur Herstellung von Asbest verwendet.

Für Geologen und Petrologen ist Tremolit ein Temperatur-Indikator, da es sich bei höheren Temperaturen in Diopsid umwandelt.

Siehe auch

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Literatur

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  • J. G. Albrecht Höpfner: Ueber die Klassifikation der Fossilien in einem Schreiben des Herausgebers an Herrn Dr. Karsten in Halle. In: Magazin für die Naturkunde Helvetiens. Band 4, 1789, S. 255–332 (rruff.info [PDF; 6,0 MB; abgerufen am 5. August 2022]).
  • Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 726 (Erstausgabe: 1891).
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Commons: Tremolite – Sammlung von Bildern und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b c Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: July 2024. (PDF; 3,6 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Juli 2024, abgerufen am 13. August 2024 (englisch).
  2. a b Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. August 2022]).
  3. a b c d Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 627 (englisch).
  4. a b c d e Tremolite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 85 kB; abgerufen am 11. Oktober 2022]).
  5. a b c d e Tremolite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 5. August 2022 (englisch).
  6. Philippe Roth: The Early History of Tremolite. In: Axis. Band 2, Nr. 3, 2006, S. 1–10 (englisch, mineralogicalrecord.com [PDF; 459 kB; abgerufen am 5. August 2022]).
  7. Catalogue of Type Mineral Specimens – T. (PDF 222 kB) Commission on Museums (IMA), 10. Februar 2021, abgerufen am 5. August 2022.
  8. Catalogue of Type Mineral Specimens – Depositories. (PDF 311 kB) Commission on Museums (IMA), 18. Dezember 2010, abgerufen am 5. August 2022.
  9. Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  10. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Januar 2009, archiviert vom Original am 29. Juli 2024; abgerufen am 30. Juli 2024 (englisch).
  11. Fluoreszierende Minerale (Auswahl). In: Mineralienatlas Lexikon. Geolitho Stiftung, abgerufen am 5. August 2022.
  12. Localities for Tremolite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 5. August 2022 (englisch).
  13. Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie (= Dörfler Natur). Edition Dörfler im Nebel-Verlag, Eggolsheim 2002, ISBN 978-3-89555-076-8, S. 239.
  14. Fundortliste für Tremolit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 5. August 2022.