Gesetz über die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden

(Weitergeleitet von KastrG)

Das deutsche Gesetz über die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden regelt die Umstände, unter denen eine durch einen Arzt vorgenommene Kastration an einem Mann nicht als Körperverletzung strafbar ist. Es beschreibt damit einen strafrechtlichen Rechtfertigungsgrund und diente bei seinem Inkrafttreten vor allem einer Bereinigung und Vereinheitlichung der bundesdeutschen Rechtslage (vorher galt für Kastration in den meisten Bundesländern noch das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses).[1]

Basisdaten
Titel: Gesetz über die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden
Abkürzung: KastrG (nicht amtlich)
Art: Bundesgesetz
Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Rechtsmaterie: Strafrecht
Fundstellennachweis: 453-16
Erlassen am: 15. August 1969
(BGBl. I S. 1143)
Inkrafttreten am: 15. Februar 1970
Letzte Änderung durch: Art. 2 G vom 4. November 2016
(BGBl. I S. 2460, 2463)
Inkrafttreten der
letzten Änderung:
10. November 2016
(Art. 3 G vom 4. November 2016)
GESTA: C101
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Das Gesetz wendet sich insbesondere an Sexualstraftäter.

Eine Kastration ist im Sinne des Gesetzes eine gegen die Auswirkungen eines abnormen Geschlechtstriebs gerichtete Behandlung, bei der die Keimdrüsen eines Mannes absichtlich entfernt oder dauernd funktionsunfähig gemacht werden (§ 1 KastrG). Wann ein abnormer Geschlechtstrieb im Sinne dieser Vorschriften anzunehmen ist, lässt sich nicht generell sagen. Die Bejahung oder Verneinung des Merkmals hängt nach der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von den jeweiligen Gegebenheiten des Einzelfalles ab.[2]

Voraussetzung für die Straflosigkeit ist, dass

  1. der Betroffene einwilligt,
  2. die Behandlung nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft angezeigt ist, um bei dem Betroffenen schwerwiegende Krankheiten, seelische Störungen oder Leiden, die mit seinem abnormen Geschlechtstrieb zusammenhängen, zu verhüten, zu heilen oder zu lindern oder bei dem Betroffenen ein abnormer Geschlechtstrieb gegeben ist, der die Begehung bestimmter Sexualstraftaten erwarten lässt, und die Kastration nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft angezeigt ist, um dieser Gefahr zu begegnen und damit dem Betroffenen bei seiner künftigen Lebensführung zu helfen,
  3. der Betroffene das fünfundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat,
  4. für ihn körperlich oder seelisch durch die Kastration keine Nachteile zu erwarten sind, die zu dem mit der Behandlung angestrebten Erfolg außer Verhältnis stehen, und
  5. die Behandlung nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vorgenommen wird (§ 2 KastrG).

Die Einwilligung ist nur wirksam, wenn der Betroffene vorher über Grund, Bedeutung und Nachwirkungen der Kastration, über andere in Betracht kommende Behandlungsmöglichkeiten sowie über sonstige Umstände aufgeklärt worden ist (§ 3 Abs. 1 KastrG). Kann er (z. B. wegen geistiger Behinderung) Grund und Bedeutung der Kastration nicht voll einzusehen und seinen Willen hiernach bestimmen, muss er wenigstens verstanden haben, welche unmittelbaren Folgen eine Kastration hat. Außerdem muss er einen Betreuer erhalten, der nach Aufklärung und Genehmigung des Betreuungsgerichts in die Behandlung einwilligt (§ 3 Abs. 3, § 6 KastrG). Um eine lebensbedrohende Krankheit zu verhüten, zu heilen oder zu lindern, ist eine Kastration auch dann zulässig, wenn der Betroffene das fünfundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 3 Abs. 4 Satz 2 KastrG).

Die tatsächliche Freiwilligkeit ist zugleich der Kernpunkt der Kritik, wenn der Täter nur dadurch die Haftzeit verkürzen und eine anschließende lebenslange Sicherungsverwahrung vermeiden kann.[3]

Literatur

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  • Kastration: Fragwürdige Freiheit. In: Der Spiegel. Nr. 9, 1970, S. 163–165 (online23. Februar 1970).
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Einzelnachweise

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  1. vgl. Entwurf eines Gesetzes über die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden BR-Drs. V/3702 vom 8. Januar 1969, S. 4 ff.
  2. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Nickels, Frau Oesterle-Schwerin und der Fraktion DIE GRÜNEN - Drucksache 11/4403 BT-Drs. 11/4496 vom 8. Mai 1989.
  3. Stefan Mayr: Um der Sicherungsverwahrung zu entgehen – Sexualstraftäter lässt sich die Hoden entfernen. Süddeutsche Zeitung vom 9. Dezember 2008. Abgerufen am 21. März 2015.