Notgasse und Riesgasse

Denkmalgeschütztes Objekt in Gröbming (36239)
(Weitergeleitet von Notgasse)

Notgasse und Riesgasse sind eine Felsformation im Dachsteinmassiv in der Steiermark. Sie weisen Petroglyphen (Felsritzungen) auf und gehören zum UNESCO-Welterbe Kulturlandschaft Hallstatt–Dachstein/Salzkammergut.

Obere und untere Notgasse und Riesgasse
Lage Dachsteinmassiv, Steirisches Salzkammergut, Österreich
Fläche/Ausdehnung 4,153 ha / 685 m
Kennung NDM Nr. 796 (St-GB-027); BDA 36239; HK 1545/RZ1,RZ3
Geographische Lage 47° 29′ N, 13° 48′ OKoordinaten: 47° 28′ 44″ N, 13° 47′ 51″ O
Notgasse und Riesgasse (Steiermark)
Notgasse und Riesgasse (Steiermark)
Meereshöhe von 1500 m bis 1580 m
Einrichtungsdatum 1968
Verwaltung Land Steiermark/BH Liezen, Bundesdenkmalamt
Besonderheiten Geotop, Denkmalschutzobjekt Felsritzbilder in der Notgasse

Lage und Landschaft

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Notgasse und Riesgasse liegen am Rand des Dachsteinplateaus im Kemetgebirge, 2½ Kilometer nordwestlich des Stoderzinken und 3 Kilometer südlich das Hirzbergs im Gemeindegebiet von Gröbming. Es handelt sich um eine hohlwegartige trockene Schlucht.

Die Riesgasse zieht sich von der Lechnerwiese der Brandalm südwestlich hinauf, dann folgen eine ebene Fläche und die Untere und die Obere Notgasse, die dann an der Großen Wiesmahd der Schildenwangalm etwa 1½ Kilometer weiter endet.[1] Die Struktur überwindet dabei gut 200 Höhenmeter. Die Schluchten sind 20 bis 30 m, teils bis 60 m[2] eingetieft, an der Oberkante 10–15 m und an der Basis 2–6 m breit.[1]

Geologie

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Notgasse und Riesgasse sind keine Karstkarre im eigentlichen Sinne, sondern eine trockengefallene Klamm, die in der letzten Eiszeit (Spät-Gschnitz-Stadium; vor etwa 14.000 Jahren) durch einen Sturzbach der Schmelzwässer des Dachsteingletschers in die Masse des gebankter Dachsteinkalk eingeschnitten wurde.[1] Es finden sich noch etliche teilweise überhängende Kolknischen.[1]

In der oberen Notgasse findet sich linkerhand, eine Facies Onkoid-führender Kalk der riffnahen Lagune,[3] die Klamm folgt also einer Strukturkluft. Das oberste Ende der Notgasse ist pleistozäne Moräne, oberhalb liegt hingegen Riff- und Riffschuttkalk; eine alte Moräne findet sich auch am untersten Ende in der Lechnerwiese.[3] Im Daun-Stadial (vor 14.700 Jahren) befand sich hier die wohl letzte aktive Gletscherzunge (Wurzkargletscher) der sich sukzessive zum Plateaugletscher reduzierenden Dachsteineismasse. Nach Zusammenbruch dieses Eisstromes konnte sich hier eine Klamm ausbilden, die gut 500 Höhenmeter über den anderen, älteren Klammen an der Südabdachung liegt (wie den Öfen unterhalb oder der Silberkarklamm).[4]

Petroglyphen

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Ritzzeichnung

Durch Ries- und Notgasse[5] verläuft bis heute ein Steig, der von Gröbming kommend über die Brandalm zur Schildenwangalm, oder nördlich über die Rotlacken Richtung Hochtischl verläuft, und dann als kürzeste Verbindung nach Aussee wie auch Hallstatt. An den Wänden der Schlucht befinden sich zahlreiche Felszeichnungen, die die jahrhundertelange Benutzung des Steigs dokumentieren.

