Lähmung

Funktionsminderung von Nerven, mit daraus folgenden motorischen oder sensiblen Ausfällen
(Weitergeleitet von Monoplegie)
Klassifikation nach ICD-10
G83.9[1] Lähmungssyndrom, nicht näher bezeichnet
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ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Unter einer Lähmung oder Plegie (altgriechisch πληγή plēgḗ, deutsch ‚Schlag‘, ‚Lähmung‘) versteht man einen vollständigen Funktionsausfall von Skelettmuskeln im Sinne einer Gliederlähmung. Als Synonym verwendet man oft auch den Begriff der Paralyse (zu altgriechisch παράλυσις parálysis, deutsch ‚Lähmung‘, ‚Erstarrung‘), der aber weiter gefasst ist und auch Muskel- bzw. Nervengruppen einschließt, die nicht das Skelettsystem bewegen (z. B. bei Hirnnerven Bulbärparalyse, Argyll-Robertson-Paralyse, bei Glatter Muskulatur paralytischer Ileus). Eine unvollständige Lähmung dagegen wird als Parese bezeichnet, wobei in diesem Fall noch einmal zwischen „spastischen“ Paresen mit krankhaft erhöhtem Muskeltonus und „schlaffen“ Paresen mit krankhaft verringertem Muskeltonus unterschieden wird.

Entstehung und Formen

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Paralysen können für einzelne Muskeln oder Muskelgruppen auftreten, wenn der sie versorgende Nerv oder dessen Wurzelzellen im Rückenmark zerstört sind. Plegien ganzer Gliedmaßen oder Gliedmaßenabschnitte treten beispielsweise beim spinalen Querschnittsyndrom auf. Beim Menschen kommen sie, infolge der großen Bedeutung der Pyramidenbahn, auch bei Schäden des motorischen Cortex vor (früher mit dem Begriff der „Gehirnerweichung“[2] benannt. Vgl. progressive Paralyse). Einzelne Muskelgruppen können auch durch eine Schädigung der sie innervierenden Nerven des Plexus brachialis und Plexus lumbosacralis ausfallen.

Über die Zerstörung von Nerven oder Nervenzellen hinaus können Lähmungen aber auch auf die Wirkung von Neurotoxinen zurückzuführen sein, wobei sogen. „Krampfgifte“ wie z. B. Tetanustoxin zu „spastischen“, sogen. „Lähmgifte“ wie z. B. Curare oder Botulinumtoxin dagegen zu „schlaffen“ Lähmungen führen.

Monoplegie

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Als Monoplegie wird die vollständige Lähmung einer Gliedmaße oder eines Gliedmaßenabschnitts bezeichnet.[3]

Paraplegie

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Mit Paraplegie wird die vollständige Lähmung beider (Hinter-)Beine oder beider Arme (Vorderbeine) bezeichnet.

Hemiplegie

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Eine Hemiplegie ist die vollständige Lähmung einer Körperseite. Der Begriff wird auch für Organe außerhalb des Bewegungssystems, z. B. für die halbseitige Kehlkopflähmung verwendet. Verwendet wird auch synonym das Wort Halbseitenlähmung, obwohl eine der beiden Körperseiten vollständig (nicht nur halb) betroffen ist.

Tetraplegie

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Die Tetraplegie ist die vollständige Lähmung aller vier Gliedmaßen, meist nach Verletzung des Rückenmarks im Bereich der Halswirbelsäule.

Panplegie

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Bei der Panplegie ist die gesamte Körpermuskulatur gelähmt.[4][5] Im amerikanischen Sprachraum wird bereits die vollständige Lähmung aller vier Extremitäten (also die Tetraplegie) als Panplegie bezeichnet.[6]

Einteilung des Kraftgrads

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Klinisch wird die Ausprägung der Lähmung oft anhand der semiquantitativen MRC-Skala bestimmt:[7]

  • 0/5: Keine Kontraktion (Plegie)
  • 1/5: sichtbare Kontraktion ohne Bewegung
  • 2/5: Bewegung bei Aufhebung der Schwerkraft möglich (z. B. Arm im Liegen seitlich bewegen)
  • 3/5: Bewegung gegen die Schwerkraft
  • 4/5: Bewegung gegen Widerstand
  • 5/5: Normale Kraft

Therapie

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Einen Therapieansatz stellt die funktionelle Elektrostimulation (FES) dar (direkten Muskelstimulation). Diese vermindert zumindest die Muskelatrophie, beseitigt aber die Nervenschädigung nicht.

