Machine Readable Travel Documents

von Maschinen erkennbares Reisedokument
(Weitergeleitet von MRTD)

Mit Machine Readable Travel Documents (MRTD) werden maschinenlesbare Reisedokumente bezeichnet. Grundlegend für die Spezifikation solcher Reisedokumente ist das von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) herausgegebene Doc 9303 Machine Readable Travel Documents, das seit der ersten Auflage aus dem Jahr 1980 ständig weiterentwickelt wird. Zweck dieser Bestimmungen ist es, die Abfertigung von Passagieren an Flughafen-Passkontrollstellen zu beschleunigen.[1] ICAO Doc 9303 ist seit 2021 in der 8. Auflage verfügbar und enthält Vorgaben für maschinenlesbare Reisepässe, Visa und Ausweise.[2]

Datenseite des deutschen Reisepasses mit maschinenlesbarem Bereich (aktuelles Muster)

Im Jahr 2016 gaben mehr als 100 Staaten und internationale Organisationen (beispielsweise die Vereinten Nationen) elektronische Reisepässe mit Speicherchip, sogenannte ePassports, gemäß den Spezifikationen des ICAO Doc 9303 heraus. Derzeit sind über 490 Millionen maschinenlesbare ePassports in Umlauf.[3]

Standardisierung

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Die International Civil Aviation Organisation (ICAO) ist die wichtigste internationale Organisation für die Vereinheitlichung von Reisedokumenten. Die Aufgabe der ICAO ist die Erarbeitung und Weiterentwicklung von einheitlichen Regelungen für die Sicherheit, Regelmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des internationalen Luftverkehrs, dessen Planung und Entwicklung gefördert werden sollen (Art. 44 Chicago Convention).[4]

Die ICAO ist bei ihren Aktivitäten eng mit der Internationalen Organisation für Normung (engl. International Organization for Standardization, abgekürzt ISO) verflochten.[4][5] Spezifikationen für maschinenlesbare Reisedokumente werden in erster Linie von der ICAO erarbeitet, wobei die Mitarbeit von und Beratung durch die ISO durch die Mitgliedschaft in der Technischen Beratungsgruppe für maschinenlesbare Reisedokumente (Technical Advisory Group on MRTDs) gesichert ist. Änderungen oder Ergänzungen im ICAO-Dokument 9303 werden ebenfalls in die diesbezüglichen ISO-Normen (ISO/IEC 7501-1, -2, -3) aufgenommen. Umgekehrt bezieht die ICAO die Standardisierungsbemühungen des ISO SC 37[6] in ihre Arbeiten mit ein.

Die Arbeit der ICAO an maschinenlesbaren Reisedokumenten begann 1968 mit der Gründung einer Kommission zur Erarbeitung von Empfehlungen zur Standardisierung von maschinenlesbaren Passbüchern und Passkarten. Basierend auf den Arbeiten dieser Kommission veröffentlichte die ICAO erstmals 1980 in Form des Doc 9303 Spezifikationen und Leitlinien für maschinenlesbare Reisepässe.[1][7] Auf Basis dieses Dokumentes gaben Australien, Kanada und die Vereinigten Staaten erstmals maschinenlesbare Reisepässe heraus.[2]

Die New Technologies Working Group of the TAG/MRTD der ICAO begann 1998 mit der Arbeit an biometrischen Identifikationssystem und zugehörigen Speichermedien in MRTDs. Der Großteil der Arbeiten war bereits abgeschlossen zu dem Zeitpunkt, als die Ereignisse des 11. September 2001 viele Staaten veranlassten, der Sicherheit von Reisedokumenten und der Identifizierung des Inhabers größere Bedeutung beizumessen. Die erarbeiteten Fachberichte über die Nutzung von Biometriemerkmalen, kontaktloser Chiptechnik, logischen Datenstrukturen (Logical Data Structure, LDS) und Public-Key-Infrastruktur (PKI) wurden 2006 in Teil 1 (Machine Readable Passports) Vol. 2, 6. Aufl. des Doc 9303 und 2008 in Teil 3 (Machine Readable Official Travel Documents) Vol. 2, 3. Aufl. des Doc 9303 eingearbeitet.[2]

