Klaus W. Hempfer

deutscher romanistischer Literaturwissenschaftler
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Klaus W. Hempfer (mit zweitem Vornamen Willy[1] oder Willi[2], * 1942 in Augsburg) ist ein deutscher Romanist und Literaturwissenschaftler. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen unter anderem die französische und italienische Literatur der Renaissance und der Aufklärung sowie in systematischer Hinsicht Gattungs-, Fiktions-, Epochen-, Intertextualitäts- und Interpretationstheorie.

Leben und Forschung

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Hempfer studierte ab 1962 Anglistik und Romanistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), an der er 1967 das Staatsexamen ablegte. Im Jahre 1970 folgte dort am Lehrstuhl von Alfred Noyer-Weidner seine Promotion und vier Jahre später die Habilitation. Beide Qualifikationsschriften befassen sich mit einem Thema aus dem Bereich der französischen Literaturwissenschaft. Anschließend war er wissenschaftlicher Rat und Professor am Institut für Romanische Philologie der LMU, bis er schließlich 1977 als Nachfolger von Walter Pabst auf einen Lehrstuhl für Romanische Philologie an der Freien Universität Berlin berufen wurde. Von 2003 bis 2007 war Hempfer zudem Erster Vizepräsident der FU. Hempfer blieb bis zum Eintritt in den Ruhestand Professor für französische und italienische Literaturwissenschaft an ebendieser Universität. Seit 2014 ist er Gastprofessor in der Funktion eines Seniorprofessors am Institut für Romanische Philologie der Freien Universität Berlin.[3]

Hempfer hat wichtige Beiträge etwa zu Dante, Petrarca, Ariost, Voltaire und der französischen Lyrik des 19. Jahrhunderts vorgelegt. Seine Aufsätze zum europäischen Petrarkismus sind bedeutend in der Petrarkismusforschung der letzten Jahrzehnte. Hempfers epistemologische Epochenfundierung der Renaissance als "Pluralisierung von Autorität und Wahrheit"[4] wurde breit rezipiert und durch verschiedene Disziplinen übernommen. Die Tragfähigkeit des Konzepts untermauerte Hempfer durch Interpretationen zentraler literarischer Texte der (italienischen) Renaissance, allen voran des Orlando furioso von Ariost, zu dem er zahlreiche Aufsätze publizierte sowie 1987 eine Monographie vorgelegt hat, die über die deutschsprachige Romanistik hinaus rezipiert wurde (Diskrepante Lektüren; it. Übers. Letture discrepanti, 2004). In diesem Werk leistete Hempfer eine umfängliche Aufarbeitung der poetologischen Debatten im Cinquecento um das Epos in Italien. Zudem entwickelte Hempfer ein interpretationstheoretisches Modell, das darauf abzielt, sich mittels der Analyse zeitgenössischer Rezeptionszeugnisse an die historisch idealiter mögliche Rezeption eines Werkes rekonstruktiv anzunähern.

Sein bis heute wohl bekanntestes Werk, Gattungstheorie – Information und Synthese, erschien 1973. Hempfer prägte darin unter anderem den Begriff der „Schreibweise“ (in Hempfer 2018 auch: Kommunikationsmodus) in Abgrenzung zur literarischen Gattung. Von seinen jüngeren Publikationen sind insbesondere der Ansatz zu einer systematischen Theorie der Lyrik (Lyrik. Skizze einer systematischen Theorie, Stuttgart: Steiner 2014) sowie ein Grundlagenwerk zu zentralen Themenbereichen einer systematisch arbeitenden Literaturwissenschaft (Literaturwissenschaft – Grundlagen einer systematischen Theorie, Stuttgart: J.B. Metzler 2018) hervorzuheben.

In der literaturwissenschaftlichen Gattungstheorie viel beachtet ist Hempfers Theorie der Lyrik, die der gängigen Auffassung, das Lyrische sei transhistorisch und systematisch nicht bestimmbar, mit einem Ansatz entgegentritt, der den lyrischen Kommunikationsmodus als Prototyp mittels eines Kriterienkatalogs zu bestimmen versucht, bei dem die einzelnen Kriterien systematisch aufeinander bezogen sind und deren Erfüllung Hempfer als Performativitätsfiktion auf den Begriff bringt.[5] In seinem Grundlagenwerk aus dem Jahr 2018, das 2024 in einer leicht erweiterten Fassung in englischer Übersetzung erschien, legte Hempfer eine in Auseinandersetzung mit aktueller Forschung erarbeitete Synthese und Vertiefung seiner seit vielen Jahrzehnten anhaltenden Beschäftigung mit Fragen systematischer Literaturtheorie vor, aufgefächert in die sechs Themenkreise 'Interpretation', 'Fiktion', 'Performativität', 'Intertextualität', 'Gattung' und 'Epoche'.

