Der Lorscher Codex (lateinisch Codex Laureshamensis) ist ein ungefähr zwischen den Jahren 1170 und 1195 in der Reichsabtei Lorsch in lateinischer Sprache angelegtes Manuskript. Es enthält eine umfangreiche Klostergeschichte, ein Kopialbuch von über 3800 Urkunden sowie einige Urbare. Der besondere Wert vor allem des Kopialbuches liegt darin, dass die darin enthaltenen Abschriften die einzige erhaltene Überlieferung der vollständig verloren gegangenen Originalurkunden darstellen, die sich einst im Archiv der bedeutenden Reichsabtei befunden hatten.
Heute wird der Codex im Staatsarchiv Würzburg (Bayerisches Staatsarchiv mit dem Regierungsbezirk Unterfranken als Zuständigkeitsbereich) unter der Signatur „Mainzer Bücher verschiedenen Inhalts, Nr. 72“ aufbewahrt.
Inhalte des Lorscher Codex
BearbeitenDer Codex wurde erstellt, um die Rechte und Besitztümer des Klosters Lorsch zu dokumentieren und damit der Abtei langfristig zu sichern. Der Codex wurde im 12. Jahrhundert, als die Lorscher Macht bereits zurückging, zusammengestellt. Er besteht aus 3836 urkundlichen Eintragungen (Traditionsnotizen) eines Rechtsvorgangs (zum Beispiel Kauf, Schenkung) mit den dazugehörigen zitierten Urkunden (von Königen, Päpsten und anderen). Diese Urkunden wurden stark verkürzt wiedergegeben. Die ältesten Rechtsgeschäfte sind ab dem Jahr 764 beschrieben und registriert. Weiterhin enthält der Codex zwei Gönnerverzeichnisse und eine Äbtechronik. Diese Äbtechronik dient vor allem als Quelle für die Baugeschichte und die Entwicklung des Kirchenschatzes. Lediglich der Initialbuchstabe der ersten Seite ist illuminiert. Der Text des Codex ist in gotischer Minuskel geschrieben.[1]
Da der Lorscher Codex die Ersterwähnung vieler Gemeinden enthält – über 1000 Orte werden in ihm genannt – wird er von einigen heimatgeschichtlich Interessierten anachronistisch als Grundbuch bezeichnet. Der Lorscher Codex ist die älteste geschriebene Geschichtsquelle für Hunderte von Orten.
Im Codex Laureshamensis verzeichneten die Mönche des Lorscher Klosters neben Kauf- und Tauschverträgen die dem Kloster gemachten Schenkungen von Dörfern, Gehöften, Ländereien und allerlei sonstigen schätzenswerten Dingen nach den ihnen vorliegenden Originalurkunden. In diesem Buch werden zuerst die Schenkungen von Kaisern und Fürsten genannt und dann die aus dem Volke, letztere geordnet nach Gauen, dem Wormsgau (wo das Kloster etwa 1180 Güter besaß), dem Speyergau, Lobdengau, Rheingau, Maingau, Neckargau, Kraichgau und weiteren. Die unter Kurfürst Karl Theodor in Mannheim gegründete Kurpfälzische Akademie der Wissenschaften gab durch Andreas Lamey in den Jahren 1768–1770 den gesamten Codex erstmals im Druck heraus. Teile waren schon früher erschienen. Der Historiker Karl Glöckner veröffentlichte 1929 bis 1936 eine Neubearbeitung in drei Bänden. Der Kustos am Kloster Lorsch, Karl Josef Minst übersetzte die gesamte Chronik nach der lateinischen Urschrift, sie erschien in sechs Bänden 1966.
Literatur
Bearbeiten- Codex Laureshamensis. Urkundenbuch der ehemaligen Fürstabtei Lorsch. Faksimileausgabe der Handschrift im Staatsarchiv Würzburg, hrsg. von der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns und dem Kuratorium Weltkulturdenkmal Kloster Lorsch e. V., Bd. 1: Faksimile (Sonderveröffentlichungen der Staatlichen Archive Bayerns 1), Neustadt a. d. Aisch, Degener 2002; Bd. 2: Begleitband zum Faksimile (Sonderveröffentlichungen der Staatlichen Archive Bayerns 2), Neustadt a. d. Aisch, Degener 2008.
- Albrecht Liess: Zur Geschichte des Lorscher Codex, in: Codex Laureshamensis. Urkundenbuch der ehemaligen Fürstabtei Lorsch. Faksimileausgabe der Handschrift im Staatsarchiv Würzburg, Bd. 2: Begleitband zum Faksimile (Sonderveröffentlichungen der Staatlichen Archive Bayerns 2), Neustadt a. d. Aisch, Degener 2008, S. 8f.
- Maria Rita Sagstetter: Beschreibung der Handschrift, in: Codex Laureshamensis. Urkundenbuch der ehemaligen Fürstabtei Lorsch. Faksimileausgabe der Handschrift im Staatsarchiv Würzburg, Bd. 2: Begleitband zum Faksimile (Sonderveröffentlichungen der Staatlichen Archive Bayerns 2), Neustadt a. d. Aisch, Degener 2008, S. 10f.
- Codex Laureshamensis, Urkundenbuch des ehemaligen Reichsklosters Lorsch (Faksimile). Würzburg, Staatsarchiv, „Mainzer Bücher verschiedenen Inhalts 72“. In: Heidelberger historische Bestände – digital. Universitätsbibliothek Heidelberg, abgerufen am 8. April 2016.
- Minst, Karl Josef [Übers.]: Lorscher Codex: deutsch; Urkundenbuch der ehemaligen Fürstabtei Lorsch. In: Heidelberger historische Bestände – digital. Universitätsbibliothek Heidelberg, abgerufen am 8. April 2016.
- Glöckner, Karl [Hrsg.]: Codex Laureshamensis. In: Heidelberger historische Bestände – digital. Universitätsbibliothek Heidelberg, abgerufen am 8. April 2016.
- Wolfgang Haubrichs: Der Codex Laureshamensis als Quelle frühmittelalterlicher Siedlungsnamen. In: Rudolf Schützeichel (Hrsg.) Ortsname und Urkunde. Frühmittelalterliche Ortsnamenüberlieferung. Universitätsverlag Winter, Heidelberg 1990, S. 119–175. (Beiträge zur Namenforschung NF. Beiheft 29).
Weblinks
Bearbeiten- Lorscher Codex online mit Informationen, interaktiver Karte und virtuellem Archiv
- Michael Horn: Der Lorscher Codex: Das älteste Grundbuch der Region, (Artikel auf heimatmuseum-nauheim.de,)
- anschauliche Präsentation von Abbildungen und Texten zu einem Ort (Gabsheim)
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Michael Kautz M.A.: Würzburg, Staatsarchiv. Mainzer Bücher verschiedenen Inhalts 72. In: Bibliotheca Laureshamensis digital. Universitätsbibliothek Heidelberg, 2014, abgerufen am 28. April 2021.