Martha Künzel

Pflanzenzüchterin
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Martha Emma Künzel (* 30. November 1900 in Asch, Böhmen;[1]3. Juni 1957[2] in Allfeld[3]) war eine biologisch-dynamische Pflanzenzüchterin im KZ Dachau.

Leben und Wirken

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Martha Künzel war die Tochter des Fabrikanten Johann Künzel. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Gärtnerin an der Gartenbauschule Berlin-Marienfelde.[4] Später arbeitete sie unter Otto Eckstein am anthroposophischen Goetheanum in Dornach bei Basel. Sie folgte 1934 Ehrenfried Pfeiffer zum Versuchsgut Loverendale in den Niederlanden, wo sie unter anderem an der Weizensorte Stamm Rom und zur Verwendung von Heilkräutern als Saatbad arbeitete.[3]

Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Holland arbeitete Künzel im Dienst der Deutschen Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung, eines Unternehmens der SS, in der Pflanzenversuchsanstalt im KZ Dachau, der Plantage oder, euphemistisch, dem sogenannten Kräutergarten. Als Zivilangestellte der SS[5] war sie ab 1942 in Zusammenarbeit mit dem ebenfalls anthroposophisch ausgebildeten Gärtnermeister Franz Lippert[6] Leiterin der biologisch-dynamischen Versuchsabteilung. Zu ihren Forschungsarbeiten im Auftrag von Heinrich Himmler wurden KZ-Häftlinge (insbesondere aus dem Pfarrerblock) herangezogen.[7][2][1] Sie verfolgte dabei einen vollständig esoterischen Ansatz: Vermeintliche Wirkstoffe wurden nach Prinzipien der Homöopathie hergestellt, Äther- und Astralenergie wurden entscheidende Bedeutung beigemessen, und in Séancen versuchte sie, die Natur einer von ihr gehaltenen Kröte zu erfassen.[8][9]

Am 1. Oktober 1943[6] heiratete Künzel ihren Vetter Gustav Künzel in Reichenberg im damaligen Sudetenland[3] und löste ihre Anstellung auf. Ihr Nachfolger wurde der ihr zuvor unterstellte Funktionshäftling Albert Riesterer.[10][9] Er beschreibt sie in seinen Erinnerungen als „eine SS-Dame..., die in weißer Laboratoriumsschürze mit zwei Häftlingen im Gewächshaus 2 arbeitete. Sie war schwarz wie eine Südländerin, sehr freundlich, auch gegen Häftlinge. Ein etwa 10 m langer Teil des Gewächshauses war ihr zur Verfügung gestellt worden zu geheimnisvollen Versuchen. Am Eingang stand: Zutritt streng verboten. Sie unterstand direkt Himmler.“[6]

Nach Kriegsende war sie in der Tschechoslowakei interniert. Anschließend zog sie nach Baden-Württemberg um und verschwieg ihre Verstrickungen in NS-Kriegsverbrechen systematisch. In Bad Rappenau entwickelte sie den nach ihr benannten Künzel-Weizen.[11][3]

Erst 2015 erfuhr ihre Biografie wieder Aufmerksamkeit. Auch die Zusammenarbeit Künzels und ihrer Kollegen mit Weleda und die ideologisch nahtlose Fortsetzung in der Nachkriegszeit bei beispielsweise Demeter oder der Anastasia-Bewegung begründen bis heute fortbestehende Bedenken gegen biologisch-dynamische Landwirtschaft und Rufe nach Aufklärung.[12] Demeter beauftragte hierzu eine wissenschaftliche Aufarbeitung, deren Ergebnisse für Ende 2023 angekündigt wurden.[7]

