Holzidol aus dem Schigir-Moor
Das Holzidol aus dem Schigir-Moor, auch Schigir-Idol genannt[1], ist ein verzierter Pfahl, der vermutlich als anthropomorphe Pfahlgottheit errichtet wurde. Die Figur wurde im Januar 1890 in vier Metern Tiefe in einem Torfstich beim Dorf Kalata in der Nähe von Kirowgrad, nördlich von Jekaterinburg, in Russland entdeckt. Laut ersten Untersuchungen mittels der Radiokarbonmethode ließ sich im Jahr 1997 der hölzerne Pfahl zunächst auf ein Alter von etwa 9000 Jahren datieren.[2][3] Bei späteren systematischen Radiokarbondatierungen wurde das Alter der Figur auf 11.500 Jahre geschätzt.[4][5] Damit handelt es sich um die älteste Holzskulptur der Welt. Die entsprechenden Forschungsergebnisse eines deutsch-russischen Forscherteams unter Beteiligung der Universität Göttingen wurden 2018 erstmals wissenschaftlich veröffentlicht und 2021 korrigiert.
Beschreibung
BearbeitenDer ursprünglich vermutlich fünf Meter und heute noch 3,8 Meter hohe Pfahl aus Lärchenholz ist Zeugnis mesolithischer Holzschnitzerei und einer im westlichen Europa unbekannten monumentalen Kunst. Wissenschaftler nehmen an, dass die Skulptur längere Zeit aufrecht stand und als ritueller Pfahl diente. Das Stück zeigt, dass die Bedeutung Osteuropas für die steinzeitliche Entwicklung Eurasiens unterschätzt wurde. Im Schigir-Moor wurden über 3000 Jagdwaffen, Fischfanggeräte und Werkzeuge aus Geweih und Knochen entdeckt.
Im Jahre 2000 postulierte Juri Serikow, dass die menschenleere Region erst etwa 7400 v. Chr. von einer Transuralkultur wiederbesiedelt wurde. Dagegen sprechen das Datum des Holzidols und die auf etwa 8500 v. Chr. datierten knöchernen Pfeilspitzen und die Speere mit Feuersteinschneide aus der Lobvinskaya-Höhle.
Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe hat sich zum Ziel gesetzt, mittels Feuchtbodenarchäologie Daten zur Entwicklung der Nacheiszeit (etwa 9500–5000 v. Chr.) im mittleren Transural zu gewinnen und eine kulturelle Abfolge zu erarbeiten. Dabei geht es darum, wann die erste Keramik im Ural auftrat. Die rundbodige, teils reich verzierte frühe Wildbeuterkeramik definiert den Beginn des so genannten Waldneolithikums, in dem bei Fortdauer der Lebensweise als Jäger und Sammler Keramik hergestellt wurde, ohne dass Ackerbau oder Viehhaltung vorkommen. Das Waldneolithikum strahlte am Ende mit der Ertebölle-Kultur bis Südskandinavien, Norddeutschland, und die Niederlande (Swifterbant-Kultur) aus.
Siehe auch
BearbeitenLiteratur
Bearbeiten- Sönke Hartz, Svetlana Savchenko, Thomas Terberger, Mikhail Zhilin: Elchjäger und Bibertrapper. Jäger und Fischer im Transural vor 10.000 Jahren. In: Archäologie in Deutschland, Jahrgang 2010, H. 5, S. 58 ff. (Online)
- Mikhail Zhilin, Svetlana Savchenko, Svend Hansen, Karl-Uwe Heussner, Thomas Terberger: Early art in the Urals: new research on the wooden sculpture from Shigir. in Antiquity, 92(362):334–350, 2018 (doi:10.15184/aqy.2018.48)
Weblinks
Bearbeiten- Kate Baklitskaya: Scientists to study exact age of 'oldest wooden statue in the world'. In: The Siberian Times vom 25. Juni 2014
- Forscher der Uni Göttingen: Früh-Nacheiszeit-Jäger waren auch schon Holzkünstler bei HNA vom 2. Mai 2018
- Älteste Holzskulptur der Welt entdeckt bei scinexx vom 2. Mai 2018
- Der wundersame Mann aus dem Moor in Spiegel Online vom 2. Mai 2018
- Altes Holz und eine neue Geschichte in Der Tagesspiegel vom 25. März 2021
- Was verrät eine uralte Holzskulptur über die Menschheit? bei Deutsche Welle vom 1. April 2021
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ DER SPIEGEL: Russland: Holzskulptur aus Schigir-Moor ist 11.000 Jahre alt. Abgerufen am 5. April 2021.
- ↑ Anna Liesowska: Revelations on Shigir Idol 'change our understanding of ancient civilisations' in der Siberian Times vom 28. August 2015. Abgerufen am 30. August 2015.
- ↑ Spiegel Online: Fund im Schigir-Moor: Russische Holzskulptur ist 11.000 Jahre alt vom 31. August 2015
- ↑ New York Times (Franz Lidz): How the World’s Oldest Wooden Sculpture Is Reshaping Prehistory, www.nytimes.com vom 22. März 2021.
- ↑ Romas Bielke: Älteste Holzskulptur der Welt ist 11.500 Jahre alt, Pressemitteilung der Universität Göttingen vom 30. April 2018
Koordinaten: 57° 22′ 51,2″ N, 60° 8′ 26,5″ O