Blattfußkrebse

Unterklasse der Kiemenfußkrebse
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Die Blattfußkrebse, wissenschaftlicher Name Phyllopoda (von altgriechisch phyllo φύλλο: Blatt und poús πούς: Fuß) sind eine der beiden Unterklassen der Kiemenfußkrebse (Branchiopoda), sie umfassen alle rezenten Kiemenfußkrebse mit Ausnahme der Kiemenfüßer (Anostraca, manchmal wird eine monotypische Unterklasse Sarsostraca mit den Anostraca im Ordnungsrang als einzigem rezenten Subtaxon unterschieden). Namensgebend für die Gruppe sind die zu Blattbeinen umgebildeten Rumpfextremitäten oder Phyllopoden (allerdings gibt es Krebse wie die Phyllocarida, die ebenfalls Blattbeine besitzen, aber nicht näher verwandt sind, hier geht man von konvergenter Entwicklung aus). Artenreichste Gruppe der Blattfußkrebse sind die Wasserflöhe (Cladocera), die neben vielen in Binnengewässern lebenden (limnischen) Vertretern auch wenige marine (im Meer lebende) Arten umfassen. Die übrigen, rein limnischen und artenarmen Ordnungen werden als „Großbranchiopoden“ zusammengefasst, sie sind sich morphologisch ähnlich und haben eine ähnliche Lebensweise, bilden aber keine geschlossene Abstammungsgemeinschaft oder Klade aus. Im praktischen Zusammenhang, etwa für Rote Listen, werden gelegentlich Blattfußkrebse und Großbranchiopoden gleichgesetzt, dieses rein praktische Vorgehen entspricht aber nicht der zoologischen Systematik.

Blattfußkrebse

Daphnia pulex

Systematik
Überstamm: Häutungstiere (Ecdysozoa)
Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda)
Unterstamm: Krebstiere (Crustacea)
Klasse: Kiemenfußkrebse (Branchiopoda)
Unterklasse: Blattfußkrebse
Wissenschaftlicher Name
Phyllopoda
Preuss, 1951

Morphologie

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Die Phyllopoda[1] sind in der Erscheinung und im Habitus recht verschiedenartige Tiere, sie umfassen große Vertreter wie die von einem schildförmigen Carapax bedeckten Rückenschaler (Notostraca) mit bis zu 100 Millimeter Körperlänge und Winzlinge unter den Wasserflöhen mit 0,2 Millimeter Länge. Der Körper der Tiere ist meist relativ gleichartig (homonom) gegliedert, die verschiedenen Beinpaare untereinander ähnlich aufgebaut und nicht funktional oder morphologisch spezialisiert. In den meisten Gruppen ist ein großer Carapax vorhanden, der bei den meisten Cladocera und den früher zu den Muschelschalern (Conchostraca) zusammengefassten Gruppen den Rumpf oder sogar den Körper fast vollständig umhüllen kann, oder bei den Notostraca den namensgebenden Rückenschild ausbildet. Der Carapax ist dabei nie mit dem Rumpf verwachsen oder verschmolzen. Selten ist der Carapax weitgehend reduziert (etwa beim Glaskrebschen Leptodora kindtii).

Der Kopf trägt in der Regel zwei große, niemals gestielte Komplexaugen, diese sind sogar ins Kopfinnere verlagert und scheinen durch das Integument durch, und ein mittiges, unpaares Naupliusauge, das aus vier Pigmentbecherocellen zusammengesetzt ist (nicht wie bei den anderen Krebsen aus drei, Autapomorphie der Kiemenfußkrebse). Die ersten Antennen (Antennulae) sind meist kurz und unsegmentiert, die zweiten Antennen (Antennae) hingegen lang, sie dienen oft als Schwimmorgane zur Fortbewegung. Die Mandibeln tragen nie einen Palpus. Die ersten und zweiten Maxillen sind einfach gebaut und blattartig, die zweiten sind bei den Wasserflöhen zu Rudimenten zurückgebildet.