2006/2008 umfasste das ICAO-Dokument 9303 folgende 3 Teile (Parts)
Part 1: Machine Readable Passports
Volume 1: Passports with Machine Readable Data Stored in Optical Character Recognition Format[8]
Volume 2: Specifications for Electronically Enabled Passports with Biometric Identification Capability[9]
Part 2: Machine Readable Visa
Part 3: Machine Readable Official Travel Documents
Volume 1: Official Travel Documents with Machine Readable Data Stored in Optical Character Recognition Format
Volume 2: Specifications for Electronically Enabled Official Travel Documents with Biometric Identification Capability
Mit dem Erscheinen der 7. Auflage im Jahr 2015 wurde Doc 9303[2] überarbeitet und in 12 Teile formatiert
Part 1: Introduction
Part 2: Specifications for the Security of the Design, Manufacture and Issuance of MRTDs
Part 3: Specifications Common to all MRTDs
Part 4: Specifications for Machine Readable Passports (MRPs) and other TD3 Size MRTDs
Part 5: Specifications for TD1 Size Machine Readable Official Travel Documents (MROTDs)
Part 6: Specifications for TD2 Size Machine Readable Official Travel Documents (MROTDs)
Part 7: Machine Readable Visas
Part 8: – (Reserviert für zukünftige Nutzung)
Part 9: Deployment of Biometric Identification and Electronic Storage of Data in eMRTDs
Part 10: Logical Data Structure (LDS) for Storage of Biometrics and Other Data in the Contactless Integrated Circuit (IC)
Part 11: Security Mechanisms for MRTDs
Part 12: Public Key Infrastructure for MRTDs
Mit dem Erscheinen der 8. Auflage im Jahr 2021 wurde Doc 9303[10] überarbeitet und um einen 13. Teil ergänzt. Darüber hinaus beschreibt Teil 8 nun Notreisedokumente.
Part 8: Emergency Travel Documents
Part 13: Visible Digital Seals

Prinzipiell gliedert sich die Maschinenlesbarkeit von Reisedokumenten in zwei Teilbereiche: Optisches Auslesen und elektronisches Auslesen.

Optische Lesbarkeit

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Neben den Personendaten des Besitzers und einem Lichtbild wurde schon in der 1. Auflage des ICAO Doc 9303 für die Datenseite im ID-3-Format ein zweizeiliger Textbereich vorgesehen, der in der maschinenlesbaren Schrift OCR-B gesetzt ist und die wichtigsten Daten enthält. Dieser sogenannte maschinenlesbare Bereich (engl. Machine Readable Zone, abgekürzt MRZ) kann optisch durch ein entsprechendes Lesegerät ausgelesen werden.

Elektronische Lesbarkeit

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Signet für elekt­ro­ni­sche Reise­pässe, zur Kennt­lic­hmach­ung auf dem Ein­band eines solchen Passes angebracht

Ab der sechsten Auflage der Spezifikation[8] hat die ICAO die Verwendung von biometrischen Daten und RFID-Chips spezifiziert.[9] Wenn sich ein Staat dafür entscheidet, können auch Daten wie der Fingerabdruck oder Irismerkmale auf dem Reisedokument gespeichert werden. Die im elektronischen Reisepass gespeicherten Daten sind die Voraussetzung für die Nutzung von automatisierten Grenzkontrollsystemen (EasyPASS).

Die Europäische Kommission hat sich für die verpflichtende Verwendung von Gesichts- und Fingermerkmalen ausgesprochen, als Option ist die Iris-Erkennung vorgesehen. In Deutschland ist eine Anwendung der Iris-Erkennung bislang nicht geplant. 2005 begründete die Bundesregierung die Entscheidung gegen die Iris als biometrisches Merkmal mit der ungelösten Patentfrage der bei Iriserkennungssystemen verwendeten Technik.[11] Zwischenzeitlich sind die fraglichen Patente von Iridian Technologies[12] sowie Leonard Flom und Aran Safir[13] durch Zeitablauf erloschen.

