Miserikordie

Mit kurioser Darstellung versehenes Stützbrett in einem kirchlichen Chorgestühl
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Miserikordien oder Misericordien sind kleine Stützbretter im kirchlichen Chorgestühl. Der Begriff stammt vom lateinischen Wort misericordia = „Barmherzigkeit“.

Miserikordie in der Marienkirche zu Dortmund – Trunkener Mönch (Cellerar) (16. Jh.)
Miserikordie im Quirinusmünster in Neuss – 'Stippeföttche' (16. Jh.)
Kopfloser (acephale) und Kopffüßler seitlich einer Miserikordie im Chorgestühl der Kathedrale von Ripon, England (15. Jh.)

Funktion

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Chorgestühle wurden seit dem Hochmittelalter mit Klappsitzen versehen, die sich hoben, wenn ihr Benutzer aufstand. Als Stütze für lange Stehzeiten waren an der Unterseite der Sitze die sogenannten Miserikordien angebracht. Ursprünglich waren sie wohl nur für ältere, kranke oder geschwächte Mönche oder Chorherren gedacht.

Geschichte

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Waren die ersten Chorgestühle noch aus Stein, so ging man bereits im Frühmittelalter zu hölzernen Konstruktionen – allerdings noch ohne Klappsitze – über. Derartige Chorgestühle haben sich im Kloster Alpirsbach und in Ratzeburg erhalten. In einer Ordensregel der Benediktiner in Hirsau aus dem späten 11. Jahrhundert (Constitutiones Hirsaugienses; auch Consuetudines Hirsaugienses) werden erstmals Miserikordien an Klappstühlen erwähnt.

Schnitzereien

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Unterhalb der Miserikordien waren meist Verzierungen in Form von Schnitzereien angebracht. Aufgrund der Anordnung in der Nähe des Unterleibs zeigen diese Verzierungen nur selten religiöse Themen, sondern oft Darstellungen von negativen oder gar obszönen Dingen und Verhaltensweisen.

Manchmal strahlen die grotesken Fratzen- oder Grimassenschneider auch auf die Seitenwangen oder die Armlehnen des Chorgestühls aus, wo normalerweise eher biblische Themen oder hoheitliche Embleme (Löwen) angebracht waren. Die wirklich obszönen Darstellungen finden sich jedoch nur an den Miserikordien.

Bedeutung

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Über die Bedeutung der kuriosen und manchmal auch sehr freizügigen Darstellungen in den Miserikordien ist viel geschrieben worden: Festzuhalten bleibt, dass sie – sowohl bei Mönchen als auch bei den Bildschnitzern des ausgehenden Mittelalters – sehr beliebt waren. Letztere waren bei der Anfertigung von Miserikordien sowohl in der Wahl des Themas als auch hinsichtlich der inhaltlichen und formalen Ausgestaltung weitgehend frei und keinen Beschränkungen unterworfen.

Im Gegensatz zu den überwiegend religiösen Themen in der üblichen Kirchenausstattung sind die Miserikordien eher der volkstümlichen Bildkunst zuzurechnen. Sie bilden eine versteckte „Gegenwelt“, wie sie an Kirchengebäuden – in ganz ähnlicher Weise – oft auch an den Konsolenfriesen unterhalb von Gesimsen und Dachtraufen sichtbar wird.

Literatur

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  • Dorothy und Henry Kraus: The Hidden World of Misericords. London 1976, erweitert als Le Monde Caché des Misericordes. Paris 1986
  • Elaine C. Block: Misericords in the Rhineland. R.D. Shelden Enterprises, 1996 ISBN 1-883-30006-1
  • Elaine C. Block: Corpus of Medieval Misericords. France. XIII – XIV. Turnhout: Brepols Publishers NV 2003 ISBN 2-503-51239-9
  • Elaine C. Block: Corpus of Medieval Misericords. Iberia. Portugal-Spain XIII-XVI. Turnhout: Brepols Publishers NV 2004
  • Elaine C. Block: Corpus of Medieval Misericords: Belgium (B) - Netherlands (NL). David Brown Book Co 2010 ISBN 978-2-503-51600-4
  • Paul Hardwick: English Medieval Misericords: the margins of meaning. 2011 ISBN 1-84383-659-9
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Commons: Misericords – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien