Herbert M. Gutmann

deutscher Bankier und Kunstsammler
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Herbert Max Magnus Gutmann[1] (* 15. Oktober 1879 in Dresden; † 22. Dezember 1942 in Paignton, Vereinigtes Königreich) war ein deutscher Bankier und Sammler islamischer Kunst.

Herbert Gutmann (rechts) beim Empfangsabend des italienischen Botschafters Orsini-Baroni im Hotel „Esplanade“ (1930)

Beruflicher Lebenslauf

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Aktie der Dresdner Bank über 100 Reichsmark, ausgegeben am 3. April 1928 in Dresden, mit Unterschrift des Bankiers Franz Friedrich Andreae als Aufsichtsratsvorsitzender. Für den Vorstand trägt die Aktie die Unterschriften von Henry Nathan und Herbert M. Gutmann.
 
Gedenktafel am Haus, Golfweg 22, in Berlin-Wannsee

Herbert Gutmann war der Sohn des Dresdner-Bank-Vorstandes Eugen Gutmann und studierte Volkswirtschaft, um danach ebenfalls in die Dresdner Bank einzutreten.[2] Er war als Mitbegründer, Direktor und später auch Präsident der Deutschen Orientbank an den wirtschaftlichen Aktivitäten des Deutschen Reiches im Orient in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg beteiligt.[3] Im Rahmen dieser Geschäftstätigkeit führten ihn längere Reisen in den Jahren von 1905 bis 1910 unter anderem nach Marokko, Ägypten, Syrien, Kleinasien und Persien. 1910 wurde er in den Vorstand der Dresdner Bank gewählt. Im gleichen Jahr trat er der Gesellschaft der Freunde bei.[4]

Gutmann war unter anderem als Präsident des Golf- und Land-Clubs Berlin-Wannsee im deutschen Golfsport aktiv.[5] 1913 pachtete Herbert Gutmann in der Bertinistraße in Potsdam eine Villa von Dr. Ernst Heller, die er 1919 kaufte und anschließend erweitern ließ.[6] Die Villa im Landhausstil mit 80 Zimmern war zunächst sein Sommersitz und später ließ er sich dort mit seiner Familie nieder.[7]

Als in der Weltwirtschaftskrise kurzfristige Auslandsanleihen aus Deutschland abgerufen wurden, geriet die seit der Inflation 1923 geschwächte Bankwirtschaft in Zahlungsschwierigkeiten, so dass Großbankenvertreter die Hilfe der Reichsbank anforderten. Gutmann hatte erst eine Krise der Dresdner Bank angedeutet, diese Gerüchte aber am 12. Juli 1931 dementiert und Reichskanzler Heinrich Brüning so bewegt, die Dresdner Bank wieder von der allgemeinen Reichsbürgschaft für die Banken auszuschließen. Nur zwei Tage später, am 14. Juli 1931 – als die Bankkunden die Schalter gestürmt hatten und der öffentliche Schaden eingetreten war – gestand Gutmann die Zahlungsunfähigkeit der Dresdner Bank ein.[8] Als neue Eigentümerin der DANAT-Bank setzte die Reichsregierung zur Bewältigung der Bankenkrise deren Verschmelzung auf die Dresdner Bank durch sowie die Verkleinerung und Neubesetzung des Führungskreises.[9] Gutmann war danach für Brüning ebenso wenig politisch tragbar wie der ehemalige DANAT-Vorstand Jakob Goldschmidt.[10] Es gibt Hinweise darauf, dass Gutmann als Zugeständnis an die aufkommenden Nationalsozialisten aus seiner Position herausgedrängt wurde[11]. Zur gleichen Zeit allerdings wurden Siegmund Bodenheimer und Samuel Ritscher in den neuen Vorstand übernommen[9], obwohl sie anders als Gutmann, dessen Vater sich 1889 hatte taufen lassen[12], den jüdischen Glauben behalten hatten.

Wie die anderen ehemaligen Vorstände war Gutmann nach 1931 zunächst weiter als Berater für die Dresdner Bank tätig und hatte 1933 noch 16 Aufsichtsratsmandate inne, wurde dann aber wegen seiner jüdischen Herkunft nach und nach verdrängt.[13] Er wanderte nach 1936 aus und gelangte schließlich nach England, wo er 1942 verarmt und nach schwerer Krankheit verstarb.

Kunstsachverständiger und Kunstsammler

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Das Arabicum in der Villa Gutmann in Potsdam

In der Geschäftswelt stand Gutmann im Schatten seines Vaters, als dessen „schwächliche Kopie“ er 1920 bezeichnet wurde.[14] Jenseits des Bankbetriebes aber wurde der schon durch seinen kunstinteressierten Vater Eugen Gutmann inspirierte Herbert M. Gutmann zu einem kenntnisreichen Sammler orientalischer und ostasiatischer[15] Kunstgegenstände. 1934 wurde die Sammlung versteigert.[16]

Dass er ein intimer Kenner der islamischen Kunst war, weisen seine Funktion als Präsident der Deutsch-Persischen Gesellschaft und insbesondere seine Tätigkeit als externer Sachverständiger für die Islamische Abteilung des Kaiser-Friedrich-Museums in Berlin (heute: Museum für Islamische Kunst im Pergamonmuseum) überzeugend nach.

