Klassenbewusstsein

spezifische Vorstellung einer Klasse über ihre grundlegenden Interessen, ihre Rolle in der Gesellschaft sowie ihre materiellen Existenzbedingungen
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Klassenbewusstsein ist die spezifische Vorstellung einer sozialen Klasse über ihre grundlegenden Interessen und ihre Rolle in der Gesellschaft sowie ihre materiellen Existenzbedingungen. Anknüpfend an eine Formulierung von Karl Marx wurde in der Rezeption seines Werkes oftmals zwischen der „Klasse an sich“ und der „Klasse für sich“ unterschieden,[1] und dieses Konzept mit Hegels Denken in Verbindung gebracht.[2] Eine durch ihre Stellung in den gegebenen Produktionsverhältnissenan sich“ gegebene Klasse könne nur zur politisch „für sich“ handelnden Klasse werden, wenn sie gemeinsam lernt, kämpft und Erfahrungen sammelt.[3] Friedrich Engels definierte den Begriff „klassenbewußt“ als ein Bewusstsein des Einzelnen von seiner eigenen Klassenlage.[4]

Die Rezeption des Konzeptes fiel differenziert aus. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts war zwischen dem sozialdemokratischen Revisionismus / Reformismus Bernsteins, Lenins Avantgardismus, Rosa Luxemburgs Theorie der Spontaneität, sowie Antonio Gramscis oder Georg Lukács’ „Philosophie der Praxis“ umstritten, unter welchen Bedingungen die Möglichkeit besteht, durch Klassenpolitik Klassenbewusstsein bzw. kollektives Identitätsbewusstsein und somit klassenbewusstes Handeln auszubilden.[2]

Während bei orthodoxen Interpretationen und nichtmarxistischen Rezeptionen oftmals die Klassen, ihre politischen Kämpfe, das Bewusstsein der einzelnen Individuen usw. als aus einer rein ökonomischen Bewegung abgeleitet aufgefasst werden, betonen Marxisten wie Gramsci, Althusser, Poulantzas usw. das gesellschaftliche Entstehen der Klassen in ökonomischen, politischen, ideologischen Herrschaftsverhältnissen oder Praxen, woraus sich ein komplexes Entstehen von Bewusstseinsformen der eigenen Klassenlage in umkämpften ökonomischen, politischen und ideologischen Herrschaftsverhältnissen ergibt.

Siehe auch

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Literatur

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Anmerkungen

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  1. Vgl. Michael Heinrich, Welche Klassen und welche Kämpfe? In: Grundrisse, 11, 2004.: „In marxistischen Debatten wurde dieser Unterschied in Anlehnung an eine Formulierung aus dem „Elend der Philosophie“ (…) häufig als „Klasse an sich“ und „Klasse für sich“ bezeichnet.“ Kritisch Wolfgang Fritz Haug in: Vorwort, HKWM Band 7.1: „Suchprozesse kommen manchmal zu dem Ergebnis, dass ein Marx zugeschriebener Gemeinplatz unbekannten Ursprungs ist. So bei der Rede von Klasse an sich/für sich.“ Anm.: Marx spricht zwar von der Klasse für sich, jedoch nicht von der Klasse an sich. Vgl. Fußnote 3.
  2. a b Dieter Nohlen, Rainer-Olaf Schultze (Hrsg.): Lexikon der Politikwissenschaft. Theorien, Methoden, Begriffe. Band 1, 2005, S. 435.
  3. Karl Marx: Das Elend der Philosophie, 1847. In: MEW, Band 4, S. 180 f.: „Die ökonomischen Verhältnisse haben zuerst die Masse der Bevölkerung in Arbeiter verwandelt. Die Herrschaft des Kapitals hat für diese Masse eine gemeinsame Situation, gemeinsame Interessen geschaffen. So ist diese Masse bereits eine Klasse gegenüber dem Kapital, aber noch nicht für sich selbst. In dem Kampf (…) findet sich diese Masse zusammen, konstituiert sie sich als Klasse für sich selbst. Die Interessen, welche sie verteidigt, werden Klasseninteressen. Aber der Kampf von Klasse gegen Klasse ist ein politischer Kampf.“
  4. Friedrich Engels: Zur Kritik des sozialdemokratischen Programmentwurfs 1891, MEW Bd. 22, S. 232: „Statt »klassenbewußt«, was zwar unter unsern Kreisen leicht verständliche Abkürzung, würde ich sagen im Interesse des allgemeinen Verständnisses und der Übersetzung in fremde Sprachen: »mit den zum Bewußtsein ihrer Klassenlage durchgedrungnen Arbeitern« oder ähnliches.“ (Bezugnehmend auf folgende Stelle im Entwurf des Erfurter Parteiprogramms: „In dieser Erkenntnis fühlt und erklärt die Sozialdemokratische Partei Deutschlands sich eins mit den klassenbewußten Arbeitern aller übrigen Länder.“)