Otto Niemeyer-Holstein (* 11. Mai 1896 in Kiel; † 20. Februar 1984 in Koserow) war ein deutscher Maler.
Leben
BearbeitenOtto Niemeyers Vater war der Völkerrechtler Theodor Niemeyer, sein Bruder der Architekt und Maler Johannes Niemeyer. Er war das fünfte Kind der Familie.
Von 1902 bis 1914 besuchte er die Elementarschule und die Oberrealschule. Als Freiwilliger leistete er in den Jahren 1914/1915 Militärdienst nach einer Ausbildung in Schleswig als Husar. Er fand 1916 als Kriegsbeschädigter Aufnahme in der Schweiz, wo er erste Unterweisungen in der Malerei erhielt. Er zeichnete die Landschaften im Engadin und dem Tessin und lernte dort den Künstlerkreis von Ascona kennen. Zusammen mit Marianne von Werefkin und fünf weiteren Malern war er 1924 Gründungsmitglied der dortigen Künstlergruppe „Der große Bär“. Er unternahm Reisen nach Italien, Jugoslawien, Spanien und Frankreich. Er lernte u. a. Alexej von Jawlensky sowie Arthur Segal kennen. Bei Curt Witte an der Kasseler Akademie erhielt er Unterricht.
Auf Anraten des befreundeten Schriftstellers Werner von der Schulenburg ergänzte er 1917 seinen Geburtsnamen Otto Niemeyer um den Zusatz „Holstein“, um seine geografischen Wurzeln hervorzuheben. Seine Bilder signierte er mit „ONH“. 1920 heiratete er Hertha Langwara. Aus der Ehe stammt der 1921 geborene Sohn Peter. 1925 ließ sich das Ehepaar scheiden.
1926 siedelte er nach Berlin über. Er heiratete 1927 Anneliese Schmidt; dieser Ehe entstammt der 1937 geborene Sohn Günter. Otto Niemeyer-Holstein studierte bei Willy Jaeckel und Arthur Segal. Ab 1933 lebte er auf Usedom zwischen den Orten Koserow und Zempin. Dort nutzte er ab 1936 einen ausgedienten Berliner S-Bahn-Wagen (ein Triebwagen des Versuchszuges E, ausgemustert 1933), zunächst nur im Sommer, als Arbeits- und Wohnstätte. Ab 1939 lebte er hier ganzjährig. Er nannte dieses Anwesen Lüttenort (Ort für „Lütter“, nach seinem Segelboot „Lütter“ – plattdeutsch: „Kleiner“). Das Wohnhaus und das Atelier („Tabu“) geht zurück auf Entwürfe von Fridel Hohmann und Karl Buttmann, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. Hier findet man ein Ensemble aus Malerei und Plastik, verbunden mit verspielter Architektur und Gartenkunst. Er stand in Kontakt mit den in der Nähe lebenden Malern Herbert Wegehaupt und Otto Manigk.
Nachdem er bis 1933 noch an zahlreichen Ausstellungen in Deutschland (Berlin, Bielefeld, Bremen, Dessau, Halle/Saale, Lübeck, Marburg), Österreich (Wien), Italien und in der Schweiz beteiligt gewesen war, wurden seine Bilder von den Nationalsozialisten im Rahmen der Aktion Entartete Kunst aus den Museen entfernt,[1] er beteiligte sich noch an drei Ausstellungen. Niemeyer-Holstein bereiste mit seinem Segelboot Skandinavien.
Ab 1943 war er dienstverpflichtet als Eisenbahnschaffner in Trassenheide und in der Gartenarbeit tätig. Er segelte mit zahlenden Gästen auf der Ostsee. Im Jahr 1944 fiel sein Sohn Peter als Marine-Fernaufklärer über dem Skagerrak.
Ab 1948 stellte er seine Werke wieder im In- und Ausland aus. Er unternahm ab 1955 Studienreisen, die ihn 1955 nach Bulgarien, 1958 nach Italien, 1958 ins Tessin und 1959 nach Rumänien führten; 1960 reiste er per Schiff (MS Leipzig) durch das Mittelmeer und nach China, 1962 unternahm er Reisen nach Polen und 1963 in die Sowjetunion.
Ab 1958 beschäftigte er sich auch mit Holzschnitten, Radierungen und Lithographien. 1963 wurde Niemeyer-Holstein Präsident des Komitees zur Vorbereitung und Durchführung der Ostseewoche in Rostock. Am 7. Oktober 1964 wurde er Professor und 1969 Mitglied der Akademie der Künste der DDR. Niemeyer-Holstein kam immer wieder in Konflikt mit der Staatsmacht der DDR, u. a. durch seine kritische Haltung gegenüber der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 in der Tschechoslowakei.
1971 erlitt er einen Herzinfarkt. 1975 kaufte er die Holländerwindmühle in Benz, ließ sie restaurieren und machte sie als technisches Denkmal der Öffentlichkeit zugänglich. Am 20. Februar 1984 starb Otto Niemeyer-Holstein in Lüttenort. Er wurde auf dem Friedhof in Benz beigesetzt; seine zweite Frau Annelise starb am 5. Oktober 1984.
Nachlass
BearbeitenOtto Niemeyer-Holstein hat in seinem Testament verfügt, dass nach seinem Tod Lüttenort so erhalten bleiben soll, wie es zu seinen Lebzeiten war. So kann man es noch heute besichtigen, mit einer unvollendeten Arbeit auf der Staffelei. Neben dem Atelier entstand inzwischen die Neue Galerie in Lüttenort mit Ausstellungen zum Wirken von Niemeyer-Holstein und dem Usedomer Künstlerkreis.
Weitere Darstellungen Niemeyer-Holsteins in der bildenden Kunst (unvollständig)
Bearbeiten- Hans Jüchser: Niemeyer-Holstein (Öl, 65 × 90 cm, 1964)[2]
- Horst Leifer: Bildnis O. Niemeyer-Holstein (Öl auf Leinwand 1976)[3]
Ausstellungen (Auswahl)
Bearbeiten- 1922: Hamburg (Galerie Commeter)
- 1929: Berlin (Berliner Kunststube)
- 1948: Lübeck, Schwerin
- 1949: Rostock
- 1954: Mannheim (Kunsthalle),
- 1955: Bremen, Flensburg, Lübeck
- 1956: Erfurt, Halle (Saale), Kassel, Stralsund
- 1957: Magdeburg, Oberhausen, Remscheid
- 1958: Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Mannheim
- 1959: Rostock
- 1961: Berlin (Nationalgalerie), Greifswald, Rostock
- 1962: Schwerin
- 1963: Leipzig, Kopenhagen
- 1964: Eisenach, Flensburg, Kopenhagen, Mannheim
- 1968: Santiago de Chile
- 1969: Zürich (Kunstsalon Wolfsberg)
- 1972: Ascona (Museo Communale)
- 1974: Dresden (Galerie Neue Meister)
- 1975: Uppsala
- 1981: Rostock (Kunsthalle)
- 1995–1997: Ausstellungen aus dem Gesamtwerk in Rostock, Kiel, Stade, Greifswald, Potsdam, Dresden und Berlin
Auszeichnungen
Bearbeiten- 1974: Nationalpreis der DDR II. Klasse für Kunst und Literatur
- 1975: Ehrenpräsident der Ostsee-Biennale
- 1977: Stern der Völkerfreundschaft in Gold
Literatur
Bearbeiten- Ulrike Görner: Otto Niemeyer-Holstein. Maler und Werk. Verlag der Kunst. Dresden 1974.
- Sigrid Hinz: Der Maler Otto Niemeyer-Holstein. Bemerkungen zu seinem neueren Schaffen. In: Greifswald-Stralsunder Jahrbuch, Band 6. VEB Hinstorff Verlag, Rostock 1966, S. 261–274.
- Niemeyer-Holstein, Otto. In: Dietmar Eisold (Hrsg.): Lexikon Künstler in der DDR. Verlag Neues Leben, Berlin 2010, ISBN 978-3-355-01761-9, S. 668/669.
- Kurzbiografie zu: Niemeyer-Holstein, Otto. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 2. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
- Achim Roscher: Lüttenort. Geschichten aus dem Leben Otto Niemeyer-Holsteins. Aufbau-Taschenbuch-Verlag, Berlin 2019, ISBN 978-3-7466-2251-4.
- Achim Roscher: Otto Niemeyer-Holstein: Lebensbild mit Landschaft und Figuren. Aufbau-Taschenbuch-Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-7466-1737-5.
- Achim Roscher: Lüttenort: Das Bilder-Leben und Bild-Erleben des Malers Otto Niemeyer-Holstein. Verlag der Nation, Berlin 1989, ISBN 3-373-00237-0.
- Renate Seydel (Hrsg.): Usedom – Ein Lesebuch, Otto Niemeyer-Holstein: Lüttenort. Ullstein, 2016, ISBN 978-3-548-24965-0, S. 342–362.
- Carl W. Schmiedeke: Der Wagenpark der Berliner S-Bahn. Lokrundschau, Hamburg 1997, ISBN 3-931647-05-6.
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Eintrag in der Datenbank zum Beschlagnahmeinventar der Aktion „Entartete Kunst“, Forschungsstelle „Entartete Kunst“, FU Berlin, abgerufen am 17. Februar 2021.
- ↑ Hans Jüchser: Bildnis Niemeyer-Holstein. Abgerufen am 27. Januar 2023.
- ↑ Horst Leifer: Bildnis O. Niemeyer-Holstein. 1976, abgerufen am 27. Dezember 2022.
Personendaten | |
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NAME | Niemeyer-Holstein, Otto |
ALTERNATIVNAMEN | Niemeyer, Otto |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Maler |
GEBURTSDATUM | 11. Mai 1896 |
GEBURTSORT | Kiel |
STERBEDATUM | 20. Februar 1984 |
STERBEORT | Koserow |