Decauville-Bahn von Zipperlen & Co

italienische Feldbahn
(Weitergeleitet von Miniera di Montechino (Gratera))

Die Decauville-Bahn von Zipperlen & Cie war eine 8 km lange Feldbahn mit 600-mm-Spurweite von Veleia (italienisch Velleia) zum Torrente Chero und wohl darüber hinaus zum Ölbohrfeld Miniera di Montechino (Gratera) bei Gropparello in der italienischen Provinz Piacenza.

Decauville-Bahn von Zipperlen & Cie
Decauville-Bahn in Montechino (Gratera) bei Gropparello
Decauville-Bahn in Montechino (Gratera) bei Gropparello
Strecke der Decauville-Bahn von Zipperlen & Co
Historische Beschreibung der Erdölgewinnung und der Feldbahn, 1922
Streckenlänge:8 km
Spurweite:600 mm (Schmalspur)
Betriebs-/Güterbahnhof Streckenanfang (Strecke außer Betrieb)
Veleia
Dienststation / Betriebs- oder Güterbahnhof (Strecke außer Betrieb)
Torrente Chero
Betriebs-/Güterbahnhof Streckenende (Strecke außer Betrieb)
Miniera di Montechino (Gratera) bei Gropparello

Geschichte

Bearbeiten

Die Erdölquellen von Veleia waren schon im Altertum bekannt.[1] Um 1775 brannten dort durch von natürlichem Erdgas gespeiste Feuer, und auch heute wird das Gas an den Mundlöchern einiger Schächte abgefackelt.[Anm. 1][2][3]

Der Ingenieur Adolfo Zipperlen, der Geschäftsführer der nach ihm benannten französischen Ölgesellschaft, stellte am 18. Februar 1891 einen Antrag auf eine Konzession für eine Ölbohrung in Velleia, die durch Ministerialdekret vom 26. Dezember 1890 für konzessionsfähig erklärt wurde.[4][Anm. 2][5]

Die französische Gesellschaft Zipperlen & Cie führte 1890–1892 bei Velleia erfolgreiche Erdöl-Bohrungen durch. Dabei kam es zu einem Rechtsstreit mit der Firma Huber & Co über die Erdölbohrungen im Chero-Tal. Die Korrespondenz zwischen Mariotti und Adolfo Zipperlen, dem Generaldirektor der französischen Erdölgesellschaft, sind noch im Mariotti-Archiv der Biblioteca Palatina in Parma erhalten.[6]

Sowohl die Firma Zipperlen & Cie als auch die von ihr erworbene Kommanditgesellschaft Clére & Cie aus Paris haben sich von Beginn ihrer Geschäftstätigkeit mit gebrauchten Dosen bei den Lebensmittelhändlern eingedeckt, und mit minderwertigerem Öl aus der Raffinerie von Fiorenzuola d'Arda befüllt, was zu einem weiteren Rechtsstreit führte, da das Öl von den französischen Unternehmen auf dem Markt weniger geschätzt wurde und viel weniger kostete als amerikanisches Öl, weil es für den häuslichen Gebrauch gefährlicher war, wie die Beklagten selbst einräumten und durch das Gutachten in den Unterlagen nachgewiesen wurde. Adolfo Zipperlen und 13 weitere Angeklagte wurden überraschenderweise freigesprochen. Ein 1896 verfasstes Dossier kam aber zu dem Schluss, dass diese Gerichtsurteile der italienischen Justiz angesichts der Rechtsfehler, mit denen sie behaftet waren, wirklich wenig Ehre machten, da Rechtsfehler, die auf die Falschdarstellung der tatsächlichen Umstände beruhen, normalerweise nicht vor dem Obersten Gerichtshof geprüft werden.[Anm. 3][7]

Montechino (Gratera), 1912
Montechino (Gratera), 1911
Montechino, 1915

Das Gebiet zwischen dem Val Riglio und dem Val Chero war reich an Erdöl und Erdgas. An den beiden Standorten Montechino und Gratera wurden insgesamt 349 Bohrungen niederge­bracht. Das Öl war von außergewöhn­licher Reinheit und Dichte (0,775) und bestand aus mehr als 50 % Leichtbenzin, der Rest war Kerosin, mit einem nur sehr geringen Anteil an Schwerölen.

