Intermetallische Verbindung
Eine intermetallische Verbindung (genauer intermetallische Phase) ist eine homogene chemische Verbindung aus zwei oder mehr Metallen. Sie zeigen im Unterschied zu Legierungen Gitterstrukturen, die sich von denen der konstituierenden Metalle unterscheiden. In ihrem Gitter herrscht eine Mischbindung aus einem metallischen Bindungsanteil und geringeren Atombindungs- bzw. Ionenbindungsanteilen, die in Überstrukturen resultiert. Dazu gehören auch die sogenannten Ordnungsphasen, deren besondere Gitterstruktur aus der Ordnungseinstellung der Legierungsatome resultiert.
Aufbau und Eigenschaften
BearbeitenEs gibt intermetallische Verbindungen mit stöchiometrischer Zusammensetzung gemäß den üblichen Wertigkeiten der Metalle und es gibt intermetallische Phasen, die mehr oder weniger ausgedehnte Homogenitätsbereiche im Phasendiagramm besitzen. Ein Homogenitätsbereich, auch Phasenbreite genannt, gibt dabei die Grenzen an, zwischen denen das Mengenverhältnis der verschiedenen Metalle variieren kann.
Intermetallische Verbindungen sind häufig hart (große Härte, Sprödigkeit, Festigkeit) und auch chemisch recht beständig (Korrosionsbeständigkeit). Sie besitzen in der Regel einen hohen Schmelzpunkt und ihr elektrischer Widerstand ist meist eine Größenordnung höher als der reiner Übergangsmetalle. Es gibt aber auch Verbindungen mit Halbleitereigenschaften und einige Verbindungen zeichnen sich sogar durch besondere magnetische oder Supraleitungseigenschaften aus.
Die besonderen physikalischen und mechanischen Eigenschaften solcher Verbindungen resultieren aus der besonders starken Bindung zwischen den ungleichartigen Atomen, die überwiegend metallisch ist mit mehr oder weniger großen Anteilen anderer Bindungsarten (Ionen-, kovalente Bindung).
Sie nehmen somit eine Zwischenstellung zwischen metallischen Legierungen und Keramiken ein.
Herstellung
BearbeitenHergestellt werden intermetallische Phasen sowohl durch pulvermetallurgische als auch durch herkömmliche Schmelzverfahren, wobei gerade wegen ihrer mechanischen Eigenschaften die Herstellung und Verarbeitung schwierig sein kann.
Beispiele
BearbeitenBeispiele für intermetallische Phasen sind:
- Laves-Phasen
- Heusler-Phasen
- Zintl-Phasen
- Häggs-Phasen (Koordinationsphasen wie Fe3C – Zementit)
- Hume-Rothery-Phasen, die stets feste Valenzelektronenkonzentrationen aufweisen
- Nitinol (NiTi) (Formgedächtnislegierung)
- Samarium-Cobalt (SmCo5) (Magnetwerkstoff)
- Nb3Sn (Supraleiter)
- Ni3Al in Nickelbasis-Superlegierungen
- NiAl, TiCr2, TaFeAl (experimentelle Hochtemperaturwerkstoffe)[1]
- Magnesiumsilicid (Mg2Si)
- Titanaluminide Ti3Al und TiAl (experimentelle Hochtemperatur-Leichtbauwerkstoffe)
- Eisenaluminide FeAl und Fe3Al[2]
- FeCr, σ-Phase bei hochlegierten Chrom- und Chromnickelstählen, kann zu unerwünschter Versprödung führen und wird daher durch Auswahl der Legierungszusammensetzung vermieden[3][4]
- sogenannte MAX-Schichten, das heißt Materialien der Stöchiometrie Mn+1AXn, die sich aus einem Übergangsmetall M, einem Hauptgruppenelement (engl. A-group, meist III A oder IV A) und einem Kohlenstoff- oder Stickstoffteil X zusammensetzen, wie TiSiC[5]
Auch höherlegierte Bronze- und Messinglegierungen bestehen aus intermetallischen Phasen, die allerdings hier bei verschiedenen Mischungsverhältnissen in unterschiedlicher Ausprägung entstehen können (beispielsweise Cu3Sn und Cu3Sn5). Wird das passende Mischungsverhältnis nicht exakt erreicht, so bilden sich klassische Legierungen, allerdings aus den verschiedenen intermetallischen Phasen, die dem Mischungsverhältnis am nächsten liegen. Von besonderer Bedeutung ist die Bildung dieser intermetallischen Kupfer-Zinn-Phasen im Bereich der Elektronik bzw. der elektrischen Kontakte, da es durch deren Bildung zu Schicht-Abplatzungen, Lötproblemen oder erhöhten Kontaktwiderständen kommen kann[6][7][8].
