Hans im Glück

Schwank der Brüder Grimm (1819)
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Hans im Glück ist ein Schwank (ATU 1415). Er steht in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm ab der 2. Auflage von 1819 an Stelle 83 (KHM 83) und stammt aus der Zeitschrift Wünschelruthe, wo Friedrich August Wernicke ihn ein Jahr zuvor (Jg. 1818, Heft 33) unter dem Titel Hans Wohlgemut veröffentlicht hatte. Ludwig Bechstein übernahm die Erzählung in sein Deutsches Märchenbuch als Hans im Glücke (1845 Nr. 24, 1853 Nr. 22).

Illustration von Frédéric Baudry, ca. 1855
Illustration von George Cruikshank, 1876
 
Illustration, 1889

Hans erhält als Lohn für sieben Jahre Arbeit einen kopfgroßen Klumpen Gold. Diesen tauscht er gegen ein Pferd, das Pferd gegen eine Kuh, die Kuh gegen ein Schwein, das Schwein gegen eine Gans, und die Gans gibt er für einen Schleifstein mitsamt einem einfachen Feldstein her. Er hat das Empfinden, jeweils so zu tauschen, dass alles eintrifft, was er sich wünscht, und fühlt sich vom Glück bevorzugt „wie ein Sonntagskind“. Zuletzt fallen ihm noch, als er trinken will, die beiden schweren Steine in einen Brunnen. Endlich ist er glücklich, die schweren Steine nicht mehr tragen zu müssen.

„So glücklich wie ich, rief er aus‚ gibt es keinen Menschen unter der Sonne. Mit leichtem Herzen und frei von aller Last ging er nun fort, bis er daheim bei seiner Mutter angekommen war.“

Fassung der Brüder Grimm

Interpretationen

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Illustration von Otto Ubbelohde, 1909

Karl-Heinz Eser macht darauf aufmerksam, dass Hans im Glück eines der Märchen der Brüder Grimm ist, das nicht mit dem traditionellen Es war einmal … beginnt. Dies ist allerdings in der Fassung von Bechstein nicht der Fall. Das Märchen lasse mehrere volkstümliche Interpretationen („Lehren“) zu, die auf der Hand lägen, etwa: „Nur die Einfalt findet das Glück“ oder „Frei zu sein, ist mehr als Gut und Geld“ oder auch „mundus vult decipi“ (lat., „die Welt will betrogen sein“). Künstlerisch sei dies als eine Stärke anzusehen. Die Reden, mit denen ein jeder hier den Hans über den Tisch zu ziehen versteht und die jedes Mal ein realistischer Lobgesang auf die angepriesenen Alltagsgüter sind, sei immer zur Erheiterung der Zuhörer geeignet.[1]

Der Philosoph Ludwig Marcuse schrieb zu Hans im Glück:[2]

„… man besitzt das Glück weder im Gold noch im Schwein noch im Stein. Vieles kann einen glücklich machen; aber kein Gut macht einen glücklich in jeder Beziehung.“

Hans’ Verhalten widerspricht laut Viktor Zielen jeder Logik und Konvention, was irritiere. Seine Leichtigkeit im Umgang mit anderen stehe im Gegensatz zur Konsequenz seines Weges hin zur „Großen Mutter“, die das Grab sei. Zu ihrem Symbolkreis gehörten auch seine Tiere.[3] Wolfdietrich Siegmund meint, Hans im Glück warne vor den fragwürdigen Tauschgeschäften des Lebens, ermutige aber zugleich, leidvolle Enttäuschungen umzuwandeln in tröstliche Gewissheit vom Sinn des Schicksals.[4] Wilhelm Salber bemerkt, das Märchen rufe zur Rückkehr auf.[5] Homöopathen verglichen das Märchen mit Agaricus, Aurum, Magnesium carbonicum.[6] Siegfried Stadler liefert ironisch eine marxistische Deutung.[7] In motivationstheoretischer Interpretation aus Managementsicht ist Hans ein „eigennütziger Hedomat und unlustmeidender Glücksökonom“.[8]