Das bedeutendste Objekt in der Sammlung Gutmanns war eine in Damaskus erworbene Holzvertäfelung im Stil des Türkischen Rokoko, die noch erhalten ist und in der Familie als Arabicum bezeichnet wurde. Selbst im Nahen Osten sind Interieurs dieser Art sehr selten geworden. Bereits im 19. Jahrhundert begannen wirtschaftliche und soziale Veränderungen, die sich auf die Lebensgewohnheiten und die Gestaltung der Wohnhäuser auswirkten. Einige Inneneinrichtungen fanden ihren Weg in öffentliche und private Sammlungen, doch unter anderem durch den Zweiten Weltkrieg waren auch hier Verluste zu beklagen. Nur noch in wenigen Museen außerhalb der arabischen Welt sind heute syrische Zimmer zu finden. Neben Berlin mit dem „Aleppo-Zimmer“ können Sammlungen in Cincinnati (Cincinnati Art Museum, Accession-No. 1966.443), Dresden (Museum für Völkerkunde Dresden, Inv.-Nr. 46071)[17], Honolulu (Doris Duke Foundation for Islamic Art), Kuala Lumpur (Islamic Arts Museum Malaysia)[18] und New York (The Metropolitan Museum of Art, Nur al-Din Room, Inv.-Nr. 1970.170) solche Schätze ihr eigen nennen.[19]

Gutmann war bis 1934 Eigentümer eines Bismarck-Portraits von Franz von Lenbach, es wurde 2010 restituiert.[20] Das Gemälde „Pappenheims Tod“ von Hans Makart wurde 2009 an die Erben Gutmanns restituiert.[21]

Herberts jüngerer Bruder Friedrich war von ihrem Vater als Geschäftsführer der britischen Filiale der Dresdner Bank in London eingesetzt worden und betrieb ab 1918 in Amsterdam unter dem Namen Proehl & Gutmann die Filiale der Dresdner Bank. Als jüngster Sohn Eugen Gutmanns nach seinem Bruder Herbert wurde er Familientreuhänder der väterlichen Sammlung.

