Polyvinylamin

thermoplastisches Polymer
(Weitergeleitet von PVAm)

Polyvinylamin, auch als Polyaminoethylen bezeichnet, (Kurzzeichen PVAm) ist ein thermoplastisches Polymer. Da PVAm nicht durch direkte Polymerisation des Basismonomers Vinylamin hergestellt werden kann, ist es nur durch eine polymeranaloge Reaktion zugänglich.[3] Bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts war es nicht in großtechnischen Mengen verfügbar.

Strukturformel
Strukturformel Polyvinylamin
Allgemeines
Name Polyvinylamin
Andere Namen
  • Polyaminoethylen
  • Poly(1-aminoethylen)
CAS-Nummer 26336-38-9
Monomer Vinylamin
Summenformel der Wiederholeinheit C2H5N
Molare Masse der Wiederholeinheit 43,07 g·mol−1
Art des Polymers

Thermoplast

Kurzbeschreibung

farbloser, wasserlöslicher Kunststoff[1]

Eigenschaften
Aggregatzustand

fest

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
keine Einstufung verfügbar[2]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Geschichte

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1944 wurde Polyvinylamin erstmals aus Ethanolamin, Phthalsäureanhydrid und Essigsäureanhydrid über mehrere Stufen als Nebenprodukt hergestellt.[4][5]

Zu Beginn der 1980er Jahre wurde PVAm durch Polymerisation von N-Vinylformamid leichter zugänglich.[5]

Herstellung

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Imin-Enamin-Tautomerie von Vinylamin

Das Basismonomer Vinylamin ist als solches nicht isolierbar. Bei Vinylamin besteht eine Imin-Enamin-Tautomerie und das Gleichgewicht liegt nahezu vollständig auf der Seite des Imins, das nicht zu Polyvinylamin polymerisiert werden kann. Die Synthese von PVAm gelingt daher nur indirekt über eine polymeranaloge Reaktion.

So kann Polyvinylamin beispielsweise durch Hydrolyse von Poly-N-vinylamiden, wie Poly-N-vinylacetamid oder Poly-N-vinylimiden, wie Poly-N-vinylsuccinimid hergestellt werden, da hier die Basismonomere leicht zugänglich sind. Polyvinylamin kann auch durch Hofmann-Abbau aus Polyacrylamid hergestellt werden.[3]

 
Die großtechnische Synthese von Polyvinylamin

Großtechnisch wird Polyvinylamin erst seit 2002 durch Polymerisation von N-Vinylformamid zu Polyvinylformamid und anschließender alkalischer Hydrolyse hergestellt. Dabei können Produkte mit unterschiedlichem Hydrolysegrad hergestellt werden. Der weltgrößte Hersteller von PVAm ist die BASF in Ludwigshafen am Rhein. Das Unternehmen vertreibt PVAm unter dem Markennamen Luredur.

Eigenschaften

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Polyvinylamin ist stark basisch und sehr leicht in Wasser löslich. Je nach pH-Wert reagiert es als kationischer Polyelektrolyt. Von allen technischen Polymeren hat es zusammen mit Polyethylenimin die derzeit höchste Ladungsdichte (23 Milliäquivalente pro Gramm). Als Polychelatogen ist PVAm in der Lage eine Reihe von Schwermetallionen über die Aminogruppen zu koordinieren.[5][6]

Die primären Aminogruppen von PVAm lassen sich vielseitig mit anderen Chemikalien umsetzen.

Verwendung

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PVAm wird vor allem in der Papierindustrie als Papiernassverfestiger verwendet.[7] Aber auch zur Fixierung und Trockenverfestigung kommt es dort zum Einsatz.

Weitere Anwendungsfelder sind: Flockungsmittel (beispielsweise in der Abwassertechnik), Körperpflegemittel, Superabsorber, Dispergiermittel, Korrosionsschutz und Oberflächenmodifizierung.[5]

PVAm kann als nicht-virales Gentransfersystem verwendet werden, um DNA in tierische Zellen einzuschleusen (Transfektion).[5][8]

Durch Polymerisation von N-Vinylformamid mit Olefinen oder Acrylderivaten lässt sich eine Vielzahl unterschiedlichster Co-Polymerisate herstellen.[5][9]

Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Uta Bilow: Maßgeschneiderter Anzug für Prothesen. In: deutschlandfunk.de. 26. August 2002, abgerufen am 10. Mai 2019.
  2. Dieser Stoff wurde in Bezug auf seine Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
  3. a b Eintrag zu Vinylamin-Polymere. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 13. Juni 2014.
  4. J. Zomlefer u. a.: Attempted Preparation of Polyvinylamine. In: Journal of Organic Chemistry 1944, S. 500, doi:10.1021/jo01188a003.
  5. a b c d e f R. H. Wittke: Darstellung und Untersuchung funktionalisierter Polymeroberflächen. (PDF; 1012 kB) Dissertation, Universität Duisburg-Essen, 2005, urn:nbn:de:hbz:464-duett-09092005-1710211.
  6. G. V. Seguel u. a.: Structure and properties of poly(vinylamine)-metal complexes. In: Angewandte Makromolekulare Chemie 251/1997, S. 97–106, doi:10.1002/apmc.1997.052510109.
  7. Polyvinylformamid und Polyvinylamin (Memento vom 28. Juni 2007 im Internet Archive). In: Nachrichten aus der Chemie 49/2001 (PDF; 179 kB.)
  8. S. Gersting: Einfluss extrazellulärer Faktoren auf Struktur und Funktion nicht Genvektoren. Dissertation, LMU München, 2003, DNB 967283493.
  9. A. Madl, S. Spange: Synthesis and application of oligo(vinylamine). In: Macromol. Symp. 161/2000, S. 149–157, doi:10.1002/1521-3900(200010)161:1<149::AID-MASY149>3.0.CO;2-P.