Verwendung
BearbeitenIntermetallische Verbindungen besitzen in ihrer Verwendung als hochschmelzende, hochfeste Legierungen, Supraleiter, Dauermagnetwerkstoffe, metallische Gläser u. a. m. große technische Bedeutung. Außerdem spielen sie bei der Ausscheidungshärtung von Aluminium- und Nickellegierungen sowie Maraging-Stählen eine entscheidende Rolle.
Siehe auch
BearbeitenLiteratur
Bearbeiten- J. H. Westbrook, Robert L. Fleischer (Hrsg.): Intermetallic Compounds: Principles and Applications. 2 Volume Set: Principles/Practice v. 1 & 2. John Wiley & Sons, 1994, ISBN 0-471-93453-4.
- J. H. Westbrook, Robert L. Fleischer (Hrsg.): Intermetallic Compounds: Progress: 3. John Wiley & Sons, Chichester 2002, ISBN 0-471-49315-5.
- Gerhard Sauthoff: Intermetallics. Wiley-VCH, 1995, ISBN 3-527-29320-5.
- Gerhard Sauthoff: Intermetallics. In: Ullmann’s Encyclopedia of Industrial Chemistry. Wiley-Vch, 2005, ISBN 3-527-31097-5, S. 1–32, doi:10.1002/14356007.e14_e01.pub2.
- Gerhard Sauthoff: Intermetallic Materials. In: Landolt-Börnstein (New Series) Group VIII: Advanced Materials and Technologies, Subvolume VIII/2A: Powder Metallurgy Data, Part 2: Refractory, Hard and Intermetallic Materials. Springer-Verlag, 2002, ISBN 3-540-42961-1, S. 14-1–14–45, doi:10.1007/10858641_17.
Weblinks
Bearbeiten- Intermetallics (englische Fachzeitschrift)
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Gerhard Sauthoff: Intermetallics: characteristics, problems and prospects. In: Esther Belin-Ferré (Hrsg.): Basics of Thermodynamics and Phase Transitions in Complex Intermetallics (= Book Series on Complex Metallic Alloys. Volume 1). World Scientific, 2008, ISBN 978-981-279-058-3, S. 147–188, doi:10.1142/9789812790590_0007.
- ↑ M. Palm, F. Stein, M. Rohwerder: Intermetallic Phases & Materials. (PDF) In: NEWSLETTER 2/2018. Max-Planck-Institutfür Eisenforschung GmbH, 2018, S. 3–4, abgerufen am 8. Dezember 2020.
- ↑ Michael Pohl, Oliver Storz: Sigma-phase in duplex-stainless steels. In: Zeitschrift für Metallkunde. Band 95, Nr. 7, 1. Juli 2004, S. 631–638, doi:10.3139/146.017999.
- ↑ A. F. Padilha, F. C. Pimenta, W. Reick: A comparative study on the precipitation of the {sigma} phase in a superferritic and in a duplex stainless steel; Untersuchung zum Vergleich der {sigma}-Phasenausscheidung in einem rostfreien Superferrit und einem Duplex-Stahl. In: Zeitschrift für Metallkunde. Band 92, Nr. 4, 1. April 2001, S. 351–354 (osti.gov).
- ↑ J. Alami, P. Eklund, J. Emmerlich, O. Wilhelmsson, U. Jansson, H. Högberg, L. Hultman, U. Helmersson: High-power impulse magnetron sputtering of Ti–Si–C thin films from a Ti3SiC2 compound target. In: Thin Solid Films. 515. Jahrgang, Nr. 4. Elsevier B.V., 5. Dezember 2006, S. 1731–1736, doi:10.1016/j.tsf.2006.06.015.
- ↑ F. Petzoldt, J. P. Bergmann, R. Schürer, S. Schneider: Einfluss intermetallischer Phasen auf die Langzeitstabilität von ultraschallgeschweißten Kupfer-Aluminium-Kontakten. In: Metall. 67. Jahrgang, Nr. 11, 2013, S. 504–507.
- ↑ Untersuchung von intermetallischen Phasen (Cu-Sn IMP) – nanoAnalytics. Ehemals im ; abgerufen am 12. November 2020. (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven) (nicht mehr online verfügbar)
- ↑ S. Theobald: Messung des Kontaktwiderstands an Oberflächen von Kupferwerkstoffen für Steckverbinderanwendungen. In: WOMag. Band 4, Nr. 10, 2015, ISSN 2195-5905, S. 4–8, doi:10.7395/2015/Theobald01 (wotech-technical-media.de [abgerufen am 12. November 2020]).