Hempfer erhielt mehrere Auszeichnungen. Für seine Forschungen zur italienischen Literatur sowie sein Engagement im Bereich der deutsch-italienischen Beziehungen wurden ihm im Jahr 2001 etwa das Großoffizierskreuz des Verdienstordens der Republik Italien ("Al Merito della Repubblica Italiana") und im Jahr 2002 der Premio Internazionale Galileo Galilei für Italienische Literaturwissenschaft verliehen.[6]

Schülerinnen und Schüler von Hempfer sind unter anderem Ulrike Schneider, Anita Traninger, Irina O. Rajewsky, Christina Schaefer und Andreas Kablitz.

Literatur

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Monographien
  • Hempfer, Klaus W.: Tendenz und Ästhetik. Studien zur französischen Verssatire des 18. Jahrhunderts, München: Wilhelm Fink 1972 (Diss.).
  • Ders.: Gattungstheorie. Information und Synthese, München: Wilhelm Fink 1973.
  • Ders.: Poststrukturale Texttheorie und narrative Praxis: Tel Quel und die Konstitution eines nouveau nouveau roman, München: Wilhelm Fink 1976 (Habil.).
  • Ders.: Diskrepante Lektüren: die Orlando-Furioso-Rezeption im Cinquecento. Historische Rezeptionsforschung als Heuristik der Interpretation, Stuttgart: Steiner 1987 (it. Übersetzung: Letture discrepanti. La ricezione dell’Orlando Furioso nel Cinquecento, Modena: Panini 2004).
  • Ders.: Grundlagen der Textinterpretation, hg. v. Stefan Hartung, Stuttgart: Steiner 2002.
  • Ders.: Lyrik. Skizze einer systematischen Theorie, Stuttgart: Steiner 2014.
  • Ders.: Literaturwissenschaft – Grundlagen einer systematischen Theorie, Stuttgart: Metzler 2018 (engl. Übersetzung: Fundamentals of Literary Theory, London: Palgrave Macmillan 2024).
Herausgeberschaft (Auswahl)
  • [mit G. Regn]: Interpretation. Das Paradigma der europäischen Renaissance-Literatur. Festschrift für Alfred Noyer-Weidner zum 60. Geburtstag, Wiesbaden: Steiner 1983.
  • Poststrukturalismus – Dekonstruktion – Postmoderne, Stuttgart: Steiner 1992.
  • [mit G. Regn]: Der Petrarkistische Diskurs: Spielräume und Grenzen, Akten des Kolloquiums an der Freien Universität Berlin 23.10.-27.10.1991, Stuttgart: Steiner 1993.
  • Renaissance. Diskursstrukturen und epistemologische Voraussetzungen. Literatur – Philosophie – Bildende Kunst, Stuttgart: Steiner 1993.
  • [mit G. Regn]: Petrarca-Lektüren. Gedenkschrift für Alfred Noyer-Weidner, Stuttgart: Steiner 2003.
  • Poetik des Dialogs, Aktuelle Theorie und rinascimentales Selbstverständnis, Stuttgart: Steiner 2004.
  • [mit A. Traninger]: Dynamiken des Wissens, Freiburg: Rombach 2007.
  • [mit J. Volbers]: Theorien des Performativen. Sprache – Wissen – Praxis. Eine kritische Bestandsaufnahme, Bielefeld: transcript 2011.
  • [mit V. von Rosen]: Multiple Epochisierungen. Literatur und Bildende Kunst 1500-1800, Berlin: J. B. Metzler 2021.
Wichtige Aufsätze (Auswahl)
  • „Die potentielle Autoreflexivität des narrativen Diskurses und Ariosts Orlando Furioso“, in: Erzählforschung, hg. v. E. Lämmert, Stuttgart: Metzler 1982, S. 130–156.
  • „Überlegungen zu einem Gültigkeitskriterium für Interpretationen und ein komplexer Fall: Die italienische Ritterepik der Renaissance“, in: Interpretation. Das Paradigma der europäischen Renaissance-Literatur. Festschrift für Alfred Noyer-Weidner zum 60. Geburtstag, hg. v. K. W. Hempfer und G. Regn, Wiesbaden: Steiner 1983, S. 1–31.