Die Tiefe der Bohrungen lag zwischen 500 und 700 Metern: einige erreichten 900 Meter. Nur die Bohrung Nr. 53 in Montechino erreichte 1163 Meter. Aus einigen Bohrungen wurden mehr als 40.000 Liter Öl pro Tag gefördert. Die Bohrarbeiten waren sehr anstrengend: gebohrt wurde im Trockenschlagverfahren, im Durchschnitt 10–12 Meter in 24 Stunden, in seltenen Fällen bis zu 40 Meter pro Tag.[5][8][9]

In den 1890er Jahren war die Firma Zipperlen & Cie bei Bohrungen im Tal des Chero in der Nähe von Velleia sehr aktiv. Im Bericht dieser Gesellschaft für das Geschäftsjahr 1892, der in der Pariser Zeitschrift L'Argus veröffentlicht wurde, heißt es, dass die Erdölförderung aus den Bohrungen der Gesellschaft 1891 bei 928.000 Kilogramm lag und 1892 auf 2.391.666 Kilogramm gestiegen ist. Es gab siebzehn produktive Bohrungen und sechs weitere befanden sich im Bau. Zu den Bohrungen war eine Decauville-Bahn zwischen Velleia und dem am weitesten entfernten Punkt der Konzession verlegt worden, von wo aus die Rohrleitung das Erdöl von den Bohrungen zum Chero weiterleitete. Entlang der Bahnstrecke war auch eine acht Kilometer lange Telefonverbindung eingerichtet worden. Im Jahr 1893 war die Erdölproduktion auf 2.648.803 kg gestiegen, wobei der geringe Anstieg im Vergleich zum Vorjahr auf die Ausbeutung einer neuen Zone zurückzuführen war. Vier neue Bohrungen waren im Gange.[10]

Die Firma A. Zipperlen & C. führte außerdem 1892–93 in der Nähe von Sassuolo eine 228 m tiefe Erdöl-Bohrung durch. Im Jahr 1906 fusionierten die Société Franc̜aise des Pétroles Zipperlen & Co und die Société Pétroles de Montechino zur Società per Azioni Petroli d'Italia (SPDI), deren Vermögen vor allem aus den Konzessionen von Montechino-Gratera-Velleia und der Raffinerie in Fiorenzuola d'Arda (Piacenza) bestand. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren 403 Ölbohrungen in Betrieb. Im Jahr 1958 belief sich die Jahresproduktion auf 300 t Leichtöl und 500 000 m³ Gas. Das Unternehmen wurde in den 1960er Jahren wegen Insolvenz geschlossen, nachdem die Raffinerie 1956 durch einen Brandunfall zerstört worden war.[11]

Bearbeiten

Anmerkungen

Bearbeiten
  1. Alessandro Volta (1745–1827) besuchte die Ausgrabungen der antiken Stadt Veleia und beschrieb seinen Besuch wie folgt: „An der Stelle, an der sich die vergrabene Stadt befindet, gibt es eine breite Anhöhe, die nicht dem Verlauf der anderen Berge folgt, sondern quer dazu verläuft und zu einem Bach namens Chero hin abfällt. Der Ort der Flammen befindet sich am Ende dieses Abhangs, direkt unterhalb von Veleia und ganz in der Nähe des besagten Baches.“
  2. Adolfo Zipperlen (französisch: Adolphe Zipperlen), ein Ingenieur, der viel Erfahrung beim Abteufen von Bohrlöchern in der ganzen Welt gesammelt hatte, war Inhaber der Società Francese dei Petroli. Seit der Lektüre von Plinius dem Älteren war Zipperlen davon überzeugt, dass es im Chero-Tal Erdöl gibt, und er behielt Recht: 1888 begann das Benzin zu fließen.
  3.  
    Schriftsatz der Zivilkläger Società Italo-Americana und Atlantic Refining Company zur Stützung der Kassa­tions­gründe, die der General­staats­anwalt beim Königlichen Gericht von Parma gegen das Urteil vom 30. Juli 1896 in der Rechtssache Zipperlen, Daussin u. a. vorgebracht hat: Namensanmaßung, Marken­miss­brauch, Begründungsmangel.
    Die Atlantic Refining Company aus Philadelphia und die Italian American Society aus Venedig hatten das von ihnen produzierte Öl jahrelang in Blechbehältern vermarktet, die Stagnoni oder Lactoni genannt wurden und auf deren Oberseite oder auf deren Deckel der Name des Unternehmens aufgedruckt war (Atlantic Refining Company oder Italian American Society) sowie der Herkunftsort (Philadelphia oder Venedig) und die Handelsmarke, die die verschiedenen Ölqualitäten unterschied und im Wesentlichen aus den Wörtern Atlantic, Splendor oder Royal zusammen mit anderen englischen Wörtern bestand.

