Seefedern

Ordnung der Klasse Blumentiere (Anthozoa)
(Weitergeleitet von Pennatulacea)

Die Seefedern (Pennatuloidea) sind eine Überfamilie der Achtstrahligen Blumentiere (Octocorallia),[1] welche die Sand- und Schlickböden aller Weltmeere besiedeln. Sie leben meist in größeren Tiefen, nur in den Tropen auch im Flachwasser. Derzeit sind etwa 440 Arten beschrieben, von denen aber nur knapp die Hälfte gültig ist.[2]

Seefedern

Virgularia sp.

Systematik
Stamm: Nesseltiere (Cnidaria)
Klasse: Blumentiere (Anthozoa)
Unterklasse: Octocorallia
Ordnung: Scleralcyonacea
Überfamilie: Seefedern
Wissenschaftlicher Name
Pennatuloidea
McFadden, van Ofwegen u. Quattrini, 2022
Pteroeides sp.
Stylatula elongata

Merkmale

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Die streng symmetrisch angeordnete Polypenkolonie ist sehr zäh und kräftig gebaut. Sie erinnert in ihrer Form an eine Feder. Von einem zentralen Stamm, der auf einem leicht anschwellbaren Grabfuss steht, zweigen im oberen Teil in einer Ebene zahlreiche Seitenäste ab, auf denen die einzelnen Polypen stehen. Die Festigkeit der Kolonie beruht auf der Einlagerung von Hornsubstanz (Pennatulin) und Kalknadeln, die platten- (am Fuß) oder nadelförmige Gestalt (am Stamm) haben. Die Polypen sind durch ihre geringe Größe (etwa 1 mm) und fehlende Färbung sehr unscheinbar. Die Farbe des Korallenskeletts ist meist leuchtend violettrot, innen jedoch viel heller. Eine Kolonie erreicht eine Höhe von 40 cm.

Seefedern gehören zu den Achtstrahligen Blumentieren (Octocorallia). Ihre Polypen haben immer acht gefiederte Tentakel. Sie unterscheiden sich von allen anderen Blumentieren dadurch, dass sie einen Primär- oder Axialpolypen besitzen, der aus zwei Teilen besteht: einem Fuß, der im Sand- oder Schlammboden eingegraben ist, und einem ins freie Wasser ragenden Teil, von dem die anderen Polypen abzweigen. Bei Irritationen können sie sich vollständig in ihren Fuß zurückziehen. Die Tiere sind bilateral symmetrisch und meist federförmig. Sie sind Filtrierer und ernähren sich von kleinstem Plankton. Einige Arten können biologisch erzeugtes Licht ausstrahlen (Biolumineszenz).

Die Gruppe der Seefedern stellt innerhalb der Blumentiere eine außerordentlich hoch entwickelte Organisationsstufe dar. Die Polypen sind untereinander durch ein sehr einfaches Nervensystem verbunden und reagieren bei äußeren Einflüssen deshalb auch wie ein einziges Tier. Ähnlich wie die Tote Meerhand wechseln Phasen der Polypenkontraktion mit denen der Expansion. Im Dunkeln leuchten die Kolonien häufig und locken so Planktonorganismen an, die sie mit ihren kleinen Tentakelköpfen wegfangen und verschlingen. Die Kolonien sind getrenntgeschlechtlich und die Geschlechtsprodukte werden ins freie Wasser abgegeben, wo dann die Befruchtung stattfindet. Aus dem befruchteten Ei bildet sich eine Planulalarve, die zum Bodenleben übergeht und zu einem Primärpolypen auswächst. Aus diesem einzelnen Tier entsteht durch Knospung eine ganze Kolonie. Bisher ist nur bei der Art Pennatula prolifera eine ungeschlechtliche Vermehrung bekannt. Bei dieser Art schnürt sich der obere Teil des Stockes ab und bildet eine neue Kolonie.

Verbreitung

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Kosmopolitisch, an den europäischen Küsten im Atlantik, Ärmelkanal, Nord- und westliche Ostsee, Mittelmeer.

Lebensraum

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Lebensraum der Seefedern sind Ton-, Sand- und Weichböden in 20 bis 2000 Meter Tiefe.

Systematik

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Traditionell sah man die Seefedern als eine der drei Ordnungen der Octocorallia an. Eine neuere phylogenetische Untersuchung verwirft jedoch diese ranghohe Stellung und ordnet die Seefedern nur noch als Überfamilie in die Ordnung Scleralcyonacea ein, die neben den Malacalcyonacea eine von zwei großen Kladen der Octocorallia darstellt. Schwestergruppe der Seefedern ist die Familie Ellisellidae.[1]

Die traditionelle innere Gliederung der Seefedern sieht wie folgt aus:[3]

 
Ptilosarcus gurneyi
 
Renilla reniformis
 
Umbellula sp.
 
