Medizinische Papyri aus Lahun

altägyptische medizinische Schriften
(Weitergeleitet von Papyrus Kahun)

Die medizinischen Papyri aus Lahun werden in der Medizingeschichte auch oft unter der Bezeichnung Papyrus Kahun geführt. So werden der Medizin-Papyrus Kahun VI.1[1] und der Veterinär-Papyrus Kahun LV.2[2], beide altägyptischen Ursprungs, zwar zusammengefasst, in der Fachwelt aber dennoch voneinander unterschieden.[3] Sie bestehen aus kleineren Papyrusbruchstücken, die mit verschiedenen Aufzeichnungen überladen sind und allem Anschein nach zerrissen und weggeworfen wurden, nachdem man auf ihnen zusätzlich Rechnungen und Alltäglichkeiten notiert hatte.

Der gynäkologische Papyrus Kahun VI. 1, Seite 1 und 2

Entdeckung

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Beide Dokumente wurden 1888/89 von dem englischen Archäologen William Flinders Petrie bei Ausgrabungen in der Arbeitersiedlung Medinet-Kahun bei El-Lahun (Lahun, Kahun) in der Oase Fajum entdeckt, von Francis Llewellyn Griffith 1898 ins Englische übersetzt und anschließend die wichtigsten Papyri publiziert. Die Papyri befinden sich heute im Petrie Museum of Egyptian Archaeology des University College London.

 
Der gynäkologische Papyrus Kahun VI. 1, Seiten 2 und 3

Medizin-Papyrus Kahun VI.1

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Dieser Papyrus, auch Medizinischer Papyrus von Kahun oder Gynäkologischer Papyrus von Kahun genannt, stammt etwa aus der Zeit 1850 v. Chr. (Amenemhet III., 12. Dynastie) und enthält auf insgesamt drei Blättern in erster Linie eine Art Fachbuch (schesau) der Gynäkologie mit 17 Diagnosen über Frauenkrankheiten, 17 Geburtsprognosen, Rezepte zur Ermöglichung einer Empfängnis, Empfängnisverhütung oder Hinweise auf die Behandlung hysterischer Krankheiten. Daneben enthält der Papyrus Priester-Listen, Tempelinventare, verschiedene Auflistungen, wenige literarische Texte darunter exemplarisch den Hymnus an König Sesostris III. und auf einer Rückseite eine kleine Abrechnung aus der Zeit Amenemhets III.

Veterinär-Papyrus Kahun LV.2

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Der veterinärmedizinische Papyrus Kahun LV. 2

Dieser Papyrus, auch Veterinärmedizinischer Papyrus von Kahun genannt, wird um etwa 1800 v. Chr. (Mittleres Reich) datiert. Im Gegensatz zu fast allen anderen Papyri ist dieser Text nicht in Zeilen, sondern in Kolumnen geschrieben, aber nur noch in Bruchstücken vorhanden und beinhaltet Reste eines Buches über Tierkrankheiten, welche bislang noch nicht vollständig übersetzt werden konnten.[4] Dennoch ist eine exakte Gliederung in mehrere Untersuchungsgänge erkennbar, welche dem medizinischen Grundkonzept von Kurzdiagnose, Symptombeschreibung und Therapieanweisung entsprechen.[5] Am besten sind die Textabschnitte über Rinderkrankheiten erhalten, in denen unter anderem die erste erhaltene Beschreibung der Rinderpest enthalten ist. Außerdem werden als Patienten auch Fisch, Gans und Hund genannt.[6]

Bedeutung

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Dieser Papyrus ist mit seinem tiermedizinischen Inhalt das erste und damit älteste bekannte veterinärmedizinische Literaturdokument der Menschheit.[3] Nach Driesch (1989) zeugt dieses bedeutende Fundstück auch von einem hohen Entwicklungsstand der altägyptischen Tierheilkunde.

Weitere Fragmente

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Neben diesen beiden großen Fragmenten gibt es noch einige kleinere Papyrusfragmente aus Lahun, die wohl auch zu medizinischen Papyri gehörten. Sie sind jedoch so verstümmelt, dass nur wenig zu ihnen gesagt werden kann.[7]

Siehe auch

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Literatur

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  • Marc Collier, Stephen Quirke (Hrsg.): The UCL Lahun Papyri. Band 2: Religious. Literary. Legal, Mathematical and Medical (= BAR. International Series. 1209). Archaeopress, London 2004, ISBN 1-84171-572-7, S. 54–69, (mit Tafeln und CD-Rom).
  • Angela von den Driesch: Geschichte der Tiermedizin. 5000 Jahre Tierheilkunde. Callwey, München 1989, ISBN 3-7667-0934-8.
  • Angela von den Driesch, Joris Peters: Geschichte der Tiermedizin. 5000 Jahre Tierheilkunde. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Schattauer, Stuttgart u. a. 2003, ISBN 3-7945-2169-2.
  • Reinhard Froehner: Der Veterinärpapyrus von Kahun. In: Deutsche tierärztliche Wochenschrift. Band 42, Nr. 44, 1934, ISSN 0341-6593, S. 704–709.
  • Francis Ll. Griffith (Hrsg.): The Petrie Papyri. Hieratic Papyri from Kahun and Gurob. Text. Quaritch, London 1898, S. 5–14.
  • Francis Ll. Griffith (Hrsg.): The Petrie Papyri. Hieratic Papyri from Kahun and Gurob. Plates. Quaritch, London 1898, Pl. 5–7.
  • Wolfgang Kosack: Ein altägyptisches Hausbuch der Tiermedizin. In: Armant. Heft 3, 1969, ISSN 0571-0782, S. 172–187.
  • Emmanuel Leclainche: Die Tierheilkunde in der Antike. In: Jean-Charles Sournia, Jacques Poulet, Marcel Martiny (Hrsg.): Illustrierte Geschichte der Medizin. Band 2. Andreas & Andreas, Salzburg 1980, ISBN 3-85012-090-2, S. 523–571.
  • Heinrich Neffgen (Hrsg.): Der Veterinär-Papyrus von Kahun. Ein Beitrag zur Geschichte der Tierheilkunde der alten Aegypter. S. Calvary & Co. (in Commission), Berlin 1904, (Digitalisat).
  • John M. Stevens: Gynaecology from ancient Egypt: The papyrus Kahun: A translation of the oldest treatise on gynaecology that has survived from the ancient world. In: The Medical journal of Australia. Band 2, Nr. 25/26, 1975, ISSN 0025-729X, S. 949–952, doi:10.5694/j.1326-5377.1975.tb106465.x.
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Einzelnachweise

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  1. Petrie Museum, University College London UC 32057.
  2. Petrie Museum, University College London UC 32036.
  3. a b Ägyptologie Marburg (Memento vom 4. Oktober 2007 im Internet Archive).
  4. Science in Ancient Egypt - Peter Dils: Veterinär-Papyrus - Übersetzung und Kommentar - neueste Version: Nr. 13 vom 20. Januar 2021. Auf: sae.saw-leipzig.de; zuletzt abgerufen am 19. Mai 2021.
  5. Diana-Kerstin Schwarz: Schweinepest. Ein Beitrag zur Geschichte der Tierkrankheiten. Mensch und Buch-Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-89820-958-X, S. 10, (Zugleich: Berlin, Freie Universität, Dissertation, 2005; Digitalisat).
  6. Anja Schulz: Die Geschichte der Tierkrankheiten unter besonderer Berücksichtigung der Ferkelgrippe. Mensch und Buch-Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-86664-981-1, S. 13, (Zugleich: Berlin, Freie Universität, Dissertation, 2011; Digitalisat).
  7. publiziert von Marc Collier, Stephen Quirke (Hrsg.): The UCL Lahun Papyri. Band 2. 2004, S. 66–69.