Thüringer Landtag

Volksvertretung des Freistaates Thüringen
(Weitergeleitet von Landtag von Thüringen)

Der Thüringer Landtag ist das Landesparlament des Freistaats Thüringen. Sitz des Landtags ist Erfurt.

Thüringer Landtag
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Basisdaten
Sitz: Gebäude des ehemaligen preußischen Regierungsbezirks Erfurt
Jürgen-Fuchs-Straße 1
99096 Erfurt
Legislaturperiode: fünf Jahre
Abgeordnete: 88
Aktuelle Legislaturperiode
Letzte Wahl: 1. September 2024
Nächste Wahl: voraussichtlich im Sommer/Herbst 2029
Vorsitz: Landtagspräsident
Thadäus König (CDU)
Vizepräsidenten
Steffen Quasebarth (BSW)
Lena Saniye Güngör (Die Linke)
Cornelia Urban (SPD)
     
Sitzverteilung: Geschäftsführende Regierung (18)
  • Die Linke 12
  • SPD 6
  • Grüne 0
  • Opposition (70)
  • AfD 32
  • CDU 23
  • BSW 15
  • Website
    www.thueringer-landtag.de
    Parlamentsgebäude
    Gebäude
    Terrasse zwischen Fraktionsgebäude (links) und Funktionsgebäude
    Plenarsaal, von außen
    Plenarsaal, von innen

    Der Landtag nimmt im politischen System Thüringens die Rolle der Legislative auf Landesebene ein. Seine verfassungsmäßige Grundlage sind die Artikel 48 bis 69 der Verfassung des Freistaats Thüringen. Der Landtag verabschiedet Landesgesetze, wählt den Thüringer Ministerpräsidenten und kontrolliert die Arbeit der Landesregierung.

    In Erfurt werden mehrere Gebäude in der Arnstädter Straße vom Landtag genutzt. Straßenseitig dominiert der von 1936 bis 1939 von Wilhelm Pook errichtete neoklassizistische Gebäudekomplex (Fraktionsgebäude des Thüringer Landtags), in dem heute Büros untergebracht sind. Dahinter befinden sich mehrere Neubauten aus den Jahren 1998 bis 2003, u. a. auch der Plenarsaal, in dem die Tagungen des Landtags stattfinden. Des Weiteren gehört das von 1950 bis 1951 errichtete Hochhaus der Verwaltung des ehemaligen Bezirks Erfurt, umgangssprachlich Eierkiste genannt, zu den Gebäuden des Landtags. Heute dient es der Landtagsverwaltung als Bürohaus.

    Im am 1. September 2024 gewählten 8. Landtag mit 88 Sitzen sind fünf Fraktionen vertreten. Die AfD nimmt 32 Sitze ein, ist damit stärkste Fraktion und hat eine Sperrminorität. Die von 1990 bis 2019 stets größte Fraktion, die der CDU, ist mit 23 Abgeordneten weiterhin zweitgrößte Kraft. Das BSW zog erstmals in den Landtag ein und liegt mit 15 Sitzen an dritter Stelle. Die Linke, die in der vorangegangenen Wahlperiode noch stärkste Kraft im Landtag war, kommt auf nunmehr zwölf Sitze. Kleinste Fraktion im Landtag ist mit sechs Abgeordneten die SPD-Fraktion.

    Wahlrecht

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    Der Landtag wird für fünf Jahre gewählt. Wahlberechtigt sind alle Deutschen, die am Wahltag 18 Jahre alt sind und seit mindestens drei Monaten in Thüringen ihren Wohnsitz haben oder sich dort gewöhnlich aufhalten. Die Wahl der im Normalfall 88 Abgeordneten erfolgt nach den Grundsätzen einer mit der Personenwahl verbundenen Verhältniswahl. In 44 Wahlkreisen werden 44 Wahlkreisabgeordnete direkt gewählt; diese werden bei Verteilung der Gesamtzahl von 88 Abgeordneten angerechnet. Hierbei werden ausschließlich jene Landeslisten der Parteien und Wählervereinigungen berücksichtigt, die mehr als fünf Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten haben (Fünf-Prozent-Hürde). Die bei der Sitzzuteilung unberücksichtigten Stimmen erreichten bei der Landtagswahl 2004 einen Höchststand von 16,4 Prozent der abgegebenen Zweitstimmen.

