Kloster Mariensee

evangelisches Frauenkloster in Mariensee, einem Ortsteil von Neustadt am Rübenberge
(Weitergeleitet von Klosterkirche Mariensee)
Zisterzienserabtei Mariensee
Lage: Deutschland
Niedersachsen
Ordnungsnummer
(nach Janauschek):
Patrozinium: Maria und Johannes Ev.
Gründungsjahr: 1213/14
Reformation: 1543
Mutterkloster:
Tochterklöster: keine

Das Kloster Mariensee ist ein evangelisches Frauenkloster in Mariensee, einem Ortsteil von Neustadt am Rübenberge unweit von Hannover. Es ist eines der fünf Calenberger Klöster, die von der Klosterkammer Hannover verwaltet werden.

Kloster Mariensee
Lageplan der Klosteranlage 1742

Geschichte

Bearbeiten

Das Kloster Mariensee wurde um 1213/14 als Zisterzienserinnenkloster von Graf Bernhard II. von Wölpe gegründet und mit großem Landbesitz ausgestattet.[1] Das lange angenommene Gründungsjahr 1207 beruht auf dem Schreibfehler einer Herzogsurkunde von 1227. Die Nonnen lebten weltabgeschieden in Klausur. Durch Besitzungen in der befestigten Altstadt von Hannover konnten die vom Kloster erzeugten landwirtschaftlichen Produkte leichter verkauft werden. Die Erlöse ermöglichten den Bau einer Saalkirche aus Backstein. Nachdem das Geschlecht derer von Wölpe um 1300 erlosch, ging ihr Erbe durch Kauf an die Welfen. Dadurch verschlechterten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klosters. Auch die strengen Ordensregeln wurden weniger beachtet. Reformversuchen gegen den Sittenverfall durch Herzog Wilhelm von Calenberg und seinen Klosterreformator Johannes Busch im Jahre 1430 widersetzten sich die Nonnen zunächst.

Im Zuge der Reformation wurde das Kloster 1543 nicht aufgelöst, sondern im evangelischen Sinne weiter geführt. Das Klostervermögen wurde getrennt verwaltet. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde die Klosteranlage geplündert und teilweise zerstört. 1720 gab es einen Großbrand, der das mittelalterliche Klostergebäude komplett vernichtete. Damit war die Kirche das einzige Gebäude aus der Gründungszeit. In der Regierungszeit von König Georg II. wurde das Konventgebäude als Vierflügelanlage im Stil des norddeutschen Barock wieder aufgebaut. Gleichzeitig wurde die Ausstattung der Kirche barockisiert – ebenso wie ihr Dachreiter, der in zisterziensischen Klöstern anstelle des Glockenturms steht. Der neue Bau entsprach im Grundriss der Bauordnung der Zisterzienser, jedoch ermöglichten nun einzelne Wohneinheiten die individuelle Haushaltsführung der Klosterfrauen.

Seit 2017 ist Kloster Mariensee einer der Frauenorte Niedersachsens zu Ehren der Äbtissin Odilie von Ahlden, deren Gebetbuch noch im Kloster aufbewahrt wird.[2]

Klosteranlage

Bearbeiten

Die Klosteranlage besteht aus der monumentalen Saalkirche und einer einheitlich gegliederten zweigeschossigen Vierflügelanlage, die in den Jahren 1726–1729 an Stelle der im Dreißigjährigen Krieg beschädigten mittelalterlichen Klostergebäude errichtet wurde. Die 13 Stiftsdamenwohnungen sind von einem Korridor aus zugänglich, der in der Art eines Kreuzgangs an der Innenhofseite der vier Flügel entlangläuft. Davon durch Arkaden abgesondert ist der repräsentative barocke Treppenaufgang zur Westempore. Südlich der Vierflügelanlage sind zwei Fachwerkbauten mit Walmdach symmetrisch angeordnet, deren östlicher auf einer Bogensubstruktion für die Hindurchleitung eines Baches errichtet und durch einen gedeckten Gang mit dem Kloster verbunden ist.[1]

Klosterkirche St. Marien

Bearbeiten

Architektur

Bearbeiten
 
Westteil der Klosterkirche mit anschließendem Klostergebäude
 
Innenraum der Kirche mit Blick auf das Dominikalgewölbe
 
Blick zur Orgel

Die Klosterkirche ist ein dreijochiger Backsteinbau aus der Mitte des 13. Jahrhunderts mit Chorpolygon. Das westliche Joch wurde zu Beginn des 14. Jahrhunderts hinzugefügt. Im 18. Jahrhundert wurde die Nordwand durch einen massiven Strebepfeiler abgestützt. In den Jahren 1867/1868 erfolgte eine umfassende Restaurierung unter Conrad Wilhelm Hase, bei der ein Westriegel mit Dachreiter vorgelegt, die Strebepfeiler verstärkt, das Traufgesims, die Bogenfriese und das Nordwestportal vorsichtig erneuert wurden. Außerdem wurde ein weiteres Portal angelegt, eine Sakristei angebaut und das Innere umgestaltet, wobei eine steinerne Orgelempore mit Holzbrüstung eingebaut und ein Durchbruch in der Südwand zu der neu eingerichteten Damenempore geschaffen wurde.

Das beachtliche Bauwerk ist durch die gleichzeitige Architektur der Zisterzienser geprägt und zeigt außerdem Einwirkungen des westfranzösischen Plantagenetstils und typische Elemente der norddeutschen Backsteingotik.

Das klar gegliederte Äußere ist durch einen profilierten Sandsteinsockel mit Backsteinmauerflächen und ursprünglich lisenenartig flachen Strebepfeilern sowie einen abschließenden Kreuzbogenfries (ähnlich der Kirche in Mandelsloh) und sehr schlanke Spitzbogenfenster mit Glasursteinverzierungen gekennzeichnet. Die Fenster des östlichen Langhausjochs sind in einer gestaffelten Dreiergruppe ähnlich wie an der Klosterkirche in Riddagshausen angeordnet. In der heute veränderten Außenwand des mittleren Jochs war die Fenstergruppe durch zwei Okuli mit Passfüllung und eine zentrale Blendrose bekrönt; das Fenster des Westjochs zeigt eine maßwerkartige Gliederung aus drei gestaffelten Lanzettfenstern, die durch einen Spitzbogen eingefasst sind, wie sie für die spätmittelalterliche Backsteinarchitektur Norddeutschlands typisch ist.

Das Innere wird durch Domikalgewölbe geprägt, die durch zartgliedrige Wulstrippen gegliedert sind. Anstelle von Schlusssteinen zeigt das Ostjoch einen Wulstring um den Schnittpunkt der Rippen. Im Chorpolygon ist der polygonale 59-Schluss mit einem achtteiligen Gewölbe kombiniert, dessen westliches Rippenpaar gegen den Gurtbogen stößt. In der Apsis und im Ostjoch sind die Rippen und die ebenfalls wulstartig profilierten Gurtbögen durch Schaftringe dekoriert, die Schildbögen und Gewölbevorlagen dagegen schlicht als Mauerstreifen ausgebildet. Im mittleren Joch sind zur Anpassung an die Rippenform Rundstäbe zur Gliederung der Schildbögen und der westlichen Gewölbevorlagen eingesetzt. Das jüngere Westjoch ist mit einem flacheren Kreuzrippengewölbe auf vorkragenden Säulendiensten abgeschlossen.[1]

Ausstattung

Bearbeiten

Mittelalterliche Ausstattung

Bearbeiten

Das Hauptstück der Ausstattung ist ein künstlerisch wertvoller, überlebensgroßer Holzkruzifixus aus der Mitte des 13. Jahrhunderts, der ursprünglich als Triumphkreuz diente, seit 1913 aber an der Nordwand gegenüber der Damenempore aufgehängt ist. Auf der Damenempore befinden sich ein kleines Kruzifix von einem Vortragekreuz des 15. Jahrhunderts und eine fein gearbeitete Madonna mit Kind vom Ende des 15. Jahrhunderts, die vermutlich vom ehemaligen Hochaltar stammt. Ein kleiner spätgotischer Schnitzaltar vom Ende des 15. Jahrhunderts zeigt Anna selbdritt flankiert von zwei Relieftafeln mit der Kreuzigung und der Anbetung der Könige sowie acht einzelne Heiligenfiguren, an der Außenseite sind Malereireste erhalten.

