Lineare Unabhängigkeit

mathematischer Begriff
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In der linearen Algebra wird eine Familie von Vektoren eines Vektorraums linear unabhängig genannt, wenn sich der Nullvektor nur durch eine Linearkombination der Vektoren erzeugen lässt, in der alle Koeffizienten der Kombination auf den Wert null gesetzt werden. Äquivalent dazu ist, dass sich keiner der Vektoren als Linearkombination der anderen Vektoren der Familie darstellen lässt.

Linear unabhängige Vektoren in ℝ3
Linear abhängige Vektoren in einer Ebene in ℝ3

Andernfalls heißen sie linear abhängig. In diesem Fall lässt sich mindestens einer der Vektoren (aber nicht notwendigerweise jeder) als Linearkombination der anderen darstellen.

Zum Beispiel sind im dreidimensionalen euklidischen Raum die Vektoren , und linear unabhängig. Die Vektoren , und sind hingegen linear abhängig, denn der dritte Vektor ist die Summe der beiden ersten, d. h. die Differenz von der Summe der ersten beiden und dem dritten ist der Nullvektor. Die Vektoren , und sind wegen ebenfalls linear abhängig; jedoch ist hier der dritte Vektor nicht als Linearkombination der beiden anderen darstellbar.

Definition

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Ist   ein Vektorraum über einem Körper  , so heißen die Vektoren   aus   linear unabhängig, wenn die einzig mögliche Darstellung des Nullvektors als Linearkombination

 

mit Koeffizienten   aus dem Grundkörper   diejenige ist, bei der alle Koeffizienten   gleich null sind. Lässt sich dagegen der Nullvektor auch nichttrivial (mit Koeffizienten ungleich null) erzeugen, dann sind die Vektoren linear abhängig.[1][2][3]

Ist   eine beliebige Indexmenge, so heißt eine Familie   von Vektoren aus   linear unabhängig, falls jede endliche Teilfamilie linear unabhängig ist.[2][3]

Die Familie   ist also genau dann linear abhängig, wenn es eine endliche Teilmenge   gibt, sowie Koeffizienten  , von denen mindestens einer ungleich 0 ist, so dass

 

Der Nullvektor   ist ein Element des Vektorraumes  . Im Gegensatz dazu ist 0 ein Element des Körpers  .

Der Begriff wird auch für Teilmengen eines Vektorraums verwendet: Eine Teilmenge   eines Vektorraums   heißt linear unabhängig, wenn jede Linearkombination von paarweise verschiedenen Vektoren aus   nur dann den Nullvektor darstellen kann, wenn alle Koeffizienten in dieser Linearkombination den Wert null haben. Man beachte folgenden Unterschied: Ist etwa   eine linear unabhängige Familie, so ist   offenbar eine linear abhängige Familie. Die Menge   ist dann aber linear unabhängig.

Andere Charakterisierungen und einfache Eigenschaften

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  • Die Familie   von Elementen eines  -Vektorraums   ist genau dann linear unabhängig, wenn die lineare Abbildung   den Kern   hat.
  • Die Vektoren   sind genau dann linear unabhängig, wenn sich keiner von ihnen als Linearkombination der anderen darstellen lässt.
    Diese Aussage gilt nicht im allgemeineren Kontext von Moduln über Ringen.
  • Eine Variante dieser Aussage ist das Abhängigkeitslemma: Sind   linear unabhängig und   linear abhängig, so lässt sich   als Linearkombination von   schreiben.
  • Ist eine Familie von Vektoren linear unabhängig, so ist jede Teilfamilie dieser Familie ebenfalls linear unabhängig. Ist eine Familie hingegen linear abhängig, so ist jede Familie, die diese abhängige Familie beinhaltet, ebenso linear abhängig.
  • Elementare Umformungen der Vektoren verändern die lineare Abhängigkeit oder die lineare Unabhängigkeit nicht.
  • Ist einer der   der Nullvektor (hier: Sei  ), so sind diese linear abhängig – der Nullvektor kann erzeugt werden, indem alle   gesetzt werden mit Ausnahme von  , welches als Koeffizient des Nullvektors   beliebig (also insbesondere auch ungleich null) sein darf.
  • In einem  -dimensionalen Raum ist eine Familie aus mehr als   Vektoren immer linear abhängig (siehe Schranken-Lemma).

Ermittlung mittels Determinante

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Hat man   Vektoren eines  -dimensionalen Vektorraums als Zeilen- oder Spaltenvektoren bzgl. einer festen Basis gegeben, so kann man deren lineare Unabhängigkeit dadurch prüfen, dass man diese   Zeilen- bzw. Spaltenvektoren zu einer  -Matrix zusammenfasst und dann deren Determinante ausrechnet. Die Vektoren sind genau dann linear unabhängig, wenn die Determinante ungleich 0 ist.

Basis eines Vektorraums

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Eine wichtige Rolle spielt das Konzept der linear unabhängigen Vektoren bei der Definition beziehungsweise beim Umgang mit Vektorraumbasen. Eine Basis eines Vektorraums ist ein linear unabhängiges Erzeugendensystem. Basen erlauben es, insbesondere bei endlichdimensionalen Vektorräumen mit Koordinaten zu rechnen.