  • „Probleme der Bestimmung des Petrarkismus. Überlegungen zum Forschungsstand“, in: Pluralität der Welten, hg. v. W. D. Stempel und K. Stierle, München: W. Fink 1987, S. 253–277.
  • „Zu einigen Problemen einer Fiktionstheorie“, in: Zeitschrift für französische Sprache und Literatur 100 (1990), S. 109–137.
  • „Intertextualität, Systemreferenz und Strukturwandel: Die Pluralisierung des erotischen Diskurses in der italienischen und französischen Renaissance-Lyrik (Ariost, Bembo, Du Bellay, Ronsard)“, in: Modelle des literarischen Strukturwandels, hg. v. M. Titzmann, Tübingen: Niemeyer 1991, S. 7–43.
  • „Probleme traditioneller Bestimmungen des Renaissancebegriffs und die epistemologische 'Wende'“, in: Renaissance. Diskursstrukturen und epistemologische Voraussetzungen. Literatur – Philosophie – Bildende Kunst, hg. v. K. W. Hempfer, Stuttgart: Steiner 1993, S. 9–45.
  • „Konstituenten Parnassischer Lyrik“, in: Romanische Lyrik. Dichtung und Poetik. Walter Pabst zu Ehren, hg. v. T. Heydenreich, E. Leube und L. Schrader, Tübingen: Stauffenburg 1993, S. 69–91.
  • „Ariosts Orlando Furioso – Fiktion und episteme“, in: Literatur, Musik und Kunst im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1989 bis 1992, hg. v. H. Boockmann et al., (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-historische Klasse. Dritte Folge, 208), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1995, S. 46–85.
  • „(Pseudo-)Performatives Erzählen im zeitgenössischen französischen und italienischen Roman“, in: Romanistisches Jahrbuch 50 (1999 [= 2000]), S. 158–182.
  • „Die Poetik des Dialogs im Cinquecento und die neuere Dialogtheorie: zum historischen Fundament aktueller Theorie“, in: Poetik des Dialogs. Aktuelle Theorie und rinascimentales Selbstverständnis, hg. v. K. W. Hempfer, Stuttgart: Steiner 2004, S. 67–96.
  • „Zum Verhältnis von 'Literatur' und 'Aufklärung'“, in: Zeitschrift für französische Sprache und Literatur 115 (2005), S. 21–53.
  • „Zum begrifflichen Status der Gattungsbegriffe: von 'Klassen' zu 'Familienähnlichkeiten' und 'Prototypen'“, in: Zeitschrift für französische Sprache und Literatur 120 (2010), S. 14–32.
  • „Multiple Epochisierungen und die (Un-)Möglichkeit der Konstruktion einer Makroepoche 'Frühe Neuzeit'“, in: Multiple Epochisierungen. Literatur und Bildende Kunst 1500-1800, hg. v. K. W. Hempfer und V. von Rosen, Berlin: J. B. Metzler, 2021, S. 1–43.
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Einzelnachweise

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  1. Hempfer, Klaus W., auf viaf.org
  2. DNB 108151751 Katalogeintrag der Deutschen Nationalbibliothek
  3. Profil von Klaus W. Hempfer auf der Website des Instituts für Romanische Philologie der Freien Universität Berlin
  4. Klaus W. Hempfer: Multiple Epochisierungen und die (Un-)Möglichkeit der Konstruktion einer Makroepoche ‚Frühe Neuzeit‘. In: Klaus W. Hempfer, Valeska von Rosen (Hrsg.): Multiple Epochisierungen. J.B. Metzler, Stuttgart 2021, ISBN 978-3-476-05793-8, S. 1–43, doi:10.1007/978-3-476-05794-5_1.
  5. Klaus W. Hempfer: Lyrik. Skizze einer systematischen Theorie. Steiner, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-515-10643-6, S. 34.
  6. Klaus W. Hempfer: FOR 2305, Working Paper No. 6, "Die Nichtvermeidbarkeit von Epochisierungen". Abgerufen am 18. Oktober 2024.