Die morphologisch ursprünglichen großen Blattfußkrebse weisen eine Vielzahl (oft mehr als 30) von extremitätentragenden Rumpfsegmenten mit seriellen Blattbeinen auf, bei den Wasserflöhen ist ihre Anzahl sekundär reduziert, es kommen maximal sechs Paar Blattbeine vor. Bei den ursprünglicheren Blattfußkrebsen dienen die Rumpfextremitäten gleichzeitig der Nahrungsbeschaffung (als Filtrierer) und der schwimmenden Fortbewegung, bei den Wasserflöhen wurde die Schwimmfunktion aufgegeben und sie dienen nur noch als Filterextremitäten der Ernährung. Fast immer tragen die Blattbeine außerdem außen ungeteilte, als Epipodite bezeichnete Anhänge, die als Kiemen der Atmung dienen (Ausnahme Onychopoda und Haplopoda). Das Blattbein der Phyllopoda[2] ist abgeflacht und ungegliedert, es trägt verschieden gestaltete lappenförmige Anhänge, die als Endite bezeichnet werden. Der Endopodit und Exopodit des Spaltbeins sind ebenfalls lappenartig und nicht gelenkig gegenüber dem Protopoditen abgesetzt. Unter anderem anhand der Gestalt und Ausbildung der Bosten (Setae) kann festgestellt werden, dass die Blattbeine der Phyllopoda und der Phyllocarida keine homologen Bildungen sind.[3]

Ein gliedmaßenloser Hinterleib (Abdomen) kann je nach Gruppe vorhanden sein oder nicht, wenn vorhanden, unterscheiden sich seine Segmente außer durch die fehlenden Extremitäten nicht sehr von den Rumpfsegmenten. Eine Furca am Ende des Abdomens ist fast immer vorhanden, die Furcaäste können lang und fadenförmig sein, oder sie sind krallenförmig umgebildet (Autapomorphie der danach benannten Krallenschwänze, Diplostraca oder Onychura).

Als morphologische Synapomorphien der Phyllopoda sind unter anderem vorgeschlagen[4]: Die Äste (Rami) der zweiten Antennen sind untereinander gleich groß (symmetrisch), die Blattbeine tragen fünf Endite (oder weniger), das Telson trägt ein Paar von Borsten (Setae), die Komplexaugen sind nach innen verlagert ohne äußere Linsen o. ä., das Naupliusauge besteht aus vier Ocelli, Der Carapax entsteht als sekundäre, oft paarig angelegte Struktur am Kopfhinterrand, ohne mit dem Rumpf verbunden oder verschmolzen zu sein. Außerdem sprechen Merkmale der Oogenese und der Embryonalentwicklung für eine Zusammengehörigkeit. Von den Anostraca unterscheidet unter anderem der bei diesen völlig fehlende Carapax und die bei diesen bei den Weibchen ausgebildeten, an spezialisierte Brutbeine angehefteten Eisäckchen der Weibchen.

Phylogenie, Taxonomie, Systematik

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Cyzicus californicus, ein Vertreter der Unterordnung Spinicaudata
 
Lepidurus apus, ein Vertreter der Ordnung Notostraca
 
Das Glaskrebschen Leptodora kindtii

Die Zusammengehörigkeit der hier behandelten Gruppen als Phyllopoda wurde zuerst 1951 in der in Auszügen veröffentlichten Promotion des Zoologen Günter Preuß vorgeschlagen (Preuß gab später die Forschung auf und wurde als Biologie-Didaktiker bekannt). Preuß war allerdings irrtümlich überzeugt davon, dass die Phyllopoda und die Anostraca keine Schwestergruppen seien. Für die Binnengliederung waren lange Zeit die Arbeiten des Norwegers Georg Ossian Sars maßgeblich, der die Großbranchiopoden in die Anostraca, Notostraca und die (heute aufgegebenen) Conchostraca teilte und die Unterordnungen Ctenopoda, Anomopoda, Onychopoda und Haplopoda der Wasserflöhe (Cladocera) einführte. Der Schwede Folke Linder erkannte schon 1945, dass die Spinicaudata und die Laevicaudata innerhalb der „Conchostraca“ recht verschiedenartige Gruppen sind, und 1987 wies der britische Forscher Geoffrey Fryer nach, dass beide keine Schwestergruppen sein können, er war aber außerdem, irrtümlich, davon überzeugt, dass auch die Cladocera kein monophyletisches Taxon bilden würden. Ebenfalls nicht durchgesetzt hat sich die Ansicht des US-amerikanischen Forschers Frederick Robert Schram, dass auch die Phyllocarida zu den Phyllopoda gehören müssten und daher enge Beziehungen zwischen den Branchiopoda und den Malacostraca bestehen würden.