Neuzeitliche Ausstattung

Bearbeiten

Ein runder Taufstein wurde 1545 geschaffen. Unter der Westempore befindet sich ein prächtiger Taufengel aus dem 18. Jahrhundert. Die übrige Ausstattung entstammt der Restaurierung von 1867/1868. Dazu gehören ein neugotischer Holzaltar mit Abendmahlsrelief von R. Engelhardt und einem Kreuzigungsbild von Carl Wilhelm Friedrich Oesterley, eine Holzkanzel mit Evangelistenfiguren, das Lesepult, der Klerikersitz, die Altarschranken, der Orgelprospekt, das Gestühl sowie die Brüstungen der Damen- und Westempore.[1]

 
Prospekt der Meyer-Orgel von 1869
 
Spieltisch

Johann Andreas Zuberbier baute 1754 über der Kanzel eine Orgel, die 1869 durch ein Werk von Eduard Meyer ersetzt wurde. Meyer überführte die Zuberbier-Orgel 1870 nach Dudensen, wobei das Pedal verloren ging. Seine eigene Orgel auf der neuen Westempore verfügte über 16 Register auf zwei Manualen und Pedal. Sie ist zum großen Teil erhalten und wurde 1995 restauriert. Die Disposition lautet wie folgt:[3]

I Manual CD–f3
Bordun 16′
Principal 8′
Doppelflöte 8′
Quintetön 8′
Octave 4′
Octave 2′
Mixtur IV
II Manual CD–f3
Geigenprincipal 8′
Gedact 8′
Gambe 8′
Fugara 4′
Pedal CD–d1
Subbaß 16′
Principalbaß 8′
Bordun 8′
Octave 4′
Posaune 16′

Wandteppich „Das Jüngste Gericht“

Bearbeiten

In der Kirche des Klosters hängt ein Wandteppich „Das Jüngste Gericht“. Das Stickbild in der Größe von 2,70 m Höhe und 2,30 m Breite ist die Nachbildung des ältesten Tafelbildes der vatikanischen Pinakothek. Der Wandteppich wurde in den Jahren 1994 und 1995 angefertigt von der Äbtissin Insea Hohlt-Sahm (1990–1997) und am 5. März 1997 am 70. Geburtstag Hohlt-Sahms der Klosterkammer Hannover in der Klosterkirche übergeben.[4]

Die Bilder des Wandteppichs sind in fünf Stufen angeordnet. Ganz oben thront Christus mit der Weltkugel und dem Kreuzstab in den Händen als der Allherrscher. Auf der Ebene darunter zeigt sich Christus mit den Nägelmale in den erhobenen Händen als der Gekreuzigte. Vor ihm sind in einer Truhe die Leidenswerkzeuge und neben ihm die Erzengel Gabriel und Michael sowie links und rechts davon je sechs Apostel als Richterkollegium zu sehen. Auf der mittleren Ebene führt von links der Apostel Paulus eine Schar von Erlösten heran, der Schächer zur Rechten Christi am Kreuz und Maria, die Gottesmutter, folgen zur Bildmitte hin. Zentral sind eine Reihe von Märtyrern mit Palmwedeln und einer Schriftrolle in der Hand und der Archidiakon Stephanus. Rechts davon stellen die Bilder drei Werke der Barmherzigkeit dar: Fürsorge für Hungernde, Kranke und Gefangene sowie Bekleidung Nackter. In der zweiten Bilderleiste von unten geben die wilden Tiere, Vögel und Fische die von ihnen Verschlungenen wieder her, das Meer und die Erde geben die Toten zurück, und zwei Engel mit Posaunen zeigen an, dass die Gräber sich öffnen. In der Mitte dieser Ebene zwischen Meer und Erde öffnet sich ein Blick ins Paradies, die vollendete Welt. Bis hierhin sind die Bilder in einem Rund dargestellt – die unterste Ebene ist viereckig dargestellt. Auf der linken Seite segnet Maria die Domina Benedicta und die Äbtissin Constanze. Auf der rechten Seite stoßen drei Engel die Verdammten in das Höllenfeuer.[4][3]

Wie seit 800 Jahren leben auch heute Frauen in geistlicher Gemeinschaft im Kloster Mariensee. Seit dem Jahr 2003 leitet Äbtissin Bärbel Görcke das Kloster. Klösterliche Gastfreundschaft bietet ein Gästebereich. Es finden Führungen, Konzerte,[5] Ausstellungen, Einkehrtage[6] und Seminare statt. Seit 2007 dokumentiert das Klostermuseum die Geschichte der evangelischen Frauenklöster in Niedersachsen.

Literatur

Bearbeiten
  • Martin Zeiller: Marienseh. In: Matthäus Merian (Hrsg.): Topographia Ducatus Brunswick et Lüneburg (= Topographia Germaniae. Band 15). 1. Auflage. Matthaeus Merians Erben, Frankfurt am Main 1654, S. 152 (Volltext [Wikisource]).
  • Wilhelm von Hodenberg (Hrsg.): Archiv des Klosters Mariensee (= Calenberger Urkundenbuch. 5. Abtheilung). Jänecke, Hannover 1858 (uni-goettingen.de).
  • Ernst Andreas Friedrich: Das Kloster Mariensee. In: Ernst Andreas Friedrich: Wenn Steine reden könnten. Band 4. Landbuch-Verlag, Hannover 1998, ISBN 3-7842-0558-5, S. 128–130.
  • Eberhard Doll: Ablaßurkunden für das Kloster Mariensee. In: Jahrbuch der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte. ISSN 0072-4238, Jg. 105, 2007, S. 11–32.
  • Eberhard Doll: Kloster Mariensee, Personallisten und biographische Notizen. Rasch Verlag, Bramsche 2008, ISBN 978-3-89946-122-0.
  • Bärbel Görcke: Kloster Mariensee. In: Klosterkammer Hannover (Hrsg.): Evangelische Klöster in Niedersachsen. Hinstorff, Rostock 2008, ISBN 978-3-356-01249-1, S. 35–39.
  • Bärbel Görcke: „Höre Tochter, und neige dein Ohr …“ (Ps 49,11a). Kloster Mariensee. In: Anna-Maria aus der Wiesche, Frank Lilie (Hrsg.): Kloster auf Evangelisch. Berichte aus dem gemeinsamen Leben. Vier-Türme-Verlag, Münsterschwarzach 2016, ISBN 978-3-89680-904-9, S. 74–79.
  • Eberhard Doll: Das Kloster Mariensee. Mit Beiträgen von Bernd Ulrich Hucker zur Gründungsgeschichte und von Andreas Sassen und Claudia Sassen über die Baugeschichte von Kloster und Kirche. Verlag Traugott Bautz, Nordhausen 2022, ISBN 978-3-95948-552-4.
Bearbeiten
Commons: Kloster Mariensee – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. a b c d Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Bremen – Niedersachsen. Deutscher Kunstverlag, München, Berlin 1992, ISBN 3-422-03022-0, S. 923–925 [noch mit Datierung 1207]; Bernd Ulrich Hucker: Kaiser Otto IV., Graf Bernhard II. von Wölpe und das Zisterzienserfrauenkloster Mariensee 1213/14, in: Eberhard Doll: Das Kloster Mariensee. Nordhausen 2022, ISBN 978-3-95948-552-4, S. 19–46, dort S. 23ff.
  2. frauenorte niedersachsen | Äbtissin Odilie von Ahlden. Abgerufen am 29. September 2019.
  3. a b Orgelbeschreibung und Link zu einem Foto des Wandteppichs auf Organ index, abgerufen am 6. März 2024.
  4. a b Insea Hohlt-Sahm, Axel Frhr. von Campenhausen (Hrsg.): Der Wandteppich – Das Jüngste Gericht – Kloster Mariensee. Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg 1998, ISBN 3-931820-16-5.
  5. Concert at the Mariensee Convent with the Oxford Bach Soloists. Abgerufen am 29. September 2019.
  6. Zu Gast im Kloster Mariensee. Abgerufen am 29. September 2019.

Koordinaten: 52° 34′ N, 9° 29′ O