Literatur

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  • Thomas Tunsch: Die syrische Innenraumdekoration in der ehemaligen Villa Gutmann in Potsdam. Untersuchungen zur Herkunft und Datierung. In: Staatliche Museen zu Berlin (Hrsg.): Forschungen und Berichte 29/30, 1990, S. 129–147 (Digitalisat).
  • Roland Mascherek: Die Gutmann-Villa Bertinistr. 16–16a. Baugeschichtliche und einwohnerbiographische Dokumentation unter besonderer Berücksichtigung der Person Herbert M. Gutmann und seiner Familie. In: Mitteilungen der Studiengemeinschaf Sanssouci e. V. Verein für Kultur und Geschichte Potsdam 5, 2000, Nr. 2, S. 28–66.
  • Atje Uta Hartmann: Die Villa Gutmann. Gedanken zu einer möglichen Nutzung. In: Brandenburgische Denkmalpflege 11, 2002, Heft 2, S. 43–62.
  • Thomas Tunsch: Der Sammler Herbert M. Gutmann (1879–1942). In: Jens Kröger, Désirée Heiden (Hrsg.): Islamische Kunst in Berliner Sammlungen. 100 Jahre Museum für Islamische Kunst in Berlin. Staatliche Museen zu Berlin, Berlin 2004, ISBN 3-86601-435-X, S. 27–30 (Digitalisat).
  • Vivian J. Rheinheimer (Hrsg.): Herbert M. Gutmann 1879–1942. Bankier in Berlin. Bauherr in Potsdam. Kunstsammler. Koehler & Amelang, Leipzig 2007, ISBN 3-7338-0351-5; (Rezension).
  • Beate Schreiber: Quellen zu außereuropäischen Objekten in der Sammlung von Herbert M. Gutmann. In: RETOUR, Freier Blog für Provenienzforschende, 2. Juli 2024.
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Commons: Herbert M. Gutmann – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Beate Schreiber: Vermögenswerte Herbert M. Gutmanns
  2. Morten Reitmayer: Bankiers im Kaiserreich. Sozialprofil und Habitus der deutschen Hochfinanz. Vandenhoeck & Ruprecht 1999, S. 140, 219.
  3. Zu Herbert Gutmann und der Deutschen Orientbank: Wolfgang G. Schwanitz: „Wir speisen im Adlon“: Herbert M. Gutmann und die Deutsche Orientbank. (PDF; 2,0 MB) In: Ulrich van der Heyden et al. (Hrsg.): „... Macht und Anteil an der Weltwirtschaft“. Berlin und der deutsche Kolonialismus. Unrast Verlag, Münster 2005, S. 81–86; ders.: Immer guter Laune: Gutmann und die Deutsche Orientbank. In: Vivian J. Rheinheimer (Hg.): Herbert M. Gutmann. Bankier in Berlin, Bauherr in Potsdam, Kunstsammler. Koehler & Amelang, Leipzig 2007, S. 61–77; zur Orientbank und dem Völkermord an den Armeniern: Webversion 01-2008 (PDF; 167 kB).
  4. Mitglieder-Verzeichnis der Gesellschaft der Freunde. Berlin 1912, S. 23. Herbert Gutmann trat am 25. Februar 1910 bei und erhielt die Mitgliedsnummer 260 B.
  5. vgl. Sebastian Panwitz: Rezension zu V. J. Rheinheimer (Hrsg.): Herbert M. Gutmann
  6. Wolfgang Brönner: Erlaubt war, was gefiel: Gutmanns Landsitz am Jungfernsee. In: Herbert M. Gutmann 1879-1942. Bankier in Berlin. Bauherr in Potsdam. Kunstsammler. Koehler & Amelang, Leipzig 2007, ISBN 3-7338-0351-5, S. 68–106, hier S. 90
  7. MANAGER: Kampf ums Arabicum. In: Der Spiegel. Nr. 32, 1998 (online).
  8. Karl Erich Born: Die deutsche Bankenkrise 1931. Finanzen und Politik. Piper, München 1967, S. 104–107; Klaus-Dietmar Henke/Johannes Bähr/Dieter Ziegler/Harald Wixforth: Die Dresdner Bank im Dritten Reich. Oldenbourg, München 2006, S. 47 f.
  9. a b Klaus-Dietmar Henke/Johannes Bähr/Dieter Ziegler/Harald Wixforth: Die Dresdner Bank im Dritten Reich. Oldenbourg, München 2006, S. 80 ff.
  10. Christopher Kopper: Bankiers unterm Hakenkreuz. Hanser 2005, S. 26. Gerald D. Feldman: Jakob Goldschmidt, the history of banking crisis of 1931 and the problem of freedom of manoeuvre in the Weimar economy. In: Zerrissene Zwischenkriegszeit. Wirtschaftshistorische Beiträge. Festschrift für Knut Borchardt. Baden-Baden 1994, S. 307 ff.
  11. The Nazis sent him written demands for atonement of being Jewish (Memento vom 2. Oktober 2014 im Internet Archive). In: The Guardian. February 10, 2007.
  12. [1]
  13. Klaus-Dietmar Henke, Johannes Bähr, Dieter Ziegler, Harald Wixforth: Die Dresdner Bank im Dritten Reich. Oldenbourg, München 2006, S. 81.
  14. Martin Münzel: Die jüdischen Mitglieder der deutschen Wirtschaftselite 1927-1955. Verdrängung, Emigration, Rückkehr. Schoeningh 2006, S. 215 f.
  15. Patrizia Jirka-Schmitz: Der Sammler Herbert M. Gutmann und der Herbertshof. In: Deutsche Gesellschaft für Ostasiatische Kunst. Mitteilungen 30, 10/2000, S. 9–23.
  16. Sammlung Herbert M. Gutmann, Herbertshof bei Potsdam. Gemälde, meist aus dem 18. Jahrhundert, Möbel, Silber, Porzellan, Textilien, alte syrische Gläser, ostasiatische und islamische Kleinkunst; Ausstellung 7., 9.-10. April 1934, Versteigerung 12.-14. April 1934. Paul Graupe, Berlin 1934 (Digitalisat).
  17. Das Dresdner Damaskus-Zimmer. Ein Kleinod osmanischer Innenarchitektur in Deutschland. Dresden 2003; Das Damaskuszimmer: Eine Kostbarkeit osmanischer Innenarchitektur im Museum für Völkerkunde Dresden; Angela Pfotenhauer: Verpackt, Vergessen, Wiederentdeckt: Wie türkischer Rokoko nach Dresden kam
  18. Standard Chartered Ottoman Room (Memento vom 29. September 2007 im Internet Archive) (datiert 1235 H.=1820/21)
  19. Thomas Tunsch: Alles vergeht, ob Trauer oder Freude: Das Arabicum. In: Vivian J. Rheinheimer (Hrsg.): Herbert M. Gutmann 1879-1942. Bankier in Berlin. Bauherr in Potsdam. Kunstsammler. Koehler & Amelang, Leipzig 2007, ISBN 3-7338-0351-5, S. 107–118.
  20. Raubkunst im Bundestag. In: Spiegel Online. 12. November 2009, abgerufen am 12. Februar 2020.
  21. Provenienzrecherchen zur Kunstsammlung Herbert M. Gutmanns