Beispiele

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  •   und   sind linear unabhängig und definieren die Ebene P.
  •  ,   und   sind linear abhängig, weil sie in derselben Ebene liegen.
  •   und   sind linear abhängig, da sie parallel zueinander verlaufen.
  •  ,   und   sind linear unabhängig, da   und   voneinander unabhängig sind und   sich nicht als lineare Kombination der beiden darstellen lässt bzw. weil sie nicht auf einer gemeinsamen Ebene liegen. Die drei Vektoren definieren einen drei-dimensionalen Raum.
  • Die Vektoren   (Nullvektor) und   sind linear abhängig, da   

Einzelner Vektor

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Der Vektor   sei ein Element des Vektorraums   über  . Dann ist der einzelne Vektor   für sich genau dann linear unabhängig, wenn er nicht der Nullvektor ist.

Denn aus der Definition des Vektorraums folgt, dass wenn

  mit  ,  

nur   oder   sein kann.

Vektoren in der Ebene

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Die Vektoren   und   sind in   linear unabhängig.

Beweis: Für   gelte

 

d. h.

 

Dann gilt

 

also

 

Dieses Gleichungssystem ist nur für die Lösung  ,   (die sogenannte triviale Lösung) erfüllt; d. h.   und   sind linear unabhängig.

Standardbasis im n-dimensionalen Raum

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Die kanonischen Einheitsvektoren

 

sind im Vektorraum   linear unabhängig.

Beweis:    Für   gelte

 

Dann gilt aber auch

 

und daraus folgt, dass   für alle  .

Funktionen als Vektoren

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Sei   der Vektorraum aller Funktionen  . Die beiden Funktionen   und   in   sind linear unabhängig.

Beweis: Es seien   und es gelte

 

für alle  . Leitet man diese Gleichung nach   ab, dann erhält man eine zweite Gleichung

 .

Indem man von der zweiten Gleichung die erste subtrahiert, erhält man

 .

Da diese Gleichung für alle   und damit insbesondere auch für   gelten muss, folgt daraus durch Einsetzen von  , dass   sein muss. Setzt man das so berechnete   wieder in die erste Gleichung ein, dann ergibt sich

 .

Daraus folgt wieder, dass (für  )   sein muss.

Da die erste Gleichung nur für   und   lösbar ist, sind die beiden Funktionen   und   linear unabhängig.

Sei   der Vektorraum aller reellwertigen stetigen Funktionen   auf dem offenen Einheitsintervall. Dann gilt zwar

 

aber dennoch sind   linear unabhängig. Linearkombinationen aus Potenzen von   sind nämlich nur Polynome und keine allgemeinen Potenzreihen, insbesondere also in der Nähe von 1 beschränkt, so dass sich   nicht als Linearkombination von Potenzen darstellen lässt.

Zeilen und Spalten einer Matrix

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Interessant ist auch die Frage, ob die Zeilen einer Matrix linear unabhängig sind oder nicht. Dabei werden die Zeilen als Vektoren betrachtet. Falls die Zeilen einer quadratischen Matrix linear unabhängig sind, so nennt man die Matrix regulär, andernfalls singulär. Die Spalten einer quadratischen Matrix sind genau dann linear unabhängig, wenn die Zeilen linear unabhängig sind. Beispiel einer Folge von regulären Matrizen: Hilbert-Matrix.

Rationale Unabhängigkeit

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Reelle Zahlen, die über den rationalen Zahlen als Koeffizienten linear unabhängig sind, nennt man rational unabhängig oder inkommensurabel. Die Zahlen   sind demnach rational unabhängig oder inkommensurabel, die Zahlen   dagegen rational abhängig.

Verallgemeinerungen

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Die Definition linear unabhängiger Vektoren lässt sich analog auf Elemente eines Moduls anwenden. In diesem Zusammenhang werden linear unabhängige Familien auch frei genannt (siehe auch: freier Modul).

Der Begriff der linearen Unabhängigkeit lässt sich weiter zu einer Betrachtung von unabhängigen Mengen verallgemeinern, siehe dazu Matroid.

Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Ilja Nikolajewitsch Bronstein, Konstantin Adolfowitsch Semendjajew: Taschenbuch der Mathematik. 5. überarbeitete und erweiterte Auflage. Verlag Harri Deutsch, Thun und Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-8171-2005-2, S. 327.
  2. a b Gerd Fischer, Boris Springborn: Lineare Algebra. Eine Einführung für Studienanfänger. 19. Auflage. Springer, Berlin 2020, ISBN 978-3-662-61644-4, S. 100.
  3. a b Albrecht Beutelspacher: Lineare Algebra. Eine Einführung in die Wissenschaft der Vektoren, Abbildungen und Matrizen. 8. Auflage. Springer, Wiesbaden 2014, ISBN 978-3-658-02412-3, S. 67.