Veretillum sp.

Fossilbericht

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Seefedern werden immer wieder mit Vertretern der Ediacara-Fauna, wie beispielsweise Charnia, in Verbindung gebracht. Allerdings lehnen Jonathan B. Antcliffe und Martin D. Brasier diese Verbindung kategorisch ab.[7] Auch der Nachweis aus dem kambrischen Burgess-Schiefer ist zweifelhaft. Sichere Nachweise stammen erst aus der Unterkreide[8] und dem Paläogen. Die kalzifizierte Achse ist im Querschnitt sehr ähnlich aufgebaut wie die Belemniten aus Jura und Kreide. Verwechslungen mit fossilen Seefedern waren ein Grund für den angeblichen Nachweis von Belemniten im „Tertiär“ (Paläogen und Neogen). Umgekehrt hat sich ein vermeintlicher Rest einer Seefeder aus der Obertrias als der Rest eines belemnoiden Cephalopoden entpuppt.[9]

Einzelnachweise

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  1. a b Catherine S. McFadden, Leen P. van Ofwegen u. Andrea M. Quattrini: Revisionary systematics of Octocorallia (Cnidaria: Anthozoa) guided by phylogenomics. Bulletin of the Society of Systematic Biologists, Vol. 1 Nr. 3 (2022), DOI: 10.18061/bssb.v1i3.8735, S. 57 u. 58.
  2. Gary C. Williams: Living genera of sea pens (Goelenterata: Octocorallia: Pennatulacea): illustrated key and synopses. Zoological Journal of the Linnean Society, 113(2): 93–140, London 2008 doi:10.1111/j.1096-3642.1995.tb00929.x
  3. Systematic list of valid octocoral genera zusammengestellt von Gary C. Williams und Stephen D. Cairns. Archiviert vom Original am 19. Januar 2012; abgerufen am 4. Juni 2023.
  4. Georg August Goldfuß: Handbuch der Zoologie. Erste Abtheilung. Nürnberg, Johann Leonhard Schrag, 1820 Online bei archive.org (S. 90)
  5. Pablo J. López-González, Jim Drewery: When distant relatives look too alike: a new family, two new genera and a new species of deep-sea Umbellula-like sea pens (Anthozoa, Octocorallia, Pennatulacea). In: Invertebrate Systematics. 36, Nr. 3, 2021, S. 199–225.
  6. Pseudumbellulidae López-González in López-González & Drewery, 2022, in World Register of Marine Species (WoRMS), ID 1565692, 2022.
  7. Jonathan B. Antcliffe und Martin D. Brasier: Charnia and sea pens are poles apart. Journal of the Geological Society, 164(1): 49–51, London 2007 doi:10.1144/0016-76492006-080
  8. Michael J. Benton (Hrsg.): The Fossil Record 2. Chapman & Hall, London u. a., 1993, ISBN 0-412-39380-8
  9. [1]

Literatur

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  • Marymegan Daly, Mercer R. Brugler, Paulyn Cartwright, Allen G. Collin, Michael N. Dawson, Daphne G. Fautin, Scott C. France, Catherine S. McFadden, Dennis M. Opresko, Estefania Rodriguez, Sandra L. Romano, Joel L. Stake: The phylum Cnidaria: A review of phylogenetic patterns and diversity 300 years after Linnaeus. In: Zootaxa. 1668, Wellington 2007, S. 127–182, ISSN 1175-5326 Abstract – PDF
  • Bernhard Werner: Stamm Cnidaria. In: Hans-Eckard Gruner (Hrsg.): Lehrbuch der Speziellen Zoologie. Band I: Wirbellose Tiere 2. Teil: Cnidaria, Ctenophora, Mesozoa, Plathelminthes, Nemertini, Entoprocta, Nemathelminthes, Priapulida. 4., völlig neubearbeitete Auflage. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart 1984, ISBN 3-437-20261-8, S. 11–305.
  • H.-E. Gruner, H.-J. Hannemann, G. Hartwich, R. Kilias: Urania Tierreich, Wirbellose 1 (Protozoa bis Echiurida). Urania-Verlag, ISBN 3-332-00501-4.
  • Baensch, Patzner: Mergus Meerwasser-Atlas. Bände 2, 4 + 5, Mergus-Verlag, Melle.
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