Als Ohrkerzen (oder auch Ohrenkerzen) werden Hohlkerzen bezeichnet, die laut Hersteller für die Ohrreinigung eingesetzt werden können. In Deutschland werden sie seit etwa 1990 angeboten. Dass die Kerzen eine reinigende Wirkung haben, ist weder physikalisch noch chemisch zu begründen. Dass die Kerzen eine therapeutische Wirkung haben, gilt daher als „unplausibel und nachweislich falsch“.[1]
Anwendung
BearbeitenOhrkerzen sind hohl und 20 bis 30 cm lang, manchmal trichterförmig, und bestehen aus Bienenwachs, ätherischen Ölen, Gaze und pulverisierten Pflanzenteilen, auch Baumwolle. Das untere Ende ist manchmal von einer dünnen Aluminiumfolie umwickelt. Einige Hersteller verarbeiten im unteren Teil der Ohrkerze einen Filter. Bei der Anwendung liegt die Person auf der Seite. Die Ohrkerze soll mit einer drehenden Bewegung ohne Druck senkrecht in ein Ohr gesteckt werden, so dass der Gehörgang luftdicht verschlossen ist. Dann wird die Kerze angezündet. Diese Form der Anwendung soll einen Reinigungseffekt durch Wärmeeintrag in den Gehörgang bewirken, wodurch das Ohrenschmalz ein wenig weicher werden soll. Angeblich wird bei der Verbrennung auch ein Sog erzeugt, wodurch sie Ohrenschmalz und vermutete Giftstoffe im Körper entfernen sollen.[2]
Gesundheitliche Risiken
BearbeitenDurch geschmolzene Wachstropfen können Verbrennungen im Gehörgang entstehen, auch von Trommelfellverletzungen wird berichtet.[3][4] Unter anderem die US-Gesundheitsbehörde rät daher von der Verwendung ab[5][6] und hat 2013 ein Importverbot erlassen, da es sich um ein Medizinprodukt handle, das gefährlich sei und keine belegte Wirkung habe.[7]
Ohrenkerzen werden mit diversen therapeutischen Effekten beworben, beispielsweise sollen sie zur Linderung von Ohr- und Nasennebenhöhlenbeschwerden, Rhinitis, Sinusitis, Leimohr, Erkältungen, Grippe, Migräne oder Tinnitus dienen. Hierfür gibt es keinen Nachweis.[2] Im Zusammenhang mit einer Klage wegen unlauteren Wettbewerbs urteilte das Landgericht Frankfurt am Main am 7. Februar 2007 (Aktenzeichen 2-06 O 218/06): „Die Bewerbung von Hopi-Kerzen […] als Therapiemittel […] ist zur Irreführung geeignet, da sich derlei Wirkungsbehauptungen nicht auf eine hinreichende wissenschaftliche Absicherung stützen können.“[8]
Falls die Ohrenschmalzdrüsen übermäßig viel Ohrenschmalz bilden, empfehlen HNO-Ärzte, dieses im Turnus von rund drei Monaten professionell von einem Arzt entfernen zu lassen.[9]
„Hopi“-Kerzen
BearbeitenObwohl solche Kerzen auch unter der Bezeichnung „Hopi“-Kerzen vermarktet werden,[10] stammen sie nicht vom Stamm der Hopi[11][2] und stehen auch mit keinem anderen indigenen Stamm in Verbindung.
Literatur
Bearbeiten- Daniel R. Seely et al.: Ear Candles-Efficacy and Safety. In: The Laryngoscope. Band 106, Nr. 10, 1996, S. 1226–1229. doi:10.1097/00005537-199610000-00010
- E. Ernst: Ear candles: a triumph of ignorance over science. In: The Journal of Laryngology & Otology. Band 118, Nr. 1, 2004, S. 1–2. doi:10.1258/002221504322731529
Weblinks
Bearbeiten- Hopi-Ohrenkerzen – gefährlicher Schwachsinn. Auf: spektrum.de, 1. Januar 2011.
- Gesundheitsrisiken von Ohrenkerzen. Auf: aerzteblatt.de, 22. Februar 2010.
- Lisa Roazen: Why Ear Candling Is Not a Good Idea. Auf: quackwatch.org, 12. Mai 2010.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ E. Ernst: Ear candles: a triumph of ignorance over science. In: The Journal of Laryngology & Otology. Band 118, Nr. 1. Cambridge University Press, 2004, doi:10.1258/002221504322731529.
- ↑ a b c Edzard Ernst: Heilung oder Humbug?: 150 alternativmedizinische Verfahren von Akupunktur bis Yoga. 1. Auflage. Springer, Berlin 2020, ISBN 978-3-662-61708-3, S. 218–219, doi:10.1007/978-3-662-61709-0.
- ↑ Ear Candling: A Fool Proof Method, or Proof of Foolish Methods? Auf: audiologyonline.com, 12. Dezember 2005.
- ↑ Listen up: Beware of the „ear candle“. Auf: CBC/Radio-Canada. 22. Februar 2000.
- ↑ J. Rafferty, A. Tsikoudas, B. C. Davis: Ear candling – Should general practitioners recommend it? In: Can Fam Physician. Band 53, Nr. 12, Dezember 2007, S. 2121–2122, PMID 18077749.
- ↑ Ear Candles: Risk of Serious Injuries. Auf: fda.gov, 9. Mai 2013.
- ↑ Import Alert 77-01: Detention Without Physical Examination Of Ear Candle. Auf: fda.gov, 20. Juni 2013.
- ↑ Bewerbung von Hopi-Kerzen. Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main im Zusammenhang mit Verstößen gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. In: Medizin Produkte Recht (MPR). Nr. 1, 2008, S. 19–22. Volltext (PDF)
- ↑ Tipps zur richtigen Ohrenpflege. Auf: hno-aerzte-im-netz.de, abgerufen am 5. Mai 2019.
- ↑ Hopi-Ohrenkerzen – gefährlicher Schwachsinn. Auf: spektrum.de vom 1. Januar 2011.
- ↑ Leigh J. Kuwanwisiwma: The Authenticity of the Hopi Candle. Abgerufen am 5. Mai 2019 (englisch).
“The Hopi Cultural Preservation Office is not aware of Hopi people ever practicing ‘Ear Candeling.’ […] This therapy should not be called ‘Hopi Ear Candeling.’ The history of Ear Candeling should not refer to being used by the Hopi Tribe. Use of this false information with reference to Hopi should be stopped.”
„Dem Büro zur Bewahrung der Kultur der Hopi ist nicht bekannt, dass das Hopi-Volk je ‚Ohrkerzen‘ verwendet hat. […] Diese Therapie sollte nicht ‚Hopi-Kerzen-Behandlung‘ genannt werden. Die Geschichte der Ohrenkerzen sollte nicht beinhalten, dass diese jemals vom Hopi-Stamm verwendet wurden. Die Falschinformationen in Bezug auf die Hopi sollten gestoppt werden.“
– Leigh J. Kuwanwisiwma