Messabweichung

Unterschied aus Mess- und Referenzwert
(Weitergeleitet von Messungenauigkeit)

Die Messabweichung ist in der Messtechnik und Metrologie definiert als die Differenz zwischen einem Messwert und einem Referenzwert.[1][2] (Die Bezeichnung Messfehler wird in der gegenwärtigen Norm nicht mehr verwendet, da nicht klar definiert ist, ob damit die Messabweichung, die Messunsicherheit oder gar ein grober Fehler gemeint ist, siehe Messfehler). Als Referenzwerte der betreffenden Messgröße kommen in Frage:

  • Ein Wert mit vernachlässigbarer Unsicherheit oder ein vereinbarter Wert,
der in DIN 1319-1 und DIN 55350-13[3] als richtiger Wert bezeichnet wird,
  • ein mit der Definition der Messgröße übereinstimmender wahrer Wert.

Messabweichungen haben grundsätzlich eine systematische[4] und eine zufällige[5] Komponente. Wenn ein richtiger oder wahrer Wert in Sinne der DIN-Normen als Referenzwert nicht zur Verfügung steht, wie z. B. in weiten Teilen der Grundlagenforschung, kann die Messabweichung eines einzelnen Messwerts nicht berechnet werden. Allenfalls kann man nach Wiederholungsmessungen aus der Verteilung der Messwerte mit statistischen Methoden auf den Größenbereich der zufälligen Komponente der Messabweichung schließen. Weiteres hierzu siehe unter Fehlerrechnung.

Definitionen

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Grundlage

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In der Messtechnik wird unterschieden zwischen

  •   = wahrer Wert der Messgröße als Ziel der Auswertungen von Messungen der Messgröße; das ist ein „ideeller Wert“, der in aller Regel nicht genau bekannt ist.
  •   = richtiger Wert der Messgröße als „bekannter Wert“ für Vergleichszwecke, dessen Abweichung vom wahren Wert für den Vergleichszweck als vernachlässigbar betrachtet wird.
Zwischen   und   besteht ein zwar prinzipieller, aber quantitativ unerheblicher Unterschied.

Gemäß Definition[6][7] setzt sich ein

  •   = angezeigter (ausgegebener) Wert

zusammen aus dem wahren Wert   und der Messabweichung   in der Form

  .

Die Messabweichung ergibt sich daraus zu

  .

Sie ist nicht genau bekannt, da der wahre Wert der Messgröße nicht genau bekannt ist.

Quantitative Angabe

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Für quantitative Angaben unterscheidet man in der Praxis zwei Angaben:[8][9]

Absolute Messabweichung

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Zur Bestimmung einer Messabweichung wird der nicht bekannte wahre Wert durch den bekannten richtigen Wert ersetzt,[9][10][11][12][13] und die Differenz zwischen beiden Werten wird zu diesem Zweck vernachlässigt.[6] Die damit anstelle von   durch Rechnung festgestellte Abweichung   wird ebenfalls als Messabweichung oder vielfach als absolute Messabweichung bezeichnet

  .

Diese Größe hat einen Betrag, ein Vorzeichen und eine Einheit, nämlich stets dieselbe wie die Messgröße.

Relative Messabweichung

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Man bezeichnet den Bruch

 

als relative Messabweichung.

Diese Größe hat die Einheit Eins (oder Prozent). Sie kann positiv oder negativ sein. Anmerkung: Zum Wert   kann der relative Fehler nicht berechnet werden.

Verwechslungsgefahr: Bei der Angabe der Genauigkeitsklasse eines Messgeräts wird eine ähnliche Formel zugrunde gelegt. Allerdings wird dort überwiegend als Bezugsgröße (also im Nenner) statt des richtigen Wertes der Messbereichsendwert verwendet. Dann steht als bezogene Größe (also im Zähler) aber keine absolute Abweichung, sondern eine Fehlergrenze, was mit Definitionen zum Begriff Abweichung nichts zu tun hat.