Nach Marion Schmaus nutzt Hans im Glück Wiederholungen, um den Handlungsablauf zu strukturieren und den moralischen Punkt zu verstärken. Es gebe eine klare moralische Lektion in der Geschichte, die zeige, dass Glück nicht in materiellem Reichtum, sondern in der Zufriedenheit mit dem, was man hat, zu finden sei. Obwohl die Geschichte in einer realen Welt spiele, enthalte sie fantastische Elemente, die typisch für das Märchengenre seien, wie die Tatsache, dass Hans sieben Jahre arbeite und als Lohn einen großen Goldklumpen erhalte. In jeder Episode tausche Hans einen Gegenstand gegen einen anderen, der weniger wertvoll sei, aber in seinen Augen besser geeignet scheint. Wie viele der Grimm-Märchen sei „Hans im Glück“ in einer volkstümlichen Sprache geschrieben, die die Sprache des gewöhnlichen Volkes widerspiegele.[9]

Karen Lippert verweist auf die Möglichkeit zweier gegensätzlicher Interpretationsweisen. Nur in der einen sei Hans im Glück der Einfaltspinsel und die Erzählung ein Schwank über seine Dummheit. Eine andere Interpretation sei die des Glücks durch Überwindung einer materiellen Weltsicht. In dieser Interpretation befreie sich Hans nach und nach von Besitz und Zwängen wie dem Schleppen schwerer Klumpen, dem Sorgenmüssen für Tiere oder einem Leben als fahrender Handwerker. Hans habe in dieser Lesart das Prinzip des positiven Denkens perfektioniert und erkenne sich selbst als seinen wertvollsten Besitz, der ihn letztlich glücklich mache.[10] Auch Rosemarie Tüpker sieht diese beiden polaren Interpretationsweisen und betont für die zweite, dass das Märchen sowohl an die frühe Kindheit denken lasse, wenn Kinder ohne materielle Kenntnisse Tauschgeschäfte ganz nach ihren Vorlieben machten, aber auch an das Ankommen am Ende des Lebens in der Symbolik des Todes als Heimkommen. Vor diesem Hintergrund zeigt sie die Nutzung des Märchens in der Arbeit mit alten Menschen und in der intergenerativen Arbeit auf.[11]

Es gibt ebenso Interpretationen aus weiteren Disziplinen (Philosophie, Philologie, Tiefenpsychologie, Politologie, Ökonomie).[12]

Rezeption

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Illustration von Paul Hey, 1939

1832 schuf Adelbert von Chamisso unter dem Titel Hans im Glücke eine Bearbeitung in Versen.[13] Ludwig Bechsteins Hans im Glücke in Deutsches Märchenbuch ist neu formuliert, folgt aber Grimms Fassung, auch wenn Bechstein noch „Chamissos Gedicht“ im Musenalmanach für das Jahr 1832 (1831) angibt. Er übernahm ein Scherenschleiferlied aus Anton Wilhelm von Zuccalmaglios und Andreas Kretzschmers Deutsche Volkslieder in ihren Originalweisen, 1838.[14] Vgl. auch Nr. 43 Wie Dummhans für ein Gerstenkorn ein Königreich bekam in Ulrich Jahns Volksmärchen aus Pommern und Rügen.

Hans Christian Andersen stellte das Motiv ins Zentrum seines 1870 erschienenen Romans Glücks-Peter (dän. Lykke-Per), in dem der Protagonist auf dem Höhepunkt seines Glücks stirbt. Tragisch bearbeitete auch der dänische Schriftsteller Henrik Pontoppidan das Motiv in seinem mehrbändigen Roman Hans im Glück (dän. Lykke-Per; 1898–1904, dt. 1906): Der Protagonist Per Sidenius stammt aus ärmlichen Verhältnisse und möchte als Ingenieur Großes leisten, doch nach anfänglichem Glück scheitert er und endet als einsamer Landvermesser. Pontoppidans Roman wurde 2018 unter dem Titel Per im Glück von Bille August verfilmt.[15]

Parallelen zu Hans im Glück weist auch die Clownrolle Oleg Konstantinowitsch Popows auf. In Janoschs Parodie sieht Hans alles positiv, z. B. als er vom Meister nur eine Gans erhält, die ihm wegläuft, als er im Krieg ein Bein verliert („Zwei Beine weg ist schlimmer!“) und seine Frau wegläuft.[16] Hans im Glück in Hans Eberts gleichnamigem Kriminalroman zieht ein rastloses Leben seiner Familie und Karriere vor.[17]

Ignatius Taschner schuf eine Skulptur am Märchenbrunnen im Volkspark Friedrichshain in Berlin-Friedrichshain, Franz Staud 1956 einen Hans-im-Glück-Brunnen in Innsbruck, ein weiterer steht in Stuttgart.

Ein Sprechtheater Hans im Glück von Reto Finger wurde am 18. April 2015 im Schauspielhaus Bochum uraufgeführt.[18]

Verfilmungen

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Märchenskulptur im Märchenbrunnen im Volkspark Friedrichshain in Berlin von Ignatius Taschner

Hörbücher

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Terrakottarelief in Wien

Illustrationen

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Plastik am Dorastift in Ilsfeld

Briefmarken und Münzen

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Skulpturengruppe im Burghof von Burg Wissem von Tor Michael Sönksen

Im Jahr 1985 erschien anlässlich des 200. Geburtstag von Jacob Grimm in der Deutschen Demokratischen Republik eine Briefmarke für den Postwert von 20 Pfennig zum Märchen Hans im Glück.[24]

Im Februar 2023 erschien in Deutschland eine kleine Serie von Wohlfahrtsmarken mit Illustrationen zu Hans im Glück von Henning Wagenbreth. Der Postwert von 85 Cent zeigt im Vordergrund Hans schwitzend den schweren Goldklumpen tragend, links im Hintergrund die vergangene Szene des dankbaren Arbeitgebers, rechts die der Zukunft mit dem Reiter auf dem Pferd. Die 100er-Marke zeigt im Vordergrund, wie Hans sich angestrengt mit dem Schwein abmüht, im Hintergrund links die Kuh und rechts der Junge mit der Gans auf dem Arm. Die Postwertmarke von 160 Cent zeigt den glücklich voranschreitenden Hans nach dem Loswerden der Mühlsteine im Brunnen, rechts ist schon das Haus mit der ihn freudig begrüßenden Mutter zu sehen.[25]

Ebenfalls im Jahr 2023 brachte die Deutsche Bundesbank ab dem 19. Januar eine Silbergedenkmünze im Nennwert von 20 Euro heraus. Sie stellt die zwölfte Ausgabe der 2012 begonnenen Serie zum Thema „200 Jahre Grimms Märchen“ dar. Sie besteht aus 18 g Sterlingsilber und hat einen Durchmesser von 32,5 mm. Der Entwurf von Michael Otto zeigt im Vordergrund einen munter in die Welt ziehenden Hans mit einem Bündel und im Hintergrund weitere Motive des Märchens: das Pferd, die Kuh, die Gans und den Brunnen.[26]

Thematische Verwendung des Titels

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Literatur

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  • Heinz Rölleke (Hrsg.): Grimms Märchen und ihre Quellen. Die literarischen Vorlagen der Grimmschen Märchen synoptisch vorgestellt und kommentiert. Zweite, verbesserte Auflage. Schriftenreihe Literaturwissenschaft, Band 35. Wissenschaftlicher Verlag Trier, Trier 2004, ISBN 3-88476-717-8, S. 110–121, 559.

Einzelnachweise

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  1. Karl-Heinz Eser: Hans im Glück – Zur Qualifizierung schwer lernbehinderter junger Menschen. Bei den Hochschultagen Berufliche Bildung 2008. Abgerufen am 7. Juni 2023
  2. Ludwig Marcuse: Philosophie des Glücks. S. 45, Diogenes, Zürich, 1972, ISBN 3-257-20021-8.
  3. Viktor Zielen: Hans im Glück. Lebenslust statt Lebenslast. 1. Auflage. Kreuz Verlag, Zürich 1987, ISBN 3-268-00043-6.
  4. Frederik Hetmann: Traumgesicht und Zauberspur. Märchenforschung, Märchenkunde, Märchendiskussion. Mit Beiträgen von Marie-Louise von Franz, Sigrid Früh und Wolfdietrich Siegmund. Fischer, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3-596-22850-6, S. 122.
  5. Wilhelm Salber: Märchenanalyse (= Werkausgabe Wilhelm Salber. Band 12). 2. Auflage. Bouvier, Bonn 1999, ISBN 3-416-02899-6, S. 121.
  6. Martin Bomhardt: Symbolische Materia medica. 3. Auflage. Verlag Homöopathie + Symbol, Berlin 1999, ISBN 3-9804662-3-X, S. 53, 212, 836.
  7. Siegfried Stadler: Marx' Märchen. In: Die Horen. Bd. 1/52, Nr. 225, 2007, ISSN 0018-4942, S. 211–216.
  8. Rolf Wunderer: Der Gestiefelte Kater als Unternehmer, Lehren aus Management und Märchen – Kapitel 5 Hans im Glück. S. 119–164, Gabler Verlag, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-8349-0772-1.
  9. Marion Schmaus: Von „Hans im Glück“ und anderen Glückssuchern. Erzähllogik und Hermeneutik in den Märchen der Brüder Grimm. In: Literaturkritik. Abgerufen am 7. Juni 2023.
  10. Karen Lippert: Märchenaltas Abgerufen am 12. Juli 2019
  11. Rosemarie Tüpker: Märchen von nah und fern. Einfach erzählt für die Arbeit in sozialen Kontexten. Waxmann-Verlag, Münster 2020, S. 107–118.
  12. Rolf Wunderer: Motivation in Märchen und Management – Hans im Glück – Eigen- wie handlungsmotivierter Nutzenmaximierer und unlustmeidender Gefühlsingenieur. in: Märchenspiegel. 19. Jg., H. 1, 2008, S. 2–25.
  13. Adelbert von Chamisso Hans im Glücke. In: Deutscher Musenalmanach, 3. Jahrgang, 1832 Digitalisat
  14. Hans-Jörg Uther (Hrsg.): Ludwig Bechstein. Märchenbuch. Nach der Ausgabe von 1857, textkritisch revidiert und durch Register erschlossen. Diederichs, München 1997, ISBN 3-424-01372-2, S. 385.
  15. a b Per im Glück bei Netflix, abgerufen am 8. Juni 2023.
  16. Janosch: Hans im Glück. In: Janosch erzählt Grimm's Märchen. Fünfzig ausgewählte Märchen, neu erzählt für Kinder von heute. Mit Zeichnungen von Janosch. 8. Auflage. Beltz und Gelberg, Weinheim und Basel 1983, ISBN 3-407-80213-7, S. 5–8.
  17. Hans Ebert: Hans im Glück. Oder Die Reise nach Sibiu. BoD, Norderstedt 2021, ISBN 978-3-7407-8367-9.
  18. Reto Finger im Gespräch mit Susanne Burkhardt: Die Kunst des Loslassens. Deutschlandfunk am 18. April 2015 Abgerufen am 7. Juni 2023.
  19. Vgl. Zulassungskarte, Prüf-Nr. 10928, vom 28.7.1925, in: BArch 9346-I/7128.
  20. Vgl. Zulassungskarte, Prüf-Nr. 20221, vom 24.9.1928, in: BArch 9346-I/14005.
  21. Hans im Glück bei IMDb
  22. Gottschdorfer Hans im Glück. Abgerufen am 22. März 2021.
  23. Mireille Mathieu: Hans im Glück.
  24. Abbildung der Marke Hans im Glück 1985 DDR. Abgerufen am 8. Juni 2023
  25. Wohlfahrtsmarken 2023 „Grimms Märchen – Hans im Glück“. Bundesministerium für Finanzen. Februar 2023 Abgerufen am 8. Juni 2023
  26. Sammlermünze Hans im Glück. Bundesbank. Abgerufen am 9. Juni 2023.
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Wikisource: Hans im Glück – Quellen und Volltexte
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