Haitianisch-Kreolisch

Kreolsprache
(Weitergeleitet von ISO 639:ht)

Das Haitianisch-Kreolisch oder Kreyòl ist eine Kreolsprache, die in Haiti von etwa 10 Millionen Menschen gesprochen wird, also beinahe von der gesamten Bevölkerung des Landes (nur rund 5 % der Bevölkerung spricht auch Französisch). Ein bis zwei Millionen Sprecher der haitianischen Sprache leben in anderen Ländern. Haitianisch ist die Kreolsprache mit den meisten Sprechern.

Haitianisch-Kreolisch
(Kreyòl ayisyen)

Gesprochen in

Haiti
Sprecher über 10 Millionen
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache in Haiti Haiti
Sprachcodes
ISO 639-1

ht

ISO 639-2

hat

ISO 639-3

hat

Die Haitianer nennen die Sprache kreyòl ayisyen (französisch créole haïtien), kurz kreyòl (créole).

Merkmale

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Das Haitianische hat vor allem französische Wortwurzeln und eine „kreolisierte“ Grammatik. Sprachliche Einflüsse verschiedener westafrikanischer Sprachen (besonders aus dem Wolof, Fon und Ewe) sowie indianischer Sprachen (besonders aus dem Arawak und Carib) existieren nur im Wortschatz.[1] Die Swadesh-Liste für Haitianisch weist nur Einträge aus dem französischen Wortschatz auf.[2]

Es gibt drei regionale Dialekte: einen nördlichen Dialekt um Cap-Haïtian, einen südlichen Dialekt um Cayes und einen westlichen bzw. zentralen Dialekt um Port-au-Prince, der als Standardsprache angesehen wird. Sie unterscheiden sich in der Aussprache und durch verschiedene Präpositionen und pronominale Grammatikkonstruktionen.[3]

Die Sprache ist auch in Soziolekte geteilt: Kreyòl swa, Kreyòl fransize und bon Kreyòl, was negativ bewertend auch als Kreyòl rèk oder Kreyòl gwo bezeichnet wird.[4] Diese Soziolekte werden genutzt, um sich voneinander abzuheben (vor allem bei den Soziolekten, die nah am Französischen bleiben und von der haitianischen Elite genutzt werden, also swa und fransize), während bon Kreyòl (wörtlich: gutes Kreol) ein Zeichen der Solidarität der niedrigeren Bevölkerungsschicht ist.

Einige bedeutende Merkmale der Aussprache sind die Entrundung von französischem /y/ und /ø/ zu /i/ und /e/, das Gleiche geschieht mit offenem /œ/. So gilt "Jezi" für Französisch "Jésus" und "sè" für Französisch "sœur". Am letzten Beispiel erkennt man auch, dass das haitianische Kreol eine nicht-rhotische Sprache ist. Das r wird nur vor Vokalen gesprochen.

Geschichte

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Entstehung

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Aufgrund der sprachlichen Vielfalt in Afrika im Allgemeinen und in Westafrika im Speziellen hatten die neu eingetroffenen Sklaven kein allgemein verständliches Kommunikationsmittel. Um miteinander und mit ihren Herren kommunizieren zu können, mussten sie eine neue Sprache lernen. Die Sprache bestand überwiegend aus Wörtern der Sprache der Herren, jedoch mit einer anderen, anfangs oft stark vereinfachten Grammatik. In dem Maße, wie diese Pidgin-Sprache zur Muttersprache wurde, entwickelte sich daraus eine Kreolsprache.

Verschriftlichung und Normierung

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Von 1940 bis 1943 wurde die haitianische Sprache von H. Ormonde McConnell und Frank Laubach in eine schriftliche Form gebracht, welche bis 1979 von der haitianischen Regierung zur Alphabetisierung benutzt wurde.[5]

1979 normierte das Nationale Pädagogische Institut (Institut Pédagogique National) die Rechtschreibung nach Grundsätzen, die an der Indiana University unter der Leitung von Albert Valdman ausgearbeitet worden waren.[6]

Heutiger Status

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Seit 1961 besitzt die haitianische Sprache den Status als Amts- und Unterrichtssprache. Alle Schulbücher der unteren Klassen werden bereits auf Haitianisch veröffentlicht. Es existieren Zeitungen, Radio- und Fernsehprogramme auf Haitianisch. Die Literatursprache besteht seit Félix Morisseau-Leroy, der in den 1940er und 1950er Jahren erste Werke in der Sprache des Volkes herausbrachte.[7]

Ca 5–10 % der Bevölkerung Haitis sind zweisprachig mit Französisch,[8] jedoch besitzt Haitianisch einen niedrigeren sozialen Status, vor allem bei Haitianern europäischer und europäisch-afrikanischer Herkunft.

Siehe auch

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Einzelnachweise

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  1. Henri Wittmann, Robert Fournier: Contraintes sur la relexification: les limites imposées dans un cadre théorique minimaliste. In: Robert Fournier (Hrsg.): Mélanges linguistiques. Presses universitaires de Trois-Rivières, Trois-Rivières 1996, ISBN 2-9802307-5-8, S. 245–280.PDF
  2. Henri Wittmann: The lexicostatistical classification of the French-based Creole languages. In: Isidore Dyen (Hrsg.): Lexicostatistics in genetic linguistics. Proceedings of the Yale conference, April 3–4, 1971. Mouton, La Haye 1973, S. 89–99, (online (Memento vom 3. Oktober 2008 im Internet Archive; PDF)).
  3. Appen ButtlerHill: HAITIAN CREOLE LSP Page 1 Language Specific Peculiarities Document for HAITIAN CREOLE as Spoken in HAITI. Abgerufen am 5. März 2022.
  4. Bambi B. Schieffelin, Rachelle Charlier Doucet: The "Real" Haitian Creole: Ideology, Metalinguistics, and Orthographic Choice. Hrsg.: American Ethnologist, Wiley. 1. Februar 1994, JSTOR:646527 (englisch).
  5. Robert A. Hall: Haitian Creole: Grammar, texts, vocabulary (= American Anthropological Society, Memoir No. 74). American Anthropological Association, Menasha 1953, S. 25–27.
  6. Yves François Déjean: Comment écrire le créole d’Haiti. Diss., Indiana University, Bloomington 1977.
  7. Nick Caistor: Obituary: Felix Morisseau-Leroy. In: The Independent. 11. September 1998, abgerufen am 24. Juli 2024 (englisch).
  8. Should Creole replace French in Haiti's schools? In: BBC News. 24. August 2011 (bbc.com [abgerufen am 5. März 2022]).