Besonders die Kolknischen weisen einen dünnen Kalksinterbelag, der die Anlage der Ritzzeichnungen erleichterte.[1] Sie sind teils stark verwittert und meist schwer zu finden, oft bodennah, weil sich durch Sedimente der Grund der Schlucht im Laufe der Jahrhunderte deutlich erhöht hat,[2] teils übermannshoch und wohl bei hoher Schneelage angebracht.[6]

Es dürfte sich um eine Art Nachrichten der Almer, Säumer und vielleicht auch Schmuggler,[5][7] Köhler, Jäger oder Wilderer[5] handeln, wohl Schutz- und Wegmarken, vielleicht auch Personalzeichen, sie finden sich analog im ganzen Dachsteinmassiv.[2] Insgesamt sind in der Notgasse über 15 Gruppierungen von Zeichnungen bekannt.[6] Die Symbole selbst sind weitgehend ungedeutet, sofern sie nicht offenkundig lesbar sind.[8] Meist handelt es sich um einfache Geometrie, wie Kreuze, Dreiecke, Leitern, Räder, Pentagramme, aber auch komplexere Zeichnungen,[2] wie auch Buchstaben und Ziffern, vieles ist unlesbar oder möglicherweise natürlichen Ursprungs. Sie wurden schon 1902 vom Bergführer Josef Steiner erwähnt,[9] und sind durch die Monographien von Ernst Burgstaller (1972, Aufnahme Notgasse L. Lauth und E. Burgstaller 1961–1965, Riesgasse G. Graf 1966)[6], Franz Mandl (1966),[2] Walter Modrijan (1978), sowie spätere Forschungen gut dokumentiert.

Die älteste datierte Steinritzung ist frühneuzeitlich von 1643,[1] ein Alter von bis 1200 Jahren (früh-/hochmittelalterlich) erscheint durchaus plausibel,[2] über eine noch frühere Herkunft wurde immer wieder spekuliert, da auch im Hochgebirge vorgeschichtliche Streufunde (bronzezeitlich-keltisch, römisch oder slawisch) belegt sind,[6] sie wird aber – auch mangels Nachweisbarkeit – bezweifelt.[2] Teilweise wurden alte Zeichnungen durch Ritzungen von Touristen ab den 1960ern zerstört.[10]

Natur- und Denkmalschutz

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Die Felsformation wurde 1968/1972 zum Naturdenkmal erklärt (NDM.796 „Obere und untere Notgasse“ und „Riesgasse“, Naturschutzbuch: St-GB-027/Gröbming).[6][11] Das Denkmal umfasst 4,153 Hektar, vom oberen Beginn der Oberen Notgasse bis etwa 100 m in die Riesgasse hinein. Die Petroglyphen wurden per Bescheid des Bundesdenkmalamtes auch unter Denkmalschutz gestellt (Felsritzbilder in der Notgasse, Gröbming). Sie werden auch im Österreichischen Höhlenkataster geführt (Notgasse 1545/RZ1; Riesgasse 1545/RZ3),[6] und stehen auch deshalb unter Schutz.

Das Natur- und Kulturdenkmal liegt im Europa- und Naturschutzgebiet Steirisches Dachsteinplateau (FFH-Gebiet, AT2204000/Nr. 19; NS 18) und der Kernzone des UNESCO-Welterbegebiets Kulturlandschaft Hallstatt–Dachstein/Salzkammergut (WHS 806), das „Naturlandschaft“ wie auch „Zeugnis menschlicher Tätigkeit“ würdigt.[12]

Zugänglichkeit

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Die Schlucht wurde in den 1970ern aufgrund des Denkmalschutzes von den Bundesforsten (als Grundeigentümer) gesperrt,[6] sie wird kaum begangen und ist recht unwegsam. Der Tourismusverband Gröbminger Land[13] und der Verein ANISA in Haus bieten geführte Wanderungen ab der Brünnerhütte am Stoderzinken, die auch wegen der schlechten Auffindbarkeit der Felszeichnungen empfohlen werden.[2]

Literatur

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  • Ernst Burgstaller: Felsbilder in Österreich. Linz 1972; spätere Auflage Felsbildmuseum Spital a.P., 1989, dort S. 144 ff.
  • E. Burgstaller, L. Lauth: Felsgravierungen in den österreichischen Alpenländern. Jahrbuch des O ö . Museal Vereines, 110. Bd., Linz 1965, S. 325–378 – Erstaufnahme der Notgasse.
  • G. Graf: Neue Ritzzeichnungen im östlichen Dachsteingebiet. In: Mitt. der Sektion Ausseerland, 5. Jg., Altaussee 1967, Heft 3, S. 34–36 – Entdeckung und Aufnahme der Riesgasse.
  • Georg Lux, Helmuth Weichselbraun: Lost Places in der Steiermark. Styria Verlag, Wien/Graz/Klagenfurt 2021, S. 8–20 – Alpiner Softporno.
  • Franz Mandl: Dachstein – Vier Jahrtausende Almen im Hochgebirge, Band 1, Verein ANISA, Gröbming 1966, S. 151 u. a.; Band 2 ebd. 1998, S. 110.
  • Walter Modrijan: Gröbming. Der Fundbestand bis in die Spätantike. In: Gerda Schwarz, Erwin Pochmarski (Hrsg.): Classica et Provincialia. Festschrift Erna Diez, Graz 1978, S. 125–140 – Aufnahme von Schriften[14]
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Commons: Notgasse Gröbming – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b c d e f Gerhard W. Mandl (Autor Kap. 2): Pilotprojekt „Karstwasser Dachstein“. Band 2: Karsthydrologie und Kontaminationsrisiko von Quellen. In: Geologische Bundesanstalt (Hrsg.): Archiv für Lagerstättenforschung. Band 21 (= Monographien Band 108 – M-108). Wien 2001, 2.4 Geologische Naturdenkmale in der Dachstein-Region, 11. Notgasse und südwestlicher Teil der Riesgasse, S. 41 f. (umweltbundesamt.at [PDF; 3,4 MB]).
  2. a b c d e f g h Eintrag zu Notgasse im Austria-Forum (im Heimatlexikon)
  3. a b Österreichische Geologische Karte 1:50000 (GÖK 50) Nr. 127 Schladming
  4. Josef Zötl: Hydrologische Untersuchungen im östlichen Dachsteingebiet. In: Mitteilungen des naturwissenschaftlichen Vereins für Steiermark. Jahrgang 87, 1957, S. 185 (ganzer Artikel S. 182–205, zobodat.at [PDF]).
  5. a b c zum Namen der Schlucht wie auch zur Fragwürdigkeit des Schmuggels und ähnlicher Überlieferungen vergl. das Gröbminger [Heimat-]Buch, o.n.A., zitiert in Friedenskircherl (Memento des Originals vom 15. April 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bergrettung-groebming.at: Geschicht über den Stoder, auf bergrettung-groebming.at
  6. a b c d e f g Alfred Auer: Die Ritzzeichenfundstellen im steirischen Salzkammergut. In: Die Höhle. 25, 1974, A. Kitzzeichenfundstellen im Kammergebirge. 1. Notgasse (1545/RZ1). S. 150; 3. Riesgasse (1545/RZ3). S. 151; Zur Datierung der Ritzzeichen. S. 154 f. (ganzer Artikel S. 150–155, zobodat.at [PDF]).
  7. die Grenzkontrollen zwischen dem habsburgischen Staatsärar Salzkammergut und dem Herzogtum Steier(mark) waren immer relativ streng; besonders wurde wohl Salz in der einen, und steirisches Eisen in die andere Richtung geschmuggelt
  8. vergl. Franz Mandl: Interpretationsproblematik in der Felsbildforschung, 1. Nördliche Kalkalpen, Juni 2010 (auf anisa.at)
  9. Josef Steiner: Ennstaler Wanderungen. Gröbming 1902.
  10. W. Ahrahamczik: War der östliche Teil des Dachsteinplateaus besiedelt? In Archaeologia Austriaca, Heft 42, Wien 1967, Seite 69–79.
  11. Verordnung der BH Liezen vom 8. September 1972, veröffentlicht in der Grazer Zeitung vom 31. August 1968 (Zl. 7 N 3/5-1972); Bescheid der Expositur Gröbming vom 24. September 2010 (GZ 6.0-43/2008).
  12. das Europa- und Naturschutzgebiet umfasst südlich noch den ganzen Brandner Urwald, das Welterbegebiet hat hier einen schmalen Fortsatz südwärts, der die Notgasse enthält und dann bis zur Brünnerhütte reicht, die Riesgasse fällt in die Pufferzone.
  13. Felsritzbilder – geführte Wanderung durch die Notgasse im UNESCO Weltnaturerbe, schladming-dachstein.at;
    Notgassenwanderung, auf bergfex.at
  14. Angabe nach Richard Pittioni: Archaeologia austriaca, Ausgaben 61-64, 1977, S. 144