Astrolab B

mesopotamische Kompilation
(Weitergeleitet von MUL apin)

Astrolab B, Astrolab-B (auch sumerischer, babylonischer und assyrischer Kalender) ist die wissenschaftliche Bezeichnung einer mesopotamischen Kompilation, die auf Keilschrifttafeln astronomische Positionen von Planeten, Sternen und Sternbildern in einem Jahreskalender auflistet.

Herkunft

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Schon in sumerischen Inschriften werden im 3. Jahrtausend v. Chr. Sterne und Sternbilder mit den Hauptgottheiten identifiziert und gleichgesetzt. In den nachfolgenden Epochen bestimmten ihre Sichtbarkeiten am Nachthimmel die religiösen Kulte und Prozessionen. Die sumerische Bezeichnung MUL wurde für die heutigen Begriffe Planet/Stern/Sternbild als Einheitsbegriff benutzt, da die funkelnden Planeten als Stern angesehen wurden und die Sternbilder aus den Einzelsternen bestehen.

MUL wurde dem genannten Objekt als Determinativ vorangestellt, beispielsweise MULBAN (Bogen) für das Sternbild Großer Hund. Die sumerischen Namensbezeichnungen wurden von den späteren Dynastien und Nachbarländern nahezu unverändert übernommen und im Kalender nur den jeweiligen zeitlichen Sichtbedingungen angepasst.

Manche Wissenschaftler sehen in der Keilschrift-Serie MUL.APIN eine Verwandtschaft zu Astrolab B, aber es handelt sich hier um verschiedene Texte, die auch zu verschiedenen Zeiten entstanden. Während Astrolab B ein einzelner Text ist, wurde MUL.APIN als eine Art Kompendium über viele Jahrhunderte immer wieder kopiert und weiter verwendet.

Die Sternbilder und Sterne können in allen babylonischen Texten nicht mit völliger Sicherheit identifiziert werden. Hierzu gibt es aktuelle Forschungsprojekte, aber unvollständige Daten können nicht hinzu erfunden werden.

Ordnungsprinzip der Astrolab-B-Kompilation

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Der Nachthimmel wurde in drei Abschnitte unterteilt, die den obersten sumerischen Gottheiten Anu, Enlil und Enki unterstellt waren. Jede Gottheit erhielt zwölf Monatsnamen für ihren Aufsichtsbereich. Jeder Monat bestand aus drei abwechselnden Götterwochen, die jeweils zehn Tage andauerten. Einer Woche war ein Himmelsobjekt der zugehörigen Gottheit zugewiesen. Somit ergaben sich 36 MUL-Objekte.

Besondere wissenschaftliche Beachtung wurde der Tatsache zugemessen, dass den heutigen zwölfmonatigen astronomischen Tierkreissternbilder neun von zwölf sumerischen Monaten mit deren Namen und Einteilungen unverändert entsprechen.

Die Astrolab-B-Einteilungen

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Die nachfolgenden Einteilungen und Sichtbarkeiten wurden um 1100 v. Chr. von Tukulti-apil-Ešarra I. erstellt. Der Verfasser der Keilschrifttafeln weist ausdrücklich auf den Umstand hin, dass es sich um die Zeitpunkte des heliakischen Aufgangs der Himmelsobjekte handelt.[1] Damit ist entweder der gemeinsame Aufgang mit der Sonne in der Morgendämmerung oder der Aufgang mit der gleichzeitig untergehenden Sonne in der Abenddämmerung gemeint.

Es gilt dabei den Umstand zu berücksichtigen, dass der neue Tag in den mesopotamischen Kulturen mit dem Untergang der Sonne in der Abenddämmerung begann und Morgenaufgänge etwa, je nach Jahreszeit, die Tagesmitte markieren. Im Gegensatz dazu begann beispielsweise im Alten Ägypten der Tag mit der Morgendämmerung. Die Zuordnungen im Astrolab B sind daher in Hinsicht auf die veränderten Tageszählungen zu berücksichtigen.