    Wahlergebnisse und Landesregierungen seit 1990

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    Aus den Landtagswahlen 1990, 1994, 1999, 2004, 2009 und 2014 ging jeweils die CDU als stärkste Kraft hervor. Von 1990 bis 1994 regierte eine CDU/FDP-Koalition (Kabinette Duchač und Vogel I), von 1994 bis 1999 eine Große Koalition (Kabinett Vogel II) und von 1999 bis 2009 die CDU alleine (Vogel III, Althaus I, Althaus II). Größte Oppositionspartei war in der ersten Wahlperiode die SPD, danach von 1994 bis 2014 die PDS (seit 2007: Die Linke). Von 1994 bis 2009 waren jeweils nur CDU, SPD und PDS im Landtag vertreten, andere Parteien scheiterten in diesem Zeitraum stets an der Fünf-Prozent-Hürde.

    Das Wahlergebnis von 2009 brachte mehrere Koalitionsoptionen. Schließlich entschied sich die SPD für eine Koalition als Juniorpartner der CDU (Kabinett Lieberknecht) und gegen eine ebenfalls mögliche rot-rote Koalition mit der Linken. Nach der Wahl 2014 führte die SPD diese Koalition nicht fort und trat stattdessen in eine Regierung aus Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen ein. Die CDU ging somit, obwohl sie erneut stärkste Partei geworden war, erstmals seit der Wiedergründung Thüringens in die Opposition.

    1. Wahlperiode

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    Die Wahl zum 1. Thüringer Landtag fanden am 14. Oktober 1990 statt. Die CDU wurde stärkste Partei.

    .

    Kabinette Duchač und Vogel I

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    Am 8. November 1990 bildete sich das Kabinett Duchač. Am 23. Januar 1992 erklärte Duchač seinen Amtsverzicht. Am 11. Februar 1992 trat das Kabinett Vogel I (Thüringen) zusammen.

    2. Wahlperiode

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    Die Wahl zum 2. Thüringer Landtag fanden am 16. Oktober 1994 statt. Die CDU wurde stärkste Partei.

    . In der Folge bildete sich das Kabinett Vogel II (Thüringen).

    3. Wahlperiode

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    Die Wahl zum 3. Thüringer Landtag fanden am 12. September 1999 statt. Die CDU wurde stärkste Partei.

    .

    Kabinette Vogel III und Althaus I

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    Am 1. Oktober 1999 bildete sich das Kabinett Vogel III (Thüringen). Nachdem Vogel angegeben hatte aus Altersgründen zurückzutreten, trat am 5. Juni 2003 das Kabinett Althaus I zusammen.

    4. Wahlperiode

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    Die Wahl zum 4. Thüringer Landtag fanden am 14. Juni 2004 statt. Die CDU wurde stärkste Partei.

    . In der Folge bildete sich das Kabinett Althaus II.

    5. Wahlperiode

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    Die Wahl zum 5. Thüringer Landtag fanden am 30. August 2009 statt. Die CDU wurde stärkste Partei.

    . In der Folge bildete sich das Kabinett Lieberknecht.

    6. Wahlperiode

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    Die Wahl zum 6. Thüringer Landtag fanden am 14. September 2014 statt. Die CDU wurde stärkste Partei.

    Kabinett Ramelow I

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    Am 5. Dezember 2014 wurde Bodo Ramelow mit 46 von 91 möglichen Stimmen zum ersten Ministerpräsidenten der Partei Die Linke der deutschen Geschichte gewählt.

    7. Wahlperiode

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    Die Wahl zum 7. Thüringer Landtag fanden am 27. Oktober 2019 statt. Die Linke wurde stärkste Partei.

    Regierungskrise 2020

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    Bei der Plenarsitzung am 5. Februar 2020 wurde Thomas Kemmerich im 3. Wahlgang überraschend mit den Stimmen der FDP, CDU und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt.[1] Kurz nach seiner Annahme trat Kemmerich allerdings wieder vom Amt als Ministerpräsident zurück[2] und war bis zum 4. März 2020 nur noch geschäftsführend im Amt.