Aufbauend auf den morphologischen Arbeiten und diese weitgehend bestätigend, wurde die Phylogenie der Kiemenfußkrebse durch genetische Arbeiten (Phylogenomik) aufgeklärt. Dabei ergaben sich die folgenden Verwandtschaftsverhältnisse[5][6]

 Kiemenfußkrebse (Branchiopoda)  

 Kiemenfüßer (Anostraca)


   
  Phyllopoda  

 Rückenschaler (Notostraca)


  Krallenschwänze (Onychura)  

 Laevicaudata


  Onychocaudata  

 Spinicaudata


  Cladoceromorpha  

 Cyclestheria hislopi


  Cladocera  

 Haplopoda (=Leptodora kindti)


   

 Ctenopoda


   

 Onychopoda


   

 Anomopoda


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Die Binnengliederung der Cladocera ist dabei bisher nicht abschließend geklärt.

Daraus ergibt sich das folgende System (ohne fossile Arten, Artenzahlen nach Shane T. Ahyong und Kollegen[7], Stand 2011)

Einzelnachweise

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  1. Hans-Eckhard Gruner: 5. Unterklasse Phyllopoda, Blattfußkrebse. In Hans-Eckhard Gruner (Herausgeber) Alfred Kaestner (Begründer): Lehrbuch der Speziellen Zoologie. Band 1: Wirbellose Tiere. 4. Teil: Arthropoda (ohne Insecta). Gustav Fischer Verlag, Jena Stuttgart New York 4. Auflage 1993, ISBN 3-334-60404-7.
  2. Jørgen Olesen (2007): Monophyly and Phylogeny of Branchiopoda, with Focus on Morphology and Homologies of Branchiopod Phyllopodous Limbs. Journal of Crustacean Biology 27 (2): 165–183.doi:10.1651/S-2727.1
  3. Joel W. Martin & Jennifer C. Christiansen (1995): A morphological comparison of the phyllopodous thoracic limbs of a leptostracan (Nebalia sp.) and a spinicaudate conchostracan (Leptestheria sp.), with comments on the use of Phyllopoda as a taxonomic category. Canadian Journal of Zoology 73: 2283-2291.
  4. Jørgen Olesen (2009): Phylogeny of Branchiopoda (Crustacea) – Character Evolution and Contribution of Uniquely Preserved Fossils. Arthropod Systematics & Phylogeny 67 (1): 3–39.
  5. Jørgen Olesen & Stefan Richter (2013): Onychocaudata (Branchiopoda: Diplostraca), a new high-level taxon in branchiopod systematics. Journal of Crustacean Biology 33: 62–65.doi:10.1163/1937240X-00002121
  6. Filippo Castellucci, Andrea Luchetti, Barbara Mantovani (2022): Exploring mitogenome evolution in Branchiopoda (Crustacea) lineages reveals gene order rearrangements in Cladocera. Scientific Reports 12, 4931 doi:10.1038/s41598-022-08873-y (open access).
  7. Shane T. Ahyong, James K. Lowry, Miguel Alonso, Roger N. Bamber, Geoffrey A. Boxshall, Peter Castro, Sarah Gerken, Gordan S. Karaman, Joseph W. Goy, Diana S. Jones, Kenneth Meland, D. Christopher Rogers, Jörundur Svavarsson (2011): Subphylum Crustacea Brünnich, 1772. In: Zhi-Qiang Zhang (Editor): Animal biodiversity: An outline of higher-level classification and survey of taxonomic richness. Zootaxa 3148: 165-191.
  8. Martin Schwentner, Nicolas Rabet, Stefan Richter, Gonzalo Giribet, Sameer Padhye, Jean-François Cart, Céline Bonillo, D. Christopher Rogers (2020): Phylogeny and Biogeography of Spinicaudata (Crustacea: Branchiopoda). Zoological Studies 59:44 (23 Seiten). doi:10.6620/ZS.2020.59-44
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  • Phyllopoda. WoRMS World Register of Marine Species.