    Da die leeren Dosen in Italien oft wieder befüllt wurden, wurde dem Verbraucher italienisches Öl in amerikanischen Dosen präsentiert, auf denen das Unternehmen und die Marken der amerikanischen Mitbewerber standen. Die Italian American Society beschloss, diesen Missbrauch zu beenden, der ihrem Unternehmen schadete. Sie beantragte und erwirkte 1893–1894 Schutzmarken für Atlantic, Splendor und Royal. Da der Missbrauch jedoch andauerte, meldete sie dies der Polizei und reichte am 25. Juli 1894 eine formelle Beschwerde wegen Markenmissbrauchs und Missbrauchs des Unternehmensnamen ein. Das Polizeipräsidium stellte fest, dass Fiorenzuola-Öl tatsächlich von verschiedenen Lebensmittelhändlern in Bologna unter den amerikanischen Markennamen verkauft wurde, z. B. hatte der Lebensmittelhändler Pasquini am 14. April 1894 eine große Dose mit italienischem Öl als Splendor verkauft, es zum Splendor-Preis berechnet und eine Rechnung ausgestellt, in der das Öl als Splendor deklariert war. Die langwierige Untersuchung endete mit einer Anklageerhebung durch den Staatsanwalt beim Gericht von Piacenza, mit der die Überstellung von 14 Angeklagten an das Gericht.

    Das Gericht von Piacenza erklärte mit seinem Urteil vom 1. April 1896, dass die Gesetze bezüglich Namensanmaßung und Marken­miss­brauch nicht anwendbar seien und sprach drei Angeklagte wegen Nichtvorliegens eines Verbrechens sowie Zipperlen, Daussin und neun weitere Angeklagte wegen mangelnder Schuldbeweise frei. Auch bei einem Berufungsverfahren wurden alle Angeklagten mit dem Urteil vom 30. Juli 1896 wegen Nichtvorliegens eines Verbrechens frei gesprochen.

    Ein 1896 verfasstes Dossier kam zu dem Schluss, dass diese Gerichtsurteile der italienischen Justiz angesichts der Rechtsfehler, mit denen sie behaftet waren, wirklich wenig Ehre machten, da Rechtsfehler, die auf die Falschdarstellung der tatsächlichen Umstände beruhen, normalerweise nicht vor dem Obersten Gerichtshof geprüft werden sollten.

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Meyers Großes Konversations-Lexikon: Erdöl.
  2. Cesare Zilocchi: Veleia, il petroleo e l’aria che brucia delle paludi. Sowie Cesare Zilocchi: Pionieri e petrolio nel piacentino, LIR 2010.
  3. Gruppo Ricercatori Aerei Caduti (GRAC): Montechino di Gropparello, PC. 1945, bombe sui pozzi.
  4. Umberto I, per grazia di Dio e per volontà della nazione, Re d'Italia. Gazzetta ufficiale del regno d'Italia, Teil 4, Nr. 264, 11. November 1891, S. 1074.
  5. a b Montechino and petroleum - When petroleum flowed in the Chero Valley.
  6. Società francese Zipperlen et C.ie (scavi di Velleia) (1890-1892). Parma, Biblioteca Palatina, Archivio Mariotti.
  7. Tommaso Villa, Gennaro Escobedo, Giulio Vita: Memoria per la parte civile Società Italo-Americana e Atlantic Refining Company a svolgimento dei motivi di cassazione presentati dal procuratore generale presso la R. Corte di Parma contro la sentenza 30 luglio 1896 in causa Zipperlen, Daussin ed altri: Usurpazione di nomi, abuso di marchi, mancanza di motivazione. Zamorani e Albertazzi, 1896. S. 4–8.
  8. La storia di Montechino.
  9. La Val Chero e i luoghi del petrolio nei colli Piacentini.
  10. Zipperlen & Co, petroleum drilling in the valley of the Chero near Velleia. In: Sir Boverton Redwood und William Herbert Dalton 1848: Petroleum; a treatise on the geographical distribution and geological occurrence of petroleum and natural gas; the physical and chemical properties, production, and refining of petroleum and ozokerite; the characters and uses, testing, transport, and storage of petroleum products; and the legislative enactments relating thereto… 1922, S. 35.
  11. J. Craig, F. Gerali, F. MacAulauy und R. Sorkhabi: History of the European Oil and Gas Industry. Geological Society of London, 2018, S. 252 und S. 253.

Koordinaten: 44° 47′ 5″ N, 9° 43′ 16,7″ O