Die in das Dokument integrierten RFID-Chips können per Funk (13,56 MHz) entsprechend der Norm ISO/IEC 14443 mit einem Passverifiziergerät kommunizieren und ermöglichen so ein Auslesen der verschlüsselten Daten auch aus gewisser Distanz (Reichweiten je nach Chip bis zu zehn Zentimeter). Es werden auch höhere Reichweiten genannt, denn einige Länder (z. B. die USA) geben personalausweis-ähnliche Reisedokumente (Passport Card)[14] mit RFID-Technik im UHF-Band um 900 MHz aus, die Lesereichweiten von bis zu 6,6 Meter[15] erlauben. Bei derartigen Dokumenten handelt es sich aber um keine MRTDs entsprechend der ICAO-Spezifikation, weshalb beispielsweise die US-Passport Card nicht für internationale Flugreisen zugelassen ist. Zum Schutz vor unberechtigtem Auslesen des Chips ist bei solchen Dokumenten eine RFID-Schutzhülle vorgesehen.

Deutsche Reisepässe, die ab dem 1. November 2005 ausgestellt wurden, haben einen RFID-Chip. Dieser ist in der Regel ein MCS-51-kompatibler Mikrocontroller mit Kryptokoprozessoren, die einen RSA-Algorithmus bis zu dreimal schneller als ein PC rechnen. Zur Verhinderung von unberechtigtem Auslesen der elektronisch gespeicherten Daten (Skimming oder Eavesdropping) werden in Teil 11 des Doc 9303 kryptographische Sicherheitsmerkmale für eMRTDs (electronic machine readable travel documents) spezifiziert.[16]

Personennamen mit Sonderzeichen

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Umlaute, diakritische Zeichen, der Buchstabe „ß“ und andere Sonderbuchstaben (wie z. B. æ, œ, ð, þ) im Namen werden in der maschinenlesbaren Zone (MRZ) entweder umschrieben (z. B. Müller → MUELLER, GroßGROSS) oder durch einfache Buchstaben ersetzt (z. B. Jérôme → JEROME). Das bedeutet, dass der Name im Dokument auf zweierlei Weise geschrieben ist, was – besonders im Ausland – für Verwirrung und Verdacht auf Dokumentenfälschung sorgen kann. Es wird empfohlen, für Flugtickets, Visa usw. exakt die in der MRZ des Reisepasses verwendete Schreibweise zu benutzen und sich im Zweifelsfall auf diese zu berufen.

Österreichische Ausweisdokumente können (müssen aber nicht) eine dreisprachige Erklärung (in Deutsch, Englisch und Französisch) der deutschen Sonderzeichen beinhalten, beispielsweise „‚ß‘ entspricht / is equal to / correspond à ‚ss‘“.

Das deutsche Namensrecht (Nr. 38 NamÄndVwV) erkennt Sonderzeichen im Familiennamen als Grund für eine offizielle Namensänderung an (auch eine bloße Änderung der Schreibweise, z. B. von MÜLLER zu MUELLER oder von WEIß zu WEISS gilt als solche). Am 1. Oktober 1980 stellte das Bundesverwaltungsgericht noch einmal fest, dass die technisch bedingte fehlerhafte Wiedergabe von Sonderzeichen auf elektronischen Systemen ein wichtiger Grund für die Änderung des Familiennamens sein kann (der Kläger wollte die Schreibweise seines Namens von GÖTZ in GOETZ ändern, war aber damit zunächst beim Standesamt gescheitert; Aktenzeichen: 7 C 21/78).

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Einzelnachweise

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  1. a b International Civil Aviation Organization (Hrsg.): A Passport With Machine Readable Capability. Doc 9303. 1. Auflage. Montréal 1980.
  2. a b c d International Civil Aviation Organization (Hrsg.): Machine Readable Travel Documents. Doc 9303. 7. Auflage. Montréal 2015, ISBN 978-92-9249-790-3 (englisch, icao.int [abgerufen am 29. Februar 2016]).
  3. ePassports Basics. icao.int, abgerufen am 5. Januar 2017 (englisch).
  4. a b Gerrit Hornung: Die digitale Identität. Rechtsprobleme von Chipkartenausweisen: Digitaler Personalausweis, elektronische Gesundheitskarte, JobCard-Verfahren. Hrsg.: Prof. Dr. Alexander Roßnagel in Zusammenarbeit mit dem TeleTrusT Deutschland e. V. (= Der elektronische Rechtsverkehr. Band 10). Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2005, ISBN 3-8329-1455-2 (uni-kassel.de [PDF; 2,5 MB; abgerufen am 17. März 2016]).
  5. Diana Ombelli, Fons Knopjes (Hrsg.): Documents: The Developer’s Toolkit. IOM – International Organization for Migration and Via Occidentalis Editora Lda., 2008, ISBN 978-92-9068-407-7, S. 76 (englisch, iom.int [PDF; 2,4 MB; abgerufen am 5. September 2016]).
  6. ISO SC 37
  7. Charles Chatwin: The story of standardisation – A history of ICAO and ICAO Document 9303. In: Keesing Journal of Documents & Identity. Nr. 36. Keesing Reference System, Oktober 2011, S. 1–6 (englisch, keesingjournalofdocuments.com [PDF; 730 kB; abgerufen am 5. September 2016]).
  8. a b International Civil Aviation Organization (Hrsg.): Machine Readable Travel Documents. Doc 9303, Part 1: Machine Readable Passports – Volume 1, Passports with Machine Readable Data Stored in Optical Character Recognition Format. 6. Auflage. Montréal, Quebec, Kanada 2006, ISBN 92-9194-753-9 (icao.int (Memento vom 1. Mai 2015 im Internet Archive) [PDF; 1,1 MB; abgerufen am 29. Februar 2016]).
  9. a b International Civil Aviation Organization (Hrsg.): Machine Readable Travel Documents. Doc 9303, Part 1: Machine Readable Passports – Volume 2, Specifications for Electronically Enabled Passports with Biometric Identification Capability. 6. Auflage. Montréal 2006, ISBN 92-9194-757-1 (icao.int (Memento vom 5. Juni 2015 im Internet Archive) [PDF; 832 kB; abgerufen am 29. Februar 2016]). Machine Readable Travel Documents (Memento des Originals vom 5. Juni 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.icao.int
  10. [1]
  11. Deutscher Bundestag, 15. Wahlperiode (Hrsg.): Biometrische Daten in Ausweispapieren. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Gisela Piltz, Ulrike Flach, Rainer Funke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP. Nr. 15/4616. Berlin 4. Januar 2005 (bundestag.de [PDF; 236 kB; abgerufen am 17. März 2016]).
  12. Patent DE69232314T2: Biometrisches Personenidentifizierungssystem auf der Basis von Iris-Analyse. Angemeldet am 10. Oktober 1992, veröffentlicht am 20. Juni 2002, Anmelder: Iridian Technologies, Inc., Moorestown, US, Erfinder: John G. Daugman.
  13. Patent EP215818B1: Iris-Erkennungssystem. Angemeldet am 4. Februar 1986, veröffentlicht am 31. Juli 1991, Anmelder: Leonard Flom, Aran Safir, Erfinder: Leonard Flom, Aran Safir.
  14. Passport Card. travel.state.gov, abgerufen am 9. März 2016 (englisch).
  15. Product Bulletin. Texas Instruments Gen 2 Integrated Circuit – Gen 2 IC Based on EPCglobal Gen 2 Specification. (PDF; 208 kB) Texas Instruments, 2006, archiviert vom Original am 13. April 2014; abgerufen am 29. Februar 2016 (englisch).
  16. International Civil Aviation Organization (Hrsg.): Machine Readable Travel Documents. Doc 9303, Part 11: Security Mechanisms for MRTDs. 7. Auflage. Montréal 2015, ISBN 978-92-9249-799-6 (englisch, icao.int [PDF; 916 kB; abgerufen am 29. Februar 2016]).