Ursachen

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  • Messgeräteabweichungen als Folge der Unvollkommenheit der Konstruktion, Fertigung, Justierung (z. B. durch Werkstoffe, Fertigungstoleranzen)
  • durch das Messverfahren bedingte Einflüsse
    • z. B. infolge Einwirkung der Messeinrichtung auf die Messgröße (z. B. Rückwirkungsabweichung [Schaltungseinflussfehler] durch Eigenverbrauch des Messgerätes)
    • z. B. infolge naturgegebener statistischer Schwankungen der direkt abgelesenen Messgröße (z. B. Anzahl der Zerfälle in gegebener Zeit bei Messungen der Radioaktivität)
  • Umwelteinflüsse als Folge von Änderungen der Einwirkungen aus der Umgebung (z. B. Temperatur, Refraktionsanomalien, äußere elektrische oder magnetische Felder, Einfluss der Raumlage, Erschütterungen)
  • Instabilitäten des Wertes der Messgröße oder des Trägers der Messgröße (z. B. statistische Vorgänge, Rauschen)
  • Beobachtereinflüsse infolge unterschiedlicher Eigenschaften und Fähigkeiten des Menschen (z. B. Aufmerksamkeit, Übung, Sehschärfe, Schätzvermögen, Parallaxe, Zeit- und Zielfehler)

Außerhalb der Diskussion hier stehen

  • Verfälschungen durch Irrtümer des Beobachters (Grober Fehler),
  • Verfälschungen durch Wahl ungeeigneter Mess- und Auswerteverfahren,
  • Verfälschungen durch Nichtbeachtung bekannter Störgrößen.

Die Messabweichung eines unberichtigten Messergebnisses setzt sich additiv aus der systematischen Messabweichung und der zufälligen Messabweichung zusammen.[6]

Systematische Messabweichung

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Eine einseitig gerichtete Abweichung, die durch im Prinzip feststellbare Ursachen bedingt ist, ist eine systematische Abweichung. Sie ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Mittelwert, der sich aus einer unbegrenzten Anzahl von Einzelmessungen ergeben würde, und dem wahren Wert der Größe.[7]

  • Bei Wiederholungen einer Messung unter gleichen Bedingungen liegt dieselbe systematische Messabweichung vor; sie ist aus den Messwerten nicht erkennbar.
  • Eine systematische Messabweichung hat Betrag und Vorzeichen.
  • Eine systematische Messabweichung setzt sich additiv aus einer bekannten und einer unbekannten systematischen Messabweichung zusammen.
  • Zur Berechnung eines Messergebnisses wird der Messwert um die bekannte systematische Messabweichung berichtigt.

Zufällige Messabweichung

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Eine nicht beherrschbare, nicht einseitig gerichtete Abweichung ist eine zufällige Abweichung.

  • Bei Wiederholungen – selbst unter genau gleichen Bedingungen – werden die Messwerte voneinander abweichen; sie streuen.
  • Zufällige Messabweichungen schwanken nach Betrag und Vorzeichen.

Es gilt zu unterscheiden:[14]

  • Durch systematische Messabweichungen wird ein Messergebnis immer unrichtig.
  • Durch zufällige Messabweichungen wird ein Messergebnis immer unsicher.

Sonderfälle

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Dynamische Messabweichung

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Bei nicht stationären Vorgängen entsteht eine dynamische Messabweichung. Der von einem Messgerät gelieferte Wert   folgt der zeitlichen Änderung des Eingangssignals   im Allgemeinen verzögert.[8][15] Die Verzögerung kann häufig durch ein Tiefpassverhalten beschrieben werden. Für den im eingeschwungenen (stationären) Zustand häufigen Fall des proportionalen Zusammenhangs

 
Relative dynamische Abweichung nach einem Sprung bei einem Tiefpass erster Ordnung
 

entsteht durch die Verzögerung eine dynamische Messabweichung (auch dynamischer Fehler)

 .

Bei einer sprunghaften Änderung des Eingangssignals klingt diese Abweichung bei einem Verzögerungsglied wieder ab. Bei schwingungsfähigen Systemen ist dazu eine Dämpfung erforderlich.

Bei sinusförmigen Wechselgrößen mit variabler Frequenz entsteht ein Frequenzgang, durch den Amplitude und Phasenwinkel beeinflusst werden.

Quantisierungsmessabweichung

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Bei einem Messgerät mit einem Analog-Digital-Umsetzer entsteht eine Messabweichung infolge der Digitalisierung, die unter Quantisierungsabweichung behandelt wird.

Messgeräteabweichung

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Jedes Messgerät enthält seit seiner Herstellung eine Messgeräteabweichung. Diese lässt sich durch Vergleich mit einem wesentlich besseren Messgerät bestimmen; sie ist also systematischer Natur und im Prinzip korrigierbar. Der Aufwand dazu ist allerdings hoch. Zum Umgang mit der Abweichung gibt es zwei Möglichkeiten, von denen eine vom Hersteller des Messgerätes geliefert werden sollte:

  1. Die Fehlerkurve eines Messgerätes ist die grafische Darstellung der Abweichung, aufgetragen in Abhängigkeit von der Anzeige; teilweise wird statt der Kurve auch eine Tabelle angegeben. Anhand der Fehlerkurve sind Betrag und Vorzeichen der Abweichung zu einem Messwert abzulesen; es ist möglich, Korrekturen vorzunehmen.
  2. Da die Fehlerkurve die Abweichung nur zu einem bestimmten Zeitpunkt und unter anzugebenden Einflussbedingungen dokumentiert, wird meistens darauf verzichtet, und der Hersteller garantiert lediglich Fehlergrenzen unter gewissen Bedingungen. Teilweise werden Fehlergrenzen pauschal durch Klassenzeichen beschrieben.

Fehlergrenze

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Die Fehlergrenze ist begrifflich streng vom Fehler zu unterscheiden. Sie sagt aus, wie groß der Fehler dem Betrage nach höchstens werden darf. Dabei gibt es eine obere und eine untere Fehlergrenze, vorzugsweise gleich groß, beschrieben durch die vorzeichenlose Größe  . Der wahre Wert liegt (bei Abwesenheit einer zufälligen Abweichung) in einem Bereich   .

Gelegentlich ist es möglich, ein Messverfahren zu verbessern und so die Fehlergrenzen zu verkleinern; dabei bleibt es die Frage, ob sich der erhöhte (Kosten-)Aufwand lohnt.

In vielen Bereichen sind die Fehlergrenzen Gegenstand von Vorschriften; dann sind Eichämter und industrielle Fachlabore damit zu befassen.

Siehe auch

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Einzelnachweise

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  1. JCGM 200:2012 International vocabulary of metrology – Basic and general concepts and associated terms (VIM), Definition 2.16. (PDF; 3,8 MB; abgerufen am 19. Januar 2015).
  2. Burghart Brinkmann: Internationales Wörterbuch der Metrologie: Grundlegende und allgemeine Begriffe und zugeordnete Benennungen (VIM) Deutsch-englische Fassung ISO/IEC-Leitfaden 99:2007. 4. Auflage. Beuth, Berlin 2012, ISBN 978-3-410-22472-3, S. 36 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. DIN 55350-13:1987, Begriffe der Qualitätssicherung und Statistik – Teil 13: Begriffe zur Genauigkeit von Ermittlungsverfahren und Ermittlungsergebnissen, Nr. 1.4. – Zurückgezogen; Stand vom 12. Mai 2019
  4. VIM, Definition 2.17.
  5. VIM, Definition 2.19
  6. a b c DIN 1319-1, Grundlagen der Messtechnik – Teil 1: Grundbegriffe, 1995.
  7. a b Deutsche Akademie für Metrologie (DAM): Glossar der Metrologie, 2007.
  8. a b Elmar Schrüfer, Leonhard Reindl, Bernhard Zagar: Elektrische Messtechnik. Hanser 2014
  9. a b Rainer Parthier: Grundlagen und Anwendungen der elektrischen Messtechnik für alle technischen Fachrichtungen und Wirtschaftsingenieure. 5. Auflage. Vieweg + Teubner, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-8348-0811-0, S. 51 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  10. E. Liess: Elektrotechnik. In: Peter Kiehl (Hrsg.): Einführung in die DIN-Normen. 13. Auflage. Teubner und Beuth, Stuttgart 2001, ISBN 3-519-26301-7, S. 905 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  11. Wilfried Plaßmann: Grundlagen und Grundbegriffe der Messtechnik. In: Detlef Schulz (Hrsg.): Handbuch Elektrotechnik. Grundlagen und Anwendungen für Elektrotechniker. 6. Auflage. Vieweg, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-8348-2071-6, S. 718 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  12. Tilo Pfeifer, Robert Schmitt: Fertigungsmesstechnik. Oldenbourg, 2010, S. 47 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  13. R. Nater, A. Reichmuth, R. Schwartz, M. Borys, P. Zervos: Wägelexikon. Leitfaden wägetechnischer Begriffe. Springer, 2008, S. 142 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  14. Rudolf Busch: Elektrotechnik und Elektronik für Maschinenbauer und Verfahrenstechniker. Vieweg + Teubner, 6. Aufl. 2011, S. 358 eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
  15. Hans-Rolf Tränkler: Taschenbuch der Meßtechnik. Oldenbourg 1990, S. 29.
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Wiktionary: Messabweichung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen