Hebel (Physik)

mechanischer Kraftwandler
(Weitergeleitet von Lastarm)

Ein Hebel ist in der Physik und Technik ein mechanischer Kraftwandler bestehend aus einem starren Körper, der um einen Drehpunkt drehbar ist. Die mathematische Beschreibung eines solchen Systems im (Drehmoment-)Gleichgewicht wird als Hebelgesetz bezeichnet. Dieses Gesetz wurde bereits in der Antike durch Archimedes formuliert.

Unterschieden werden einseitige und zweiseitige Hebel, je nachdem ob die Kräfte nur auf einer Seite oder auf beiden Seiten des Drehpunktes angreifen.[1] Weiter gibt es neben dem geraden Hebel auch noch den geknickten Hebel oder Winkelhebel,[2] wie er in der Neigungswaage Anwendung findet.

Physikalische Beschreibung

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Hebel in technischer Beschreibung
 
Physikalische Beschreibung des Hebels: Die rot gepunktete Linie ist der Graph der Funktion  
 
Veranschaulichung des Hebelgesetzes: Das 20-fache Gewicht wird bei 20-fachem Hebelarm im Gleichgewicht gehalten (wenn man das Gewicht des asymmetrischen Hebelarms nicht in Betracht zieht).

Die zentrale physikalische Größe, die zur Beschreibung eines Hebels benötigt wird, ist das Drehmoment   in Bezug auf den Drehpunkt  , um den sich der Hebel drehen kann.

 

Dabei ist   der Vektor vom Drehpunkt   auf den Punkt, an dem die Kraft   angreift. Der senkrechte Abstand zwischen der Wirkungslinie der Kraft und dem Bezugspunkt wird Hebelarm   genannt.[3] Seine Länge lässt sich berechnen durch

 

mit dem Winkel   zwischen dem Vektor   und der Wirkungslinie der Kraft.[4]

Der Betrag des Drehmoments ist proportional zum Hebelarm. Mit einem großen Hebelarm kann daher mit einer kleinen Kraft ein großes Drehmoment ausgeübt werden. Dieser Umstand veranlasste Archimedes zu der Bemerkung:

„Gebt mir einen festen Punkt im All, und ich werde die Welt aus den Angeln heben.“[5]

Ein Hebel befindet sich im Gleichgewicht, wenn die Summe aller an ihm anliegenden Drehmomente bezüglich desselben Bezugspunktes (nicht notwendigerweise der Drehpunkt) gleich Null ist:

 

Wird der Hebel durch Störung des Gleichgewichts durch ein weiteres Drehmoment gekippt, so wird auf beiden Seiten des Drehpunktes die gleiche Arbeit   verrichtet, wobei   jeweils der Weg ist, der bei der Kippbewegung zurückgelegt wird.

Die Rechnung vereinfacht sich, wenn man Kräfte betrachtet, die senkrecht zum Hebel stehen. Dadurch wird das Kreuzprodukt zu einem normalen Produkt der Beträge der Vektoren. Es ergibt sich das Verhältnis

 

der beiden Kräfte   und   an den Punkten   und   des Hebels.

Eine weitere Größe, die betrachtet werden kann, ist die Geschwindigkeit an verschiedenen Stellen des Hebels während der Bewegung des Hebels. Da es sich um eine Rotationsbewegung handelt, hängt die Bahngeschwindigkeit   vom Abstand   zum Drehpunkt und von der Winkelgeschwindigkeit   ab:  . Aus dieser Überlegung kann, analog zum Kraftverhältnis, eine Gleichung zur Berechnung des Geschwindigkeitsverhältnisses aufgestellt werden:

 

Reale Hebel

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Kinderspielplatz: Eine Wippe ist ein Hebel
 
Nussknacker: Beispiel für einen einseitigen Doppelhebel
 
Hebel zur Pumpenbetätigung in der Alten Saline in Bad Reichenhall
 
Waage (hier Balkenwaage): Nutzung des Hebelgesetzes zur Bestimmung des Wägewerts
 
Rudern: Viel Kraft und langer Lastarm führen zu hoher Geschwindigkeit

In der Technik werden Hebel durch ihre drei Komponenten beschrieben:

  • Lastarm: Hebelarm auf der Seite der zu bewegenden Last
  • Kraftarm: Hebelarm auf der Seite der bewegenden Kraft
  • Angelpunkt bzw. Drehpunkt: Punkt, um den sich der Hebel drehen kann

Mit diesen Bezeichnungen lautet das Hebelgesetz:

„Kraft mal Kraftarm ist gleich Last mal Lastarm“

Bei einem einseitigen Hebel liegen Lastarm und Hebelarm auf derselben Seite, da der Drehpunkt sich an einem Ende des Hebels befindet, jedoch haben beide eine unterschiedliche Länge. Bei realen Hebeln ist die Wirkung der Reibung im Drehpunkt nicht zu vernachlässigen. Dadurch ist eine höhere bewegende Kraft nötig bzw. die resultierende Kraft erreicht nicht den theoretischen Wert, da ein Teil der verrichteten Arbeit in Wärme umgewandelt wird. Ein weiteres technisches Problem ist die Verformbarkeit von realen Materialien: In der Natur existieren keine „perfekt starren“ Körper. Das führt dazu, dass der Hebel am Drehpunkt verbiegt oder bricht und nicht die gewünschte Kraft auf die Last überträgt. Um diese Effekte zu verringern, werden als Drehpunkt z. B. Kugeln oder Rollen eingesetzt, um zu starkes Abknicken zu verhindern.

