Melancholia (2011)

Film von Lars von Trier (2011)
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Melancholia ist ein Endzeitfilm des Regisseurs Lars von Trier aus dem Jahr 2011. Die Hauptrollen spielen Kirsten Dunst, Charlotte Gainsbourg und Kiefer Sutherland. Die Premiere des Films fand im Mai 2011 während der 64. Filmfestspiele von Cannes statt.

Film
Titel Melancholia
Produktionsland Dänemark, Schweden, Frankreich, Deutschland
Originalsprache Englisch
Erscheinungsjahr 2011
Länge 135 Minuten
Altersfreigabe
Stab
Regie Lars von Trier
Drehbuch Lars von Trier
Produktion Meta Louise Foldager
Louise Vesth
Kamera Manuel Alberto Claro
Schnitt Molly Malene Stensgaard
Besetzung

Melancholia erzählt von einer depressiven jungen Frau, die das Ende der Welt durch die Kollision mit einem anderen Planeten vorhersieht.

Handlung

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Die achtminütige Eingangssequenz des Films zeigt überwiegend Zeitlupenaufnahmen der Hauptfiguren, eines zusammenbrechenden Pferdes, fallender Vögel sowie Bilder der Erde und eines vagabundierenden Planeten. Die Sequenz kulminiert in einer Aufnahme, in der die Erde mit diesem kollidiert. Diese Bilder entstammen einem Traum der Hauptfigur Justine, den sie später noch einmal in Worten wiedergibt.

Nach dieser Ouvertüre[2] setzt die in zwei Akte unterteilte Spielhandlung ein. Der erste, mit „Justine“ überschriebene Akt schildert die Hochzeit von Michael und Justine, die im Schloss ihres Schwagers John und ihrer Schwester Claire ausgerichtet wird. Das Brautpaar verspätet sich zu den Feierlichkeiten, weil seine Stretch-Limousine auf den engen Wegen nur langsam vorankommt. Beim Eintreffen macht Claire Justine Vorwürfe wegen ihrer Verspätung. Justine aber erblickt am Himmel einen Stern, der besonders hell strahlt. Ihr sich für Astronomie begeisternder Schwager John erklärt ihr, dass es sich dabei um den Stern Antares handelt. Die Festlichkeiten verlaufen wenig harmonisch. Die geschiedenen Brauteltern Gaby und Dexter beschimpfen sich öffentlich vor allen Gästen, und Justine zieht sich, zum Ärger von Claire und John, immer wieder zurück und schläft zwischendurch. Ihr Arbeitgeber Jack, der Justines Beförderung zum Artdirector verkündet, erwartet von ihr noch während der Feier einen Werbeslogan für eine neue Kampagne. Justine sieht sich wieder einmal in eine Rolle gedrängt, die andere für sie ausersehen haben, und fällt in die Depression zurück, unter der sie schon längere Zeit leidet. Gegen Ende des Festes, das sich bis in die Morgenstunden hinzieht, kündigt sie im Streit ihren Arbeitsplatz und wird von ihrem Ehemann verlassen, den sie nächtens mit einem jungen Kollegen betrogen hat, der ihr den Slogan entlocken sollte. Justine stellt fest, dass Antares nicht mehr zu sehen ist.

 
Die im Film als „Totentanz“ („Dance of Death“) bezeichnete angenommene Flugbahn des Planeten „Melancholia“
 
Das schwedische Schloss Tjolöholm, das im Film den Landsitz von Claires Ehemann darstellt

Im zweiten Akt, „Claire“ betitelt, wird Justine von Claire auf den Landsitz zurückgeholt. Sie hilft Justine, ihren Zusammenbruch zu überwinden. Justine reitet mit ihrer Schwester aus. Laut John wird Antares durch den vagabundierenden Planeten „Melancholia“ verdeckt. Der Planet taucht hinter der Sonne auf und zieht vor Antares vorbei. John verkündet, nach Berechnungen der Wissenschaftler werde Melancholia die Erde in unmittelbarer Nähe passieren, ohne dass es zu einem Kontakt kommt. Claire sieht sich voller Unruhe die Bahn von Melancholia auf Internetseiten an, denen zufolge es potentiell zu einer Kollision mit der Erde kommen kann. John versucht sie zu beruhigen, schafft jedoch heimlich Lebensmittel- und Benzinvorräte herbei. Angesichts des nahenden Planeten verliert Claire zunehmend die Fassung, während Justine das Ende der Welt herbeisehnt und sich nachts nackt im Schein des Planeten „sonnt“.

In den folgenden Tagen häufen sich seltsame Vorzeichen. Der Strom in der Villa fällt aus, der Bedienstete erscheint nicht mehr, die Pferde im Stall sind unruhig, das Wetter schlägt wiederholt blitzartig um. Der Planet fliegt zunächst an der Erde vorbei. Es scheint, als habe John recht behalten. Doch „Melancholia“ kreuzt die Erdumlaufbahn ein zweites Mal und bewegt sich diesmal direkt auf die Erde zu. Als John dies herausfindet, nimmt er sich mit Tabletten das Leben. Claire verheimlicht seinen Tod vor den anderen. Sie will mit ihrem Sohn Leo fliehen, doch kein Auto springt mehr an. Justine verweigert Claire die Bitte um ein gemeinsames Abschiednehmen auf der Terrasse bei Kerzenschein und Wein. Jedoch beruhigt sie Leo, indem sie mit ihm aus Ästen eine „magische Höhle“ baut, die sie behüten soll. Kurz vor der Kollision setzen sich Justine, Claire und Leo in den Unterstand und halten sich an den Händen. „Melancholia“ kollidiert mit der Erde, die in einem Flammenmeer untergeht.

Hintergrund

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Richard Wagner: Tristan und Isolde, Vorspiel (11:09 Minuten; 13,9 MB)

Die Dreharbeiten fanden vom 22. Juli bis 8. September 2010 in Schweden statt. Die Innenaufnahmen entstanden in den Filmstudios von Trollhättan. Für die Außenaufnahmen wurde auf das Schloss Tjolöholm bei Kungsbacka zurückgegriffen.[3]

Bei der Pressekonferenz zur Premiere während der Filmfestspiele von Cannes kam es zu einem Skandal, als Lars von Trier mit der Aussage provozierte, er könne sich in Adolf Hitler einfühlen und verstehe die innere Logik von dessen Handeln.[4] In der Folge wurde Lars von Trier von den Festspielen ausgeschlossen, der Film blieb jedoch im Wettbewerb.[5]

Melancholia startete am 26. Mai 2011 in den dänischen und am 6. Oktober desselben Jahres in den deutschen Kinos.[6][7]

Wie andere Filme von Triers enthält auch Melancholia Verweise auf den von ihm bewunderten Regisseur Andrei Tarkowski, darunter die Nutzung von Pieter Bruegels Gemälde Die Jäger im Schnee, das kurz in Justines Traum zu sehen ist und in Tarkowskis Solaris (1972) eine zentrale Rolle spielt.[8]

Als musikalisches Leitmotiv dient der Tristan-Akkord bzw. das Vorspiel der Oper Tristan und Isolde (1865) von Richard Wagner. Wagners Musik begleitet fast 23 % des gesamten Films.[9] Für den Film wurde das Vorspiel eigens aufgenommen und für den Film bearbeitet, indem etwa Takte herausgestrichen wurden oder eine Cello-Aufnahme über die Orchesteraufnahme gelegt wurde.[10]

Kritiken

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Auf den Plattformen Rotten Tomatoes erhielt der Film einen Score von 79 %[11] und auf IMDb ein Rating von 7,1.[12]

Der Filmkritiker Wolfgang M. Schmitt bezeichnete den Film als einen „Geniestreich“ und lobte von Triers Interpretation von Tristan und Isolde. Geschauspielert werde „auf höchstem Niveau“ und der Film ließe uns die „kranke“ Welt hinterfragen.[13]

Christoph Petersen sieht in dem Film „ein direktes Produkt von Lars von Triers eigener Depression“, empfindet den Film aber trotzdem als gelungen.[14]

Interpretation

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Der koreanisch-deutsche Philosoph und Kulturwissenschaftler Byung-Chul Han interpretiert die im Film gezeigte Szenerie als aktuelle Zeitdiagnose und sieht für die Protagonistin einen Heilungsprozess angedeutet. Er liest die depressive Justine beispielhaft als Betroffene von der „Erosion des Anderen, die derzeit in allen Lebensbereichen stattfindet und mit zunehmender Narzissifizierung des Selbst einhergeht. Dass der Andere verschwindet, ist eigentlich ein dramatischer Prozess […]“[15] „Erst der Planet 'Melancholia' als atopischer Anderer, der in die Hölle des Gleichen einbricht, entfacht bei Justine ein erotisches Begehren.“[16] „Desaster heißt wörtlich Unstern (lat. des-astrum).“; „Der Eros macht […] eine Erfahrung des Anderen in seiner Andersheit möglich, die den Einen aus seiner narzisstischen Hölle herausführt. Er setzt eine freiwillige Selbstaberkennung […] in Gang. Ein besonderes Schwach-Werden erfasst das Subjekt der Liebe, das jedoch gleichzeitig von einem Gefühl der Stärke begleitet wird.“[17]