Literatur

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  • Heide Inhetveen: Biologisch-dynamische Pflanzenforschung im Dienste des Nationalsozialismus? Leben und Werk der Ökopionierin Martha Emma Künzel (1900–1957). In Ira Spieker, Heide Inhetveen (Hrsg.): BodenKulturen. Interdisziplinäre Perspektiven (= Bausteine aus dem Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde. Band 40). Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 2020, ISBN 978-3-96023-385-5, S. 127–188.
  • Martha Emma Künzel (1900–1957). In: Heide Inhetveen, Mathilde Schmitt, Ira Spieker: Passion und Profession. Pionierinnen des ökologischen Landbaus. Oekom-Verlag, München 2021, ISBN 978-3-96238-293-3, S. 216–228.
  • Albert Riesterer: Auf der Waage Gottes. Bericht des Priesters Albert Riesterer über seine Erlebnisse in der Gefangenschaft 1941 bis 1945. Freiburger Diözesan-Archiv, 90. Band, 1970. Herder-Verlag, Freiburg 1970. S. 198–250. Online.
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  • Martha Künzel bei kulturimpuls.org: Anthroposophie im 20. Jahrhundert. Biographien Dokumentation (verschweigt ihre Tätigkeit im Nationalsozialismus)

Einzelnachweise

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  1. a b Heide Inhetveen: Martha Künzel – Biologisch-dynamische Pflanzenzüchterin im KZ Dachau. Vortragseinladung. Hrsg.: Stralsunder Akademie für Garten- und Landschaftskultur. 2015 (stralsunder-akademie.de [PDF]).
  2. a b Künzel, Martha Emma (1900–1957) Archiv für Agrargeschichte
  3. a b c d Martha Künzel kulturimpuls.org
  4. BodenKulturen – Wechselbeziehungen für die Analyse von Natur, Technik, Gesellschaft und ihrer naturräumlichen Fundamente. In: Saxorum. 3. August 2021, abgerufen am 10. Dezember 2023.
  5. Frau Lea: Naturkosmetik und Anthroposophie: Weleda kommt mir nicht ins Haus. In: Die Tageszeitung: taz. 4. Dezember 2023, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 20. März 2024]).
  6. a b c Albert Riesterer: Auf der Waage Gottes. Bericht des Priesters Albert Riesterer über seine Erlebnisse in der Gefangenschaft 1941 bis 1945. Freiburger Diözesan-Archiv, S. 223.
  7. a b demeter (Hrsg.): Transparenz und Verantwortung. (demeter.de).
  8. Heide Inhetveen: Biologisch-dynamische Pflanzenforschung im Dienste des Nationalsozialismus? Leben und Werk der Ökopionierin Martha Emma Künzel (1900–1957). In: Ira Spieker (Hrsg.): BodenKulturen: interdisziplinäre Perspektiven (= Bausteine aus dem Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde). Bd. 40. Leipziger Universitätsverlag GmbH, Leipzig 2020, ISBN 978-3-96023-385-5, S. 127–188.
  9. a b Albert Riesterer: Das KZ Dachau als Heimat (1941–1945). In: Otto Riedmüller (Hrsg.): Und trotzdem: In frohem Slalom durch's Leben – Albert Riesterer: Beiträge von und über den Volkspfarrer, Dachau-Priester, Hüter des Poppelegrabes, Heimatforscher, Freund der Jugend im Hegau und am See, Ehrenbürger von Mühlhausen-Ehingen (= Hegau-Bibliothek). Bd. 105. Pfarrei St. Peter und Paul, Mühlhausen-Ehingen 1999, ISBN 978-3-921413-68-5, S. 89 ff.
  10. Albert Riesterer; Plantage Dachau. Abgerufen am 14. Dezember 2023.
  11. Jörgen Beckmann: Pflanzenzüchtung in der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise. Barsinghausen 2013, ISBN 978-3-89799-254-2, S. 72.
  12. Solveig Negelen, Alina Plohmann, Henrieke Rüße, Hannah Eitel, Tamer Düzyol: Naturliebe und Menschenhass: Völkische Siedler*innen in Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Hessen und Bayern. Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung Thüringen e. V. Erfurt 2020.