Reale Hebel, wie sie z. B. im Maschinenbau verwendet werden, können aus verschiedensten Werkstoffen bestehen. Im klassischen Maschinenbau bestehen Hebel aus Gusseisen oder Stahl, wobei die am stärksten belasteten Hebel in der Regel bei der Herstellung geschmiedet werden. In anderen industriellen Bereichen werden auch Hebel aus anderen Materialien, wie z. B. Kunststoffen, verwendet.

Anwendungen

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Hebel finden sich in vielen technischen und alltäglichen Dingen wieder. Beim Rudern findet das Hebelgesetz Anwendung, indem der Riemen durch eine große Kraft am kurzen Ende einen weiten Weg am langen Ende im Wasser zurücklegt, was zu einer großen Geschwindigkeit führt. Auch wenn es auf den ersten Blick anders erscheint: Das Ruder ist ein einseitiger Hebel. Last und Kraft greifen auf der gleichen Seite an. Der Drehpunkt, hier auch Stützpunkt genannt (der Punkt, an dem sich der Hebel abstützt), liegt am Ruderblatt. Weil die Bewegung des Bootes der eigentliche Zweck ist, kann das eingetauchte Ruderblatt als Drehpunkt betrachtet werden, um den sich das Boot bewegt, also in die Wirkrichtung der angreifenden Kraft geschoben wird. Das Ruder ist an der sogenannten Dolle am Boot befestigt; sie ist lediglich der Angriffspunkt der Last, nicht der Drehpunkt des Hebels. Die genaue Lage des Drehpunktes hängt davon ab, wie stark das Ruder im Verhältnis zum Boot verankert ist: Stützt sich das Ruderblatt von einem Felsen ab, liegt dort der Drehpunkt; beim Rudern in der Luft ist die Dolle der Drehpunkt.

Auf Kinderspielplätzen finden sich Hebel in Form von Wippen. Dort wird die Wippe durch wechselseitiges Anlegen einer Kraft hin- und hergeschwenkt. Ein Nussknacker ist ein einseitiger Doppelhebel.[6] Balkenwaagen nutzen das Hebelgesetz, um Gewichte zu vergleichen. In der Fahrzeugtechnik werden Kipphebel verwendet, um die Richtung einer Kraft zu ändern. Nageleisen nutzen das Gesetz, um mit wenig Handkraft auf einem langen Weg Nägel aus Holz zu ziehen. In der Klaviermechanik ist besonders das Geschwindigkeitsverhältnis von Bedeutung. Ein weiterer Anwendungsfall ist der Kniehebel, beispielsweise bei der Kniehebelpresse.

Eine Zange verstärkt die Handkraft und kann je nach Konstruktion ein Werkstück pressend halten oder aufweiten (etwa einen Seegerring, ein Bleirohr). Ein Bolzenschneider weist eine doppelte Hebeluntersetzung auf, um hohe Schnittkraft zu erreichen, die langen Bedienhebel werden mit beiden Armen auf relativ langem Weg kräftig zusammengedrückt. Eine schließende Pinzette bietet federnde Haltekraft, die kleiner ist als die Fingerkraft. Schaufel und Brechstange können an der Front hohe Kräfte ausüben, weil die Armkraft an einem langen Stiel ansetzt.

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Commons: Hebel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Piano-Hebelmechanik – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Heinz Gascha, Stefan Franz: Großes Handbuch Physik. Compact, 2004, ISBN 3-8174-7429-6, S. 33.
  2. Horst Stöcker: Taschenbuch der Physik. 6. Auflage. Harri Deutsch, 2010, ISBN 978-3-8171-1860-1, S. 95.
  3. Alfred Böge (Hrsg.): Handbuch Maschinenbau: "Das Moment einer Einzelkraft F in Bezug auf einen gewählten Drehpunkt D ist festgesetzt (definiert) als das Produkt aus der Kraft und deren Wirkabstand l (Lot von der Wirklinie auf den gewählten Drehpunkt D)[…] Wirkabstand l heißt auch „Hebelarm“."
    Skolaut: Maschinenbau: "Der Hebelarm einer Kraft ist definiert als der Abstand der Kraftwirkungslinie zum betrachteten Momentenbezugspunkt"
    Dankert: Technische Mechanik: "Der Hebelarm ist die kürzeste Verbindung vom Bezugspunkt bis zur Wirkungslinie der Kraft"
  4. Stefan Hartmann: Technische Mechanik. Wiley-VCH, 2015, S. 41.
  5. Zitiert von Pappos in Sammlungen, Buch VIII
  6. R. Brinkmann: Hebel. (Memento vom 23. Juni 2011 im Internet Archive)