Die Astrolab-B-Sichtbarkeiten (Morgenaufgänge)

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Je nach Helligkeit des Objekts und Jahreszeit kann die Sichtung des gemeinsamen Aufgangs nur dann erfolgen, wenn lichtschwache Sterne oder Sternbilder mindestens eine Stunde vor dem eigentlichen Sonnenaufgang bereits am Horizont auftauchen. Die tatsächlichen Aufgänge zeigen den deutlich früheren Kalenderursprung in sumerischen Zeiten, da die Konstellationsdaten nicht mehr übereinstimmen. Zur Zeit des Hesiod wurde der heliakische Frühuntergang der Plejaden am 3. November in den Breitengraden Griechenlands in ähnlicher Weise für kalendarische Einteilungen benutzt.

MUL-Name Übersetzung Himmelsobjekt Anmerkungen Datum[2]
Nisannu, Guter Anfang, Einsetzen des Königs
IKU (Enki-Woche) Ackerstück Pegasus Oberes Pegasus-Viereck 7. März
DILI.BAT (Anu-Woche) Herrin der Götter Venus Herrscherin über die sieben Hauptgottheiten
APIN (Enlil-Woche) Pflug Triangulum
Ajaru, Feuchtbodenöffnung, Anspannen der Rinder
MUL.MUL Haarbüschel Plejaden Gott der Sieben 9. Mai
ŠU.GI Wagenlenker Perseus 11. April
ANU.NI.TUM Heiliger Tempel des Anu Pegasus
Simanu, Ziegelformen für den König, Bewohner bauen Häuser/Hütten
SIPA.ZI.AN.NA getreuer Himmelshirte Orion Gott der Sieben 18. Juni
UR.A Löwin Löwe 3. August
MUŠ Schlange Hydra
Dumuzi, Fesselung des Dumuzi, Spätsaat
KAK.SI.SA Meereslanze Wasserschlange Gott der Sieben als KAK.TAG.GA (Himmelspfeil) 9. Juli
MAŠ.TAB.BA kleine Zwillinge Zwillinge c und ν 18 vom Sternbild Zwillinge
U.AL.TAR Signalgeber Jupiter
Abum, Entzündung des Kohlebeckens, Monat des Bilgamesch
BAN Bogen Großer Hund Gott der Sieben
MAŠ.TAB.BA.GAL große Zwillinge Zwillinge 25. Juni
MAR.GID.DA Lastenwagen Großer Wagen
Ululu, Reinigung der Inanna im Ordalfluss
BIR Niere Canopus Symbolisch auch Nanna
UGA Rabe Rabe
ŠU.PA Himmelshüter Bärenhüter Gott der Sieben 23. September
Tašritu, Opfer der Jahreserstlinge für das offene Kohlenbecken (KI.NU.NU)
NIN.MAH Feier des Bergsterns Segel des Schiffs Gleichsetzung zu Inanna
ZI.BA.NI.TUM Waage Waage
EN-TE-NA-BAR.GUZ Herrin der ? Zentaur
Araḫsamna, Hacke und Pflug im Streitgespräch, Erntefest 2. Saat
UR.DIM Wolf Schlange
GIR.TAP Skorpion Skorpion Gott der Sieben; Stern der Išhara 12. November
HA.NIŠ ? Alpha Centauri 24. November
Kislimu, Überfluss und Fülle, Monat des Nergal
SAL.BAT.ANU Wildes Himmelsfeuer Mars
U.KA.TUH.A Panther Schwan Mit Kepheus
UZ Ziege Leier
Tebetu, Überflutung der Täler, Schrecklicher Glanz der Inanna
GU.LA Riese Wassermann Glücksstern des Königs 29. Januar
AL.LUL Krebs Füllen
A.MUŠEN Adler Adler 15. Dezember
Šabatu, Steppenkräuter, Monat der Wildtauben und Adler
NU.MUŠ.DA Gewimmel Kranich
ŠIM.MAH Schwalbe Pegasus
DA.MU ? Delphin
Addaru, Füllen der Steppentennen
KU Fisch Südlicher Fisch
KU.A Der oben Stehende Leier Gott der Sieben
AMAR.DU Marduk Südlicher Fisch Stern des Marduk