Bei Hemiplegie nach Schlaganfall sollte Physiotherapie eingesetzt werden, um die „betroffene Seite“ des Patienten wieder zu aktivieren. Dazu wird häufig das Bobath-Konzept eingesetzt, ein 24-Stunden-Konzept, in das möglichst das gesamte mit dem Patienten befasste therapeutische Personal einbezogen wird. Häufig sind Gehirnareale betroffen, in denen sich Programme zur Steuerung des Bewegungsapparates befinden.[8] Klinische Studien belegen den hohen Stellenwert von Orthesen in der Schlaganfallrehabilitation.[9] Therapiebegleitend sollte deshalb eine rasche Hilfsmittelversorgung mit Orthesen erfolgen.[10] Mit einer Orthese soll frühzeitig physiologisches Stehen und Gehen wieder erlernt werden, zudem können Folgeerscheinungen durch ein falsches Gangbild verhindert werden.[11]

Weiterhin wird bei schlaffen Plegien oftmals Ergotherapie als Therapieform eingesetzt. Hierbei wird bei einer vollständigen, schlaffen Lähmung eine Gelenksmobilisation verwandt, die einer Versteifung der Gelenke und der totalen Unterversorgung entgegenwirkt. Die prophylaktische Mobilisation zur Vorbeugung gegen Gelenksversteifungen ist unerlässlich, weil ein Wiedererlangen der Nervenfunktionen nie ausgeschlossen werden kann.

Siehe auch

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Kniebeugekontraktur bei Lähmung beider Beine
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Wiktionary: Lähmung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Alphabetisches Verzeichnis zur ICD-10-WHO Version 2019, Band 3. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), Köln, 2019, S. 490
  2. A. Müller, R. W. Schlecht, Alexander Früh, H. Still: Der Weg zur Gesundheit: Ein getreuer und unentbehrlicher Ratgeber für Gesunde und Kranke. 2 Bände, (1901; 3. Auflage 1906, 9. Auflage 1921) 31. bis 44. Auflage. C. A. Weller, Berlin 1929 bis 1931, Band 2 (1929), S. 115–119: Die Paralyse der Irren (Gehirnerweichung).
  3. Definition Lähmung. (Memento des Originals vom 9. Januar 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.sign-lang.uni-hamburg.de Website der Universität Hamburg; abgerufen am 13. Mai 2011.
  4. Olaf Kirschnick: Pflegetechniken von A - Z. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2010, ISBN 978-3-13-127274-4, S. 454.
  5. Günter Thiele, Heinz Walter (Hrsg.): Reallexikon der Medizin und ihrer Grenzgebiete. Verlag Urban & Schwarzenberg, Loseblattsammlung, München / Berlin / Wien 1973, 5. Ordner (Mem–Rz), ISBN 3-541-84005-6, S. P 17.
  6. Mosby's Pocket Dictionary of Medicine, Nursing & Health Professions. Elsevier, 2009, ISBN 978-0-3230-6604-4, S. 997.
  7. K. Schnabel, O. Ahlers, H. Dashti, W. Georg, U. Schwantes Ärztliche Fertigkeiten. Anamnese, Untersuchung, ausgewählte Anwendungsgebiete. Stuttgart 2010, S. 148.
  8. Tanja Corsten: Die neurologische Frührehabilitation am Beispiel Schlaganfall - Analysen zur Entwicklung einer Qualitätssicherung. Hrsg.: Universität Hamburg. Hamburg 2010, S. 11 (uni-hamburg.de [PDF]).
  9. Roy Bowers: Report of a Consensus Conference on the Orthotic Management of Stroke Patients, Non-Articulated Ankle-Foot Ortheses. Hrsg.: Elizabeth Condie, James Campbell, Juan Martina. International Society for Prosthetics and Orthotics, Copenhagen 2004, ISBN 87-89809-14-9, S. 87–94.
  10. S. Hesse, C. Enzinger und andere: Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie, Technische Hilfsmittel. Hrsg.: H. C. Diener und andere. 5. Auflage. Thieme, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-13-155455-0, S. 1150–1160.
  11. Elaine Owen: The Importance of Being Earnest about Shank and Thigh Kinematics especially when using Ankle-Foot Orthoses. In: International Society for Prosthetics and Orthotics (Hrsg.): Prosthetics and Orthotics International. Band 34(3). International Society for Prosthetics and Orthotics, September 2010, ISSN 0309-3646, S. 254–269.