    Kabinett Ramelow II

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    Am 4. März wurde Bodo Ramelow im dritten Wahlgang zum Ministerpräsidenten gewählt.[3]

    8. Wahlperiode

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    Die Wahl zum 8. Thüringer Landtag Landtagswahl am 1. September 2024 statt. Die AfD wurde stärkste Partei.

    Konstituierende Sitzung 2024

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    Die konstituierende Sitzung begann am 26. September 2024 und wurde bis zum 28. September unterbrochen,[4] da Alterspräsident Jürgen Treutler (AfD) die Beschlussfähigkeit nicht feststellte und über einen Antrag zur Geschäftsordnung nicht abstimmen ließ. Der von der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag angerufene Verfassungsgerichtshof[5] stellte am 27. September 2024 fest, dass verfassungsmäßige Rechte von vier Fraktionen durch den Alterspräsidenten verletzt worden waren, beschloss im einstweiligen Anordnungsverfahren, dass über die Änderung zur Geschäftsordnung auch bereits vor der Wahl des Landtagspräsidenten abgestimmt werden könne und verpflichtete den Alterspräsidenten Treutler, die Tagesordnung mit diesem Antrag zur Abstimmung zu stellen und dann nach der vom Parlament beschlossenen Tagesordnung zu verfahren.[6]

    In der Sitzung am 28. September 2024 wurde schließlich die Geschäftsordnung geändert und Thadäus König (CDU) zum Landtagspräsidenten gewählt.[7]

    Präsidenten des Thüringer Landtags

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    Alterspräsidenten

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    Folgende Abgeordnete eröffneten die konstituierenden Sitzungen der Thüringer Landtage als Alterspräsidenten:

    Abgeordnetenlisten

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    Vorgängerlandtage

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    Landtagsgebäude

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    Hochhaus des Thüringer Landtags

    Auf dem Gelände des Thüringer Landtags befinden sich drei Gebäude:

    Ein Zitat der Schriftstellerin und Historikerin Ricarda Huch aus ihrer Zeit als Alterspräsidentin der Beratenden Landesversammlung Thüringen schmückt heute das Parlament in Erfurt. Wer den Thüringer Landtag durch den ursprünglichen Eingang an der Arnstädter Straße betritt, trifft im Foyer des Fraktionsgebäudes auf ihre Worte vom 12. Juni 1946, die wie eine Widmung wirken: „Es sei dem Lande Thüringen beschieden, dass niemals mehr im wechselnden Geschehen ihm diese Sterne untergehen: Das Recht, die Freiheit und der Frieden.“[9]

    Auf Antrag des Thüringer Landtages trägt die Zufahrtsstraße zum Parlament in Erfurt seit 20. Dezember 2002 zur Erinnerung und als Würdigung den Namen des Schriftstellers und DDR-Bürgerrechtlers Jürgen Fuchs.[10] Seitdem lautet die offizielle Anschrift des Thüringer Landtags Jürgen-Fuchs-Straße 1.[11]

    Im August 2009 enthüllte Landtagspräsidentin Dagmar Schipanski im Foyer des Fraktionsgebäudes an der Wand gegenüber dem Ricarda-Huch-Spruch eine Gedenktafel mit den Worten: Der Thüringer Landtag gedenkt aller verfolgter Politiker des Landes Thüringen 1945–1952, unter denen folgende drei Politiker benannt und porträtiert sind: Hermann Becker (LDP), Hermann Brill (SPD) und Hugo Dornhofer (CDU).