Die Jahreszeiten in Verbindung mit dem Astrolab B

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Wein- und Feigenlese

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Der Herbst galt als Zeit der Aussaat. Die Trauben- und Feigenlese wurde meist in den Monaten August bis Oktober vollzogen. Das alte orientalische Sprichwort Wenn der August kommt, schneide die Trauben dokumentiert die Haupttätigkeit im August. Während dieser Zeit bedürfen die Trauben und Feigen der ständigen Beobachtung, da die eintreffenden Zugvögel (siehe auch Bienenfresser) sonst die Ernte gefährdet hätten. Deshalb bauten sich die Bewohner kleine Schilfhäuschen, in Waldgegenden auch Laubhütten genannt, und bewohnten diese durchgehend bis zum Ende der Wein- und Feigenlese.

Im Alten Testament[3] wird jene Zeit auch als Wohnen unter Weinstock und Feigenbaum bezeichnet. Der Aufenthalt in den Hütten wurde in mesopotamischen Gegenden mit dem Traubenfest beendet: Im Oktober gehen vorüber die Trauben und Feigen. Im Gezer-Kalender werden die Monate September und Oktober auch Einheimsungsmonate genannt. In Griechenland entspricht diese Zeit dem Oktober und November als Fest der Pyanepsie (Bergung sämtlicher Ernte).

Weizensaat

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Im aramäischen Werk Wettstreit des Weizens mit dem Golde, das mesopotamischer Herkunft ist, wird berichtet: Der Weizen sagt, dass er nun im Herbst und Herbst gesät werden will und meint durch die Doppelnennung Herbst und Herbst die zweimonatige Aussaat im Oktober und November.

Zugvögel

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Zur Aussaat erschien in großen Schwärmen der Star und ernährte sich von den Getreidesamen. Da sie bei besonders zahlreichem Auftreten als gutes Omen für die Ernte bewertet wurden, erfolgte eine mengenmäßig höhere Aussaat, wodurch sich das Omen selbst erfüllte. Der Storch, auch Aprilflieger genannt, fungierte als Schlangenvertilger. Der Durchzug des Kranich signalisierte meist im Oktober die Zeit des bevorstehenden Regens.

Gleiches galt für das Auftauchen der Schwalben und der Turteltauben, die später mit dem Storch die gemeinsame Rückreise antraten. Die Wachtel tauchte ebenfalls in Massenschwärmen auf und ernährte sich von den zur Ernte bereitstehenden Oliven. Ihre Hauptzeit begann Ende August und dauerte bis Anfang Oktober, ehe sie weiter zur ägyptischen Küste zog. Als kulinarische Spezialität wurden die Wachteln in hochstehenden Netzen gefangen.

Literatur

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Anmerkungen und Belege

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  1. Schriftenreihe Deutsche Orient-Gesellschaft: Otto Schröder: Keilschrifttexte aus Assur verschiedenen Inhalts (KAV), Nr. 218, Zeller, Osnabrück 1970
  2. Beobachtungsort Babylon 1100 v. Chr., Datierungsumrechnung unter Korrektur von 11 Tagen gegenüber den proleptischen julianischen Kalenderangaben im gregorianischen Kalender; Berechnungsprogramm Ephemeris Tool 4,5, vgl. hierzu Jean Meeus Astronomische Algorithmen mit Anwendungen für „Ephemeris Tool 4,5“, Barth, Leipzig 2000.
  3. 1.Kön, 5,5; 2.Kön, 18,31