Auszeichnungen

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Melancholia wurde für mehr als 70 internationale Filmpreise nominiert, von denen Lars von Triers Regiearbeit über 30 gewinnen konnte. Eine Auswahl der gewonnenen Preise:

2016 belegte Melancholia bei einer Umfrage der BBC zu den 100 bedeutendsten Filmen des 21. Jahrhunderts den 43. Platz.

Literatur

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  • Robert Vosloo: Coping with the end? A look at Lars von Trier’s Melancholia, in: H. Lesch u. a. (Hrsg.), Der Himmel als transkultureller ethischer Raum. Himmelskonstellationen im Spannungsfeld von Literatur und Wissen. Göttingen 2016. ISBN 978-3-8471-0618-0
  • Ulrich Wilker: Liebstod ohne Erlösung. Richard Wagners Tristan-Vorspiel in Lars von Triers Film Melancholia, in: St. Börnchen/G. Mein/E. Strowick (Hrsg.), Jenseits von Bayreuth. Richard Wagner heute: Neue kulturwissenschaftliche Lektüren. Paderborn 2014, S. 263–273.
  • Ralf Zwiebel / Dirk Blothner (Hg.): Melancholia. Wege zur psychoanalytischen Interpretation des Films. Göttingen 2014.
  • Pascal Rudolph: Präexistente Musik im Film: Klangwelten im Kino des Lars von Trier. München 2022. ISBN 978-3-96707-757-5
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Commons: Melancholia – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Freigabebescheinigung für Melancholia. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, September 2011 (PDF; Prüf­nummer: 129 653 K).
  2. Jörg Albrecht: Der Weltuntergang als persönliche Erlösung, Deutschlandfunk vom 5. Oktober 2011, abgerufen am 10. November 2012.
  3. Pham, Annika: Von Trier’s Melancholia kicks in auf Cineuropa.org vom 28. Juli 2010, abgerufen am 20. Mai 2012.
  4. Von-Trier-Skandal in Cannes auf Spiegel.de vom 18. Mai 2011, abgerufen am 16. Oktober 2012.
  5. Goldene Palme für „The Tree of Life“ auf Taz.de vom 23. Mai 2011, abgerufen am 16. Oktober 2012.
  6. Melancholia in der Internet Movie Database.
  7. Melancholia im Lexikon des internationalen Films.
  8. Audiokommentar von Lars von Trier auf der Blu-ray-Veröffentlichung von Melancholia, Concorde Home Entertainment 2012.
  9. Pascal Rudolph: Präexistente Musik im Film. edition text + kritik im Richard Boorberg Verlag, 2022, ISBN 978-3-96707-757-5, S. 172, doi:10.5771/9783967077582 (nomos-elibrary.de [abgerufen am 31. Oktober 2022]).
  10. Pascal Rudolph: Präexistente Musik im Film. edition text + kritik im Richard Boorberg Verlag, 2022, ISBN 978-3-96707-757-5, S. 171–208, doi:10.5771/9783967077582 (nomos-elibrary.de [abgerufen am 31. Oktober 2022]).
  11. Melancholia. In: Rotten Tomatoes. Fandango, abgerufen am 13. November 2022 (englisch).
  12. Melancholia. Internet Movie Database, abgerufen am 13. November 2022 (englisch).
  13. Filmanalyse: Melancholia – Kritik, Analyse & Trailer zum Meisterwerk von Lars von Trier auf YouTube, 9. Oktober 2011, abgerufen am 13. November 2022.
  14. Filmstarts: Die Filmstarts-Kritik zu Melancholia. Abgerufen am 4. Juli 2021.
  15. Byung-Chul Han: Agonie des Eros. Matthes & Seitz, Berlin 2012, ISBN 978-3-88221-973-9, S. 17
  16. Byung-Chul Han: Agonie des Eros. Matthes & Seitz, Berlin 2012, ISBN 978-3-88221-973-9, S. 21
  17. Byung-Chul Han: Agonie des Eros. Matthes & Seitz, Berlin 2012, ISBN 978-3-88221-973-9, S. 20