    Literatur

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    Literatur über den Thüringer Landtag

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    • Joachim Linck: Wie ein Landtag laufen lernte – Erinnerungen eines westdeutschen Aufbauhelfers in Thüringen. Köln Weimar Wien 2010, ISBN 978-3-412-20468-6
    • Steffen Raßloff: Spiegel der Zeitgeschichte: Der Landtagskomplex steht für die Landeshauptstadt Erfurt und wurde durch drei politische Systeme geprägt. In: Thüringer Allgemeine vom 12. Juli 2014 (online).
    • Peter M. Huber: Entwicklung des Landesverfassungsrechts in Thüringen. In: Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart. Neue Folge / Bd. 52, 2004, S. 323–345.
    • Karl Schmitt (Hrsg.): Die Verfassung des Freistaats Thüringen. Böhlau Verlag, Weimar, Köln, Wien 1995.
    • Holger Zürch: Mit freiem Volk auf freiem Grunde. 15 Jahre Thüringer Landtag im Rückblick einstiger Abgeordneter aus den Gründerjahren im Freistaat Thüringen. Leipzig 2006, ISBN 978-3-939404-01-9. Seit Mai 2013 auch online als kostenloses E-Book veröffentlicht via Qucosa.[12]
    • Holger Zürch: Thüringens Gründerjahre. Gespräche mit Thüringer Abgeordneten über ihre Zeit im Landtag zwischen 1990 und 1999. Erfurt 2004, ISBN 3-931426-85-8
    • Holger Zürch: Florettstich, Bumerang, Rohrkrepierer. Zwischenrufe im Thüringer Landtag 1991–1993. Osnabrück 2001, ISBN 3-935316-26-7

    Vom Thüringer Landtag veröffentlichte Literatur

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    • Publikationsreihe Schriften zur Geschichte des Parlamentarismus in Thüringen, Herausgeber: Thüringer Landtag, erscheint seit 1992 (nach Anlass, nicht periodisch).[13]
    • Klaus-Jürgen Winkler: Die Tagungsstätten der Landtage in Thüringen – ein Beitrag zu ihrer Bau- und Nutzungsgeschichte. Heft 4 der Schriften zur Geschichte des Parlamentarismus in Thüringen, Jena 1994, 144 S., ISBN 3-86160-504-X.
    • Alfred Ahner – Landtagszeichnungen 1924–1933. Begleitbroschüre zur gleichnamigen Ausstellung im Thüringer Landtag. Erfurt 2002, 68 Seiten, ohne ISBN.
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    Commons: Thüringer Landtag – Sammlung von Bildern und Videos

    Einzelnachweise

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    1. Nach Wahl-Debakel: Thüringer CDU-Fraktion will Neuwahlen vermeiden. Abgerufen am 5. Februar 2020.
    2. Regierungskrise in Thüringen: Kemmerich tritt als Ministerpräsident zurück. Abgerufen am 3. März 2020.
    3. Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten gewählt. Abgerufen am 4. März 2020.
    4. Julian Sadeghi, Lucia Baumann, Claudia Thaler, Lisa Caspari, Tilman Steffen: Konstituierung des Thüringer Landtags: CDU ruft Thüringer Verfassungsgericht an. In: Zeit Online. 26. September 2024, abgerufen am 26. September 2024.
    5. Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung der Landtagsfraktion der CDU und eines Abgeordneten der CDU-Fraktion. Thüringer Verfassungsgerichtshof, 26. September 2024, abgerufen am 27. September 2024.
    6. Thüringer Verfassungsgerichtshof: Beschluss vom 27. September 2024- VerfGH 36/24 -
    7. Thüringer Landtag wählt CDU-Politiker Thadäus König zu seinem Präsidenten. In: FAZ.net. 28. September 2024, abgerufen am 28. September 2024.
    8. Landtagspräsident Christian Carius tritt zurück (Memento vom 26. Februar 2020 im Internet Archive)
    9. Holger Zürch: Mit freiem Volk auf freiem Grunde. 15 Jahre Thüringer Landtag im Rückblick einstiger Abgeordneter aus den Gründerjahren im Freistaat Thüringen. Leipzig 2006, ISBN 978-3-939404-01-9, S. 240.
    10. Jürgen-Fuchs-Straße in Erfurt (Memento vom 20. Oktober 2007 im Internet Archive)
    11. Impressum. In: thueringer-landtag.de. Abgerufen am 28. September 2024.
    12. Ex-Abgeordnete packen aus (Memento vom 19. Mai 2014 im Internet Archive), abgerufen am 22. März 2021
    13. DNB 016708350

    Koordinaten: 50